MAURITIUS TORNAY
(1910-1949)
PROFESSPRIESTER UND MÄRTYRER
DES ORDENS DER REGULARKANONIKER
VOM GROSSEN
ST. BERNHARD
Selig: 16. Mai 1993
Fest: 11. August
MAURITIUS TORNAY wurde am 31. August 1910 als siebtes von acht Kindern des Jean-Joseph Tornay und der Faustine Rossier in La Rosière (Wallis, Schweiz) geboren und am 13. September auf den Namen Mauritius getauft. Die Eltern waren arbeitsame Bauersleute in sehr bescheidenen Verhältnissen, hatten aber einen soliden Glauben. Mauritius, ein impulsiver und dominanter Charakter, wuchs im Kreis der Familie heran, wo er schon bald wie seine Geschwister den Eltern bei der Feldarbeit half. Besonders gern trieb er das Vieh zum Hüten auf die in 1700 m Höhe gelegenen Almen.
Mit sieben Jahren empfing er die Erstkommunion, was sich sehr auf sein Verhalten auswirkte. Ab diesem Zeitpunkt kam es in seinem Charakter zu einer positiven Wende. Jede Woche unternahm er einen einstündigen Fußmarsch nach Orsière, um in der dortigen Pfarrkirche zu beichten und der hl. Messe beizuwohnen. Nach dem Besuch der Volksschule in seinem Heimatdorf ging Mauritius auf das Gymnasium im Kolleg der Abtei St. Mauritius, das von den Augustiner Chorherren geleitet wurde. Eifrig widmete er sich dem Studium und zeigte dabei ein besonderes Interesse für französische Literatur. Vor allem Molière und die Autoren seiner Zeit hatten es ihm angetan. Als Klassensprecher organisierte er einen Prüfungsstreik, um gegen die abstruse Ausdrucksweise eines frisch von der Universität gekommenen jungen Dozenten zu protestieren. Dass er täglich die Messe besuchte und am Rosenkranz teilnahm, was ihm während der Woche freigestellt war, zeugte von religiöser Verantwortung. Abgesehen von seinem Lerneifer war er für seine Gefährten auch ein Vorbild an Frömmigkeit und mustergültigem Verhalten. In den Ferien fuhr er nach Hause, half seinen Eltern und erholte sich in den Bergen. In dieser Zeit unternahm er auch eine Wallfahrt nach Lourdes und verfasste ein Gebet zur hl. Theresia vom Kinde Jesu, um die Gnade der Demut zu erlangen.
Am 12. Juli 1931 bat Tornay um Aufnahme in die Kongregation der Kanoniker vom hl. Bernhard: „Ich bin mir sicher, dass dies mein Platz ist.“ Er bekräftigte seinen Willen, alles zu tun, „um ein Priester des hl. Augustinus und ihm so ähnlich wie nur irgend möglich zu werden“. Am 25. August 1931 trat er in das Noviziat der Regularkanoniker vom Großen Sankt Bernhard am gleichnamigen Pass im Kanton Wallis in der Schweiz ein und widmete sich ein Jahr lang der spirituellen Formung sowie dem Studium der Ordensregel und der Kongregationsgeschichte.
