Andreas Resch: Meinhard

MEINHARD
(ca. 1134/36-1196)

ERSTER BISCHOF VON LIVLAND,
HEUTE LETTLAND

Kultbestät.: 8. Sept. 1993
Fest: 11. Oktober

Das Leben des heiligen MEINHARD, des Apostels von Livland und vor allem Lettland, ist uns erst vom Beginn seiner missionarischen Tätigkeit im alten Livland her bekannt, dessen Name gleichzeitig mit der Evangelisierung entstand. Wenngleich das Missionswerk auf dem Boden des heutigen Litauen schon früher begonnen haben mag, so ist der Beginn der Kirche mit der Entstehung der Diözese Üxküll zwischen 1186 und 1188 erst mit Meinhard anzusetzen.

Auch wenn Ort und Datum der Geburt Meinhards unbekannt sind, weiß man aus der Chronik des Heinrich von Lettland (Henricus de Lettis), dass er schon zu Beginn seiner Mission grau melierte Haare hatte, weshalb man annimmt, dass er zu der Zeit etwa 50 Jahre alt war und kurz vor seiner Bischofsweihe stand, die 1186 erfolgte, sodass anzunehmen ist, dass Meinhard um 1134/36 geboren wurde. Vor seiner Bischofsernennung war er Regularkanoniker des hl. Augustinus in der Abtei von Segeberg, heute Bad Segeberg in Holstein (Deutschland), dem damaligen Wagrien, dem Land der Westslawen. Die Abtei wurde vom hl. Vinzelin gegründet, um die Völker dort zu missionieren. Sie wurde zerstört und mehrmals wieder aufgebaut. Meinhard könnte den hl. Vinzelin, der 1154 starb, gekannt haben. Die kirchlichen und weltlichen Ereignisse von Holstein waren, vor allem was die Gründung und Neugründung der Stadt Lübeck anbelangte, wegen des Handels mit den Völkern des künftigen Litauen sehr komplex, wo sich schon die Kriviči auszubreiten versuchten, die ihrerseits auf die Staaten Polotzk und Pleskovia-Novgorod verteilt waren. Diese Ereignisse legen den Gedanken nahe, dass der Kanoniker Meinhard die verworrene Allgemeinsituation kannte und durch das Wort des Evangeliums erleuchten wollte. Er begegnete dieser Realität, wie die Chronik Heinrichs zeigt, unter göttlicher Inspiration und beschloss, dort das Evangelium zu verkünden. Zu diesem Zweck wurde er, sicherlich mit Zustimmung seiner Ordensoberen, zum Kaplan der Kaufleute von Lübeck, die sich während der Sommermonate mit ihren Schiffen an die Mündungen der Daugava (Düna) begaben, um mit Liven, Litauern und Semigallen Handel zu treiben. Letztere waren damals ein reiches und mächtiges Volk und besaßen unweit von Riga einen Hafen. Meinhard segelte mit diesen Händlern des Baltischen Meeres, bedroht von Piraten, die sich an die Handelsplätze der Liven begaben.

Den Historikern ist es nicht gelungen, Ort und Datum des Missionsbeginns Meinhards bei den Liven mit letzter Sicherheit auszumachen, und auch nicht, wie alles begann. Es geschah wohl gegen Ende der siebziger bzw. zu Beginn der achtziger Jahre des 12. Jahrhunderts. Zunächst einmal musste er gute Beziehungen mit den Einheimischen aufbauen und ihre Sprachen erlernen: Livisch und Lettisch. Über den Beginn der Mission gibt es viele Überlieferungen. Es scheint, dass sich auf Initiative Meinhards schon bald der Zisterzienser Theoderich und andere Missionare dazugesellten. Meinhard ließ sich dann in Üxküll nieder und beschloss, den Fürst von Polotzk um die Erlaubnis zur Evangelisierung zu bitten, was ihm dieser unter Beifügung von Geschenken auch gewährte. Die Historiker fügen noch an, dass dies auch mit Zustimmung des Bischofs des griechischen Ritus von Polotzk geschah. Auf diese Weise abgesichert und ermutigt, ließ Meinhard eine kleine Kirche bauen, zunächst vermutlich aus Holz, später dann aus Mauerwerk, und setzte die Jahre hindurch seine Predigten mit erheblichem Erfolg fort. Während eines Beutezugs der Litauer floh Meinhard mit den Liven in die Wälder, und als die Gefahr gebannt war, versprach er ihnen, dass er – wenn sie sich taufen ließen – eine Burg bauen würde. Die Burgen der Liven waren nämlich aus Holz und nicht sehr sicher. Sie akzeptierten den Vorschlag und so errichtete Meinhard zwei Burgen, die eine für die Liven von Üxküll, die andere für jene im nahe gelegenen Salaspils (Kirchholm).

