Andreas Resch: Martha Le Bouteiller, Aimée-Adele


MARTHA
LE BOUTEILLER
(Aimée-Adele)
(1816-1883)

PROFESS-SCHWESTER
DES INSTITUTS DER SCHWESTERN DER
CHRISTL.
SCHULEN DER BARMHERZIGKEIT

Selig: 4. November 1990
Fest: 18. März

MARTHA LE BOUTEILLER wurde am 2. Dezember 1816 als drittes Kind der Kleinbauern und Leinenweber André Le Bouteiller und Marie-Françoise Morel in der Ortschaft La Henriére, unweit von Percy, dem Hauptort des Kantons La Manche in der Diözese Coutances, Frankreich, geboren und noch am selben Tag auf den Namen Aimée-Adéle getauft.

Sie besuchte die Gemeindeschule von Percy und hatte das Glück, die Karmelitin Marie-Françoise Farcy als Erzieherin zu haben, die auf die Ausbildung der Pfarrjugend außergewöhnlichen Einfluss hatte und bei der religiösen Berufung von Aimée-Adéle offensichtlich eine entscheidende Rolle spielte.

Am 1. September 1827 starb der Vater des Mädchens im Alter von 39 Jahren. Damit wurde die Familie auf eine harte Probe gestellt, zumal ein ständiger Wechsel der politischen Regimes und eine schwere Wirtschaftskrise Frankreich über Jahre hinweg in der Zange hielten. Die Mutter zog die vier Kinder damals alleine groß. Trotz gewissenhafter Führung des Betriebes hatte sie Probleme bei der Bilanzierung, wurde dabei aber glücklicherweise von ihren Kindern unterstützt. Jean-Pierre kümmerte sich um die Landwirtschaft, während Marie-Angelique mit Hilfe von Aimée, die gerade zehn Jahre alt war und noch zur Schule ging, das Vieh versorgte und die Hausarbeit erledigte. Aimée ging überall zur Hand und erwies sich schon damals als diejenige, von der man später sagen sollte, dass sie „die kleinen Dinge in einer besonderen Weise tat“.

Neben der Erziehung im Schoß der Familie erhielt Aimée auch in der Schule eine gediegene kulturelle und religiöse Ausbildung. Percy genoss zu der Zeit das besondere Privileg einer Mädchenschule, die von der Karmelitin Marie-Françoise Farcy aus Avranches geleitet wurde. „Sr. Farcy“, wie sie genannt wurde, führte die Schule insgesamt 48 Jahre. Es ist bezeugt, dass ihre Arbeit als christliche Erzieherin auf die Familien in der Pfarre ungeheuren Einfluss hatte. „Eine Schülerin von Sr. Farcy gewesen zu sein galt in aller Augen als eine Empfehlung.“ Aimée kam so in den Genuss der bestmöglichen Erziehung in ihrem Umfeld.
Sie empfing zu der Zeit auch die erste hl. Kommunion und die Firmung. Dann verwischten sich ihre Spuren bis zum 25. Lebensjahr. Es ist lediglich bekannt, dass die beiden älteren Brüder 1837 heirateten und Aimée zunächst ihrer Mutter half und sich dann als Hausmädchen verdingte, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Man weiß auch, dass sie jedes Jahr gemeinsam mit Sr. Farcy und der Pfarre eine Wallfahrt in das etwa 15 km entfernte Chapelle-sur-Vire unternahm. Dort kam sie mit der 1804 von der hl. Maria Magdalena Postel (1756-1846) zur Ausbildung der Jugend gegründeten Kongregation der Schwestern der christlichen Schulen der Barmherzigkeit in Kontakt.

Vom Wunsch getragen, sich ganz Gott und dem Nächsten zu weihen, trat Aimée-Adéle am 19. März 1841 in die Abtei von Saint Sauveur-le-Vicomte ein, wo sie von der Gründerin persönlich in Empfang genommen wurde, die trotz ihrer 84 Jahre vor Vitalität sprühte und bemerkenswerte Gaben besaß. Aimée wurde daraufhin der Novizenmeisterin anvertraut, der Seligen Mutter Placida Vie (1815-1877), die der Gründerin einige Jahre später nachfolgen sollte und zur Entfaltung des Werkes von Mutter Maria Magdalena Postel auf wunderbare Weise beitrug.

Die aus etwa 50 Schwestern bestehende Gemeinschaft kümmerte sich neben der täglichen Arbeit auch um den Wiederaufbau der Abteikirche und der angrenzenden Gebäude, die sie bei ihrer Ankunft in einem verwahrlosten Zustand vorgefunden hatten. Die Härten des Lebens, die sich aufgrund der jahrelangen Not noch verstärkt hatten, konnten Aimée nicht abschrecken.