Die Kanoniker-Kongregation vom Großen Sankt Bernhard verdankt ihre Entstehung im 11. Jahrhundert dem Archidiakon von Aosta, Bernhard von Menthone. Am Fuße des Südhanges des Col du Mont Joux in Aosta (heute „Großer Sankt Bernhard“) gelegen, erlebte er regelmäßig die Ankunft von durch den beschwerlichen Übergang stark geschwächten Passanten. Da es in von Menthones Verantwortung lag, Personen, die sich in Schwierigkeiten befanden, Aufnahme zu gewähren und sich um die Armen zu kümmern, beschloss er, für die Sicherheit am Pass zu sorgen und begann daher in 2.500 m Höhe mit dem Bau eines Hospizes, das Herberge und Gebetshaus zugleich sein sollte. Zu ihm gesellten sich einige Gefährten und so bildete sich eine Gemeinschaft, die schon bald die Regel des hl. Augustinus annahm. Sowohl Priester als auch Laien stellten die Hilfe in den Bergen sicher und übernahmen das Predigen in den umliegenden Tälern. Zur damaligen Zeit zählte die Kongregation vom Großen Sankt Bernhard zwischen 50 und 100 Mitgliedern. Ihre Aufgabe innerhalb der Kirche ist heute im Wesentlichen dieselbe wie in den Anfangszeiten: Herbergsvermittlung, Pfarrdienst, Erziehung und Missionswerke in fernen Ländern. Begonnen wurde damit in den Dreißigerjahren in Tibet und findet heute seine Fortsetzung auf der Insel Taiwan.
Nach dem Noviziat legte Tornay am 8. September 1932 die zeitlichen und drei Jahre später die ewigen Gelübde ab. In der Zwischenzeit belegte er Kurse in Philosophie und begann 1934 mit dem Studium der Theologie. Im Februar 1936, noch vor Abschluss seines Theologiestudiums, ersuchte er um die Erlaubnis, in die Mission abreisen zu dürfen, was ihm gewährt wurde. Als seine Oberen bekanntgaben, dass er zu jener Gruppe gehören werde, die zur Verstärkung der ersten Kanoniker vom Großen St. Bernhard nach China entsandt werden sollte, sagte er im Vertrauen zu seinem Bruder Ludwig: „Wenn aus mir etwas werden soll, muss ich von hier weg. Wenn ich bleibe (…), werde ich von allen Seiten bemuttert, und das wäre nicht gut. Ich muss gehen, denn fernab der Familie ist es leichter, für seine Heiligung zu arbeiten.“ Und unter Anspielung auf das immense Arbeitspensum, das ihn in China erwartete, fügte er hinzu: „Ich will mich vor Liebe zum Herrn verzehren. Mein lieber Ludwig, ich werde nicht mehr zurückkommen.“
Am 24. Februar 1936 brach er von Marseille aus nach China auf. Die Reise bis Hanoi dauerte einen Monat. Auf der Fahrt über den Kontinent gab es jede Menge unvorhergesehener Schwierigkeiten. In Weisi (Yünnan, China) blieben die Türen der Kanoniker verschlossen. Diese hatten ihren Standort auf staatliche Anordnung hin verlassen, um einem Massaker durch Straßenräuber zu entgehen. Einige Wochen später kehrten sie zurück und freuten sich über die Ankunft ihrer Mitbrüder aus der Schweiz. Mauritius nahm sein Theologiestudium wieder auf und widmete sich mit Erfolg dem Erlernen der chinesischen Sprache. Nach Beendigung des Theologiestudiums wurde er am 24. April 1938 in Hanoi zum Priester geweiht. Nach der Primizfeier in Siao-Weisi am 3. Juli desselben Jahres betraute man ihn mit der Ausbildung der Zöglinge des kleinen Seminars in Houa-Lo-Pa, das er sieben Jahre lang mit bewundernswerter Hingabe leitete. Der große Feind, den es zu bekämpfen galt, war nach seinen eigenen Worten „die Faulheit der Studenten und meine eigene“. Seine Aufgabe wird wie folgt beschrieben: „Der Leiter hatte seine Schüler zu Redlichkeit, Nächstenliebe, gegenseitiger Hilfsbereitschaft, Arbeitsfreude usw. zu erziehen. Dem Beispiel Jesu folgend, begann er ihnen dies vorzuleben; Theorie und Aufforderungen würden später folgen. Er stand früh auf, betete, wie es sich gehörte, das Brevier, erging sich in der Betrachtung und feierte die hl. Messe, um dann den ganzen Tag über für seine Studenten da zu sein. Er kümmerte sich um sie mit dem Zartgefühl einer Mutter, besonders wenn sie krank waren. Manchmal gab er ihnen seine Kleider und überließ ihnen sein Bett, was seinen Oberen, falls er davon erfuhr, zur vollen Rückerstattung verpflichtete.“