Der Hauptort des missionarischen Wirkens von Meinhard, zuerst als Priester und dann (von ca. 1186 an) als Bischof, war das heutige Üxküll, eine Stadt mit etwas mehr als zweitausend Einwohnern. Sie ist, wie Riga, am rechten Ufer der Daugava (Düna) gelegen, 28 km östlich des Zentrums von Riga. Zur Zeit Meinhards bildeten Üxküll und Riga in Litauen kleine Handelszentren, die vornehmlich von Liven bewohnt waren, welche die Letten heute „Libiesen“ nennen. Von den Liven, in lateinischer Sprache einst Livländer genannt, leitet sich der Name des Gebietes und des Staates ab: Livland (1203-1561/6). Auf der Insel im künstlich angelegten See sind die Mauerreste der ersten Kirche erhalten, die Meinhard der Jungfrau Maria weihte und die auf seine Initiative hin von Maurern errichtet wurde, welche von der Insel Gotland im Baltischen Meer (heute schwedisch) kamen. Zusammen mit der angrenzenden kleinen Burg, von der nur ein paar Ruinen übrig sind, bildete die Kirche das erste Mauerwerk in den baltischen Ländern.

Mit diesen Erfolgen, dem Bau der Kirche und der Burg, gekoppelt mit lokalen Konflikten, die von ihm beigelegt wurden, begab sich Meinhard nach Bremen, wo ihn Erzbischof Hartwig II. um 1186 zum Bischof von Üxküll weihte. Die Bestätigung durch Papst Clemens III. erfolgte mittels zweier Briefe 1188. Der Papst legte zudem fest, dass die neue Diözese der Erzdiözese von Bremen unterstellt sei. Im Hinblick auf dieses bedeutende Faktum entstanden viele Legenden, welche die Heiligkeit und die „Romtreue“ des Bischofs untermauern.

Von Bremen nach Üxküll zurückgekehrt, setzte Meinhard mit großem Eifer die Pastoral seiner Kirche fort. Vor allem bemühte er sich um eine Steigerung der Priesteranwärter. Er holte sich diese vor allem bei den Ordensleuten im Ausland und bildete sie in Segeberg aus. Heinrich von Lettland erzählt, wie Meinhard z. B. einen jungen Gefangenen loskaufte und in der Abtei Segeberg auf das Priesteramt vorbereitete. Dort wurde dann irgendwann eine Schule oder ein Seminar für die Priester von Livland eröffnet.

In der Burg von Üxküll errichtete er die Kommunität der Regularkanoniker des hl. Augustinus, die er alle, oder zumindest teilweise, aus Segeberg kommen ließ. Er verstand es, für einen ständigen Zuzug von Missionaren zu sorgen, die entweder verschiedenen Ordensgemeinschaften angehörten oder Weltpriester waren. Allerdings brachte dies seelsorgliche Schwierigkeiten mit sich. All das legte Meinhard dem Papst dar und erhielt von Clemens III. eine ausführliche Antwort in Form eines langen Briefes vom 10.04.1190. Dieses Dokument ist von so eminenter Bedeutung, dass ein Teil davon in der kirchlichen Gesetzgebung bis zum Codex von 1917 in Kraft blieb.