Am 14. September 1842 erhielt Aimée-Adéle das Ordenskleid und nahm den Namen Sr. Martha an. Im Verlauf des folgenden Winters, als sie noch Novizin war, schickte sie die Gründerin nach La Chapelle-sur-Vire, um die dortige Gemeinschaft in der täglichen Arbeit zu unterstützen. Als Sr. Martha eines Tages im eisigen Wasser des Marquerand die Wäsche wusch, entwischte ihr ein Leintuch und wurde vom Fluss fortgetragen. In der Anstrengung, dieses doch noch zu erhaschen, rutschte sie aus und stürzte in die kalten Fluten, was ihr anfänglich eine Lähmung an den Beinen einbrachte, weshalb man sie in die Abtei zurückschickte. Im Gespräch mit Mutter Magdalena, sagte ihr diese, das sie sie nicht wieder nach Hause schicken würde; dann legte sie ihre Hände auf Marthas Knie und versprach, für ihre Gesundheit zu beten. Bald darauf wurde Martha gesund, und sie schrieb die Heilung Mutter Magdalena zu.

Die Genesung erfolgte so rasch und vollständig, dass Martha am 7. September 1843 ihre erste Profess ablegen konnte. Sie wurde daraufhin im Mutterhaus der Abtei von Saint-Sauveur-le-Vicomte mit Arbeiten in der Küche, auf dem Feld und schließlich im Weinkeller betraut – eine Aufgabe, um die sie sich nahezu vierzig Jahre lang, bis zu ihrem Tod, kümmerte. Sie erfüllte diese im Geiste des Gehorsams, so dass man sagen konnte, dass sie die kleinen Dinge in ihrem Leben auf wahrhaft große Weise getan hat.

Vierzig Jahre also stellte sie ihr Leben in den Dienst des Herrn und der Mitschwestern und verrichtete die einfachsten Tätigkeiten in Bescheidenheit und Frohsinn. Stets in Gebet und Meditation versunken und unter der Lektüre großer geistlicher Autoren, vor allem der „Französischen Schule der Spiritualität“, ging sie den Weg der Heiligkeit. Sie wurde von ihren Zeitgenossen auch als Heilige anerkannt, nicht zuletzt deshalb, weil sie mit außergewöhnlichen Gaben gesegnet war.

Vierzig Jahre lang kümmerte sie sich, neben den zeitweiligen Gästen, um die Hausangestellten und sonstigen Bediensteten, die tageweise zur Arbeit kamen. Sie beaufsichtigte sie bei ihrer Arbeit im Keller und im Refektorium sowie bei der Verteilung des „Cidre“ (französischer Apfelwein aus der Normandie) – ca. 100 Krüge täglich an 250 Personen und während des Krieges an 500 Personen. Darüber hinaus wurde sie mit der Aufsicht der zum Mutterhaus gehörenden Felder beauftragt.

Als in der Abtei während des deutsch-französischen Krieges die Angst umging, es könnten sich die Reserven erschöpfen, brachte Sr. Martha auf den Fässern mit dem „Cidre“ ein Bild von Mutter Maria Magdalena an und erflehte deren Beistand. Von dem Augenblick an herrschte nie mehr ein Mangel an Vorräten von Mehl, Brot, Milch, Fleisch und „Cidre“.

Im Winter 1875/76 brach sich Sr. Martha bei einem Sturz ein Bein. Sie ertrug ihre Situation in Gelassenheit und es gelang ihr, sich von diesem Unfall so weit zu erholen, dass sie die Arbeit wieder aufnehmen konnte. Im Januar 1877 starb ihre Mutter und am 4. März auch Mutter Placida im Alter von 62 Jahren, die Martha sehr schätzte und verehrte und deren Vertraute sie oft genug gewesen war.
Nach dieser doppelten Unbill bemühte sich Sr. Martha immer wieder um Dispens, was jedoch abgelehnt wurde. Von einem Zeugen stammt folgende Aussage: „Immer auf einen Stock gestützt, der ihr als Halt diente, ging sie die Stiegen hinauf und hinunter.“

Als Sr. Martha am 18. März 1883, Palmsonntag, nach dem Abendessen die Flaschen holte, kam sie zu Sturz. Man half ihr beim Aufstehen und sie ging daraufhin wieder in die Speisekammer. Wenig später, bereits zur Nachtzeit, verließ sie diese, stürzte aufgrund eines Gehirnschlags aber ein zweites Mal und konnte nicht mehr aufstehen. Eine zufällig vorbeikommende Schwester fand sie sterbend an. Nachdem man Sr. Martha in ein kleines Zimmer des Mutterhauses getragen hatte, erhielt sie die Krankensakramente und schloss daraufhin gottergeben ihre Augen. Sie stand im 67. Lebensjahr.
Nach ihrer Bestattung am 20. März 1883 auf dem Gemeindefriedhof fand 1933 die Exhumierung und Identifizierung der sterblichen Überreste statt, die anschließend in einem neuen Grab auf demselben Friedhof beigesetzt wurden. Heute befindet sich ihr Grab in der Abtei M. Madeleine, St. Sauveur-le-Vicomte (Manche), Frankreich.

Nach dem Tod von Martha Le Bouteiller verbreitete sich der Ruf der Heiligkeit, in dem sie zeitlebens gestanden war, noch weiter. Der Prozess zur Seligsprechung wurde 1933 eingeleitet.

Die Seligsprechung selbst erfolgte am 4. November 1990 durch Papst Johannes Paul II.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1986 – 1990. Innsbruck: Resch, 2005 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 2). XIII, 298 S., 69 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-076-X, Ln, EUR 25.70 [D], 26.52 [A]

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