Es herrschte sehr strenge Disziplin, vor allem während der Kriegsjahre und bei Hungersnöten: ein Teller Gemüsesuppe, etwas Reis, falls vorhanden, ansonsten Mais oder Bohnen und auch davon nicht zuviel, selten Fleisch. Da Tornay einen empfindlichen Magen hatte, bereitete ihm der Koch manchmal Spezialgerichte zu, die er aber nicht anrührte, sondern an seine Schüler verteilte. „Wie könnte ich das vor meinen Studenten essen“, meinte er, „während sie es mit den Augen verschlingen?!“
Nachdem Tornay zu Ostern 1945 zum Pfarrer der einzigen Missionsstation in Tibet, Yerkalo, ernannt worden war, trat er im Juni des Jahres seinen Dienst an, wenngleich dort eine mehr oder minder offene Christenverfolgung stattfand. Beim Abschied von seinen Schülern bat er sie um ihr Gebet, denn – so seine Worte – „in Yerkalo werde ich wohl mein Leben lassen“. Tatsächlich waren sowohl die staatlichen als auch die kirchlichen Behörden in der Hand von einigen lokalen Lamagruppen. Der mit der Verwaltung des Distrikts betraute Lama machte dem Missionar schon bald klar, dass er von dem Augenblick an, da die Lamas von den Christen in Tibet nichts mehr wissen wollten, unerwünscht war. P. Tornay entgegnete, dass er nicht fortgehen könne, weil ihm sein Bischof aufgetragen habe, hierzubleiben. Daraufhin begannen die Lamas mit allen möglichen Einschüchterungsversuchen und setzten Tornay und seine Anhänger allen nur erdenklichen Schikanen aus, um ihn zum Verlassen des Landes zu zwingen. Am 25. Januar 1946 stürmten sie die Mission, plünderten Haus und Kirche und richteten ihre Gewehre auf den resoluten Geistlichen. Einige angesehene Dorfbewohner überredeten die Lamas, nicht einen Fehler zu begehen, den sie später bereuen würden. Dann ersuchten sie Tornay zu gehen, aus Angst, der Zorn der Lamas könnte sich gegen sie richten. Am Tag darauf wich Tornay der Gewalt und ging ins Exil. Er zog sich nach Pamé zurück, das einen Tagesmarsch von seiner Pfarre entfernt war, und ermutigte die Christen, sich der Verfolgung zu widersetzen. Zudem wandte er sich an den Apostolischen Nuntius und an die bei der chinesischen Regierung akkreditierten Autoritäten. Als er erkannte, dass er auf diplomatischem Weg nichts erreichen würde, reiste Tornay auf Anraten des Nuntius nach Lhasa, in der Hoffnung, den Dalai Lama persönlich zu einem Toleranzedikt zu bewegen. Als die für die Vertreibung Tornays verantwortlichen Lamas von dessen Reise nach Lhasa erfuhren, beschlossen sie, ihn zu eliminieren. Sie schickten bewaffnete Männer mit auf den Weg, die Tornay am 11. August 1949 auf dem Choula-Pass in ca. 4000 m Höhe auf chinesischem Terrain in einen Hinterhalt führten und dort zusammen mit seinem Diener erschossen. Nach ihrer Rückkehr kassierten sie dafür von ihren Auftraggebern, wie versprochen, 1000 Piaster.
Nachdem die sterblichen Überreste Tornays zunächst nach Atuntze gebracht und dort im Garten der Mission bestattet worden waren, wurden sie 1987 nach Yerkalo überführt und auf dem Friedhof der Mission beigesetzt, wo sie heute noch ruhen.
Am 16. Mai 1993 wurde Mauritius Tornay von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.
Resch, Andreas: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]
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