Zum Verständnis der herausragenden Persönlichkeit Meinhards empfiehlt sich die Lektüre der Einleitung dieses Schreibens, worin seine missionarische Tätigkeit nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch gelobt und die vom Bischof vorgeschlagene einheitliche Lebensweise der Missionare approbiert wird. Mit diesem Brief begann zudem die missionarische Gesetzgebung der katholischen Kirche, wie der Historiker Msgr. Maccarone bestätigt.

Noch größeres Lob und weitere Vollmachten wurden Meinhard durch Papst Zölestin III. (1191-1198) zuteil. Die Situation der Missionsdiözese Meinhards wurde dem Papst anscheinend von dem Missionar Theoderich beschrieben, von dem der Chronist Heinrich spricht. Nach dem Konsistorium unter der Teilnahme von 25 Kardinälen, darunter Kardinal Lotario, der künftige Papst Innozenz III., wurde am 27.04.1193 ein Brief ausgearbeitet. Darin wird das missionarische Leben Meinhards vom Papst in wohl gewählten Worten gelobt und er wird ermuntert, die Mission nicht zu verlassen, sondern auszuharren, weil davon das Heil so vieler erlöster Seelen abhänge. Dazu gewährte ihm der Papst weitreichende Vollmachten: Meinhard konnte neue Priestermissionare aufnehmen, selbst wenn deren Ordensobere oder Bischöfe dagegen waren. Es war dies eine echte päpstliche Vollmacht, durch welche Papst Zölestin III. Bischof Meinhard seine überaus große Wertschätzung bekundete.

Die Feindseligkeiten der Heiden wurden vor allem durch die christlichen Moralgebote in Bezug auf die familiären Beziehungen ausgelöst. Zudem waren die Liven „eifersüchtig“ auf ihre Götter. Die wachsende Zahl der Missionare, die von den ausländischen Kaufleuten gestützt wurden, gefiel ihnen nicht. Sie vermuteten und befürchteten eine Art Invasion. Von da kam der Vorschlag, alle Missionare zu vertreiben. Als die Feindseligkeit zunahm, beschloss Meinhard, mit allen Missionaren nach Gotland (Deutschland) zurückzukehren. Doch wurde ihm von den treuesten Christen davon abgeraten, weil sie befürchteten, dass er auf der Reise ermordet würde. Also blieb er und schickte, unter Anwendung einer List, seinen engen Mitarbeiter Theoderich nach Rom. Dieser, bekleidet mit einer Stola und in der Hand einen Behälter mit Weihwasser, gab vor, einen Kranken besuchen zu wollen. Auf diese Weise kam er aus dem Land und gelangte mit dem genannten Bericht nach Rom, auf den Anfang 1193 die Antwort des Papstes folgte.

Auch wenn die Quellen nicht ausdrücklich davon sprechen, entnimmt man den wenigen Worten der Chronik, dass Meinhard, der mit seinen Priestern in Üxküll blieb, seine Mission mehr als zwei Jahre hindurch frei ausüben konnte. Davon zeugt die Beschreibung seines Todes: „Als er krank darniederlag und sah, dass er sterben werde, rief er die Ältesten (Häupter) aus der Umgebung seiner Mission und aus der Region Turaida (Zentrum der missionarischen Tätigkeit von Theoderich) zusammen und fragte sie, ob sie nach seinem Tod ohne einen Bischof bleiben möchten. Ihre Antwort war einstimmig: sie wünschten sich einen neuen Bischof und Vater.“ Getröstet durch diese Haltung „beschloss der Bischof kurz darauf seinen letzten Tag“ – möglicherweise am 14. August 1196. Er wurde in der Kirche von Üxküll beerdigt und um 1226 in den Dom von Riga nach Litauen überführt.

Am 8. September 1993 wurde der Kult von Meinhard in Riga, Litauen, durch Papst Johannes Paul II. bestätigt und der Bischof offiziell heiliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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