Andreas Resch: Markus Antonius Durando

MARKUS ANTONIUS DURANDO
(1801-1880)

PROFESSPRIESTER
DER KONGREGATION DER MISSION (LAZARISTEN)

GRÜNDER
DER SCHWESTERN VOM LEIDEN JESU
DES NAZARENERS

(SCHWESTERN VON NAZARETH)

Selig: 20. Oktober 2002
Fest: 10. Dezember

MARKUS ANTONIUS DURANDO wurde am 22. Mai 1801 in Mondovì als sechstes von zehn Kindern der angesehenen Familie Durando geboren, deren Haus neben dem Dom und der Missionskirche mit Blick auf den Hauptplatz lag. Bei der Taufe am gleichen Tag erhielt er die Namen Markus Antonius Johannes Maximilian. Im Gegensatz zur Mutter, Angela Vinai, einer sehr frommen Frau, welche die Herzen der Kinder für das Religiöse und den Glauben bereitete, hatte Vater Durando liberale Vorstellungen und neigte zum Laizismus und Agnostizismus. Vor allem zwei seiner Sprösslinge übernahmen seine Überzeugungen und ließen sich in die Ereignisse des Risorgimento verwickeln.
Markus Antonius geriet mehr nach seiner Mutter. Am 22. Mai 1809 erhielt er das Sakrament der Firmung und verspürte schon bald die Berufung zum Priestertum, beseelt von dem Bestreben, das Evangelium in ferne Länder zu tragen. Im Alter von 15 Jahren bekundete er seinen Wunsch, als Missionar nach China zu gehen. Am 18. November 1818 trat er in die sich damals in Italien neu konstituierende Kongregation der Mission ein. Nach Beendigung des Noviziats 1819 wurde er zum Theologiestudium in das Kolleg der Mission von Sarzana geschickt, wo er am 19. November 1820 die Gelübde ablegte. In den Ausbildungsjahren lernte er die spirituelle Erfahrung des Gründers der Kongregation, des hl. Vinzenz von Paul, kennen, die er voll und ganz teilte. In dieser Zeit, 1822, starb die Mutter, die seinen Weg zum Priestertum massiv unterstützt hatte.

Nach der Priesterweihe am 12. Juni 1824 wurde Durando seiner angeschlagenen Gesundheit wegen nicht in die Auslandsmission geschickt, wie er es sich als Jugendlicher erhofft hatte, sondern der Volksmission zugewiesen. Dabei zeigte Pater Durando eine besondere Fähigkeit, sich mitzuteilen und zu überzeugen. Die Extreme von Laxismus und jansenistischem Rigorismus meidend, predigte er Gottes Barmherzigkeit. „Die Menschen“ – so berichtet ein Chronist – „drängten sich zusammen, um ihn zu hören, und waren so still und konzentriert, als ob sie eins wären“. Bei diesen Missionen beschränkte sich Durando nicht auf das Predigen, sondern setzte dort, wo er gravierende Armutssituationen vorfand, in Übereinstimmung mit seinen Mitbrüdern konkrete Zeichen. In Locana z. B. „ließ er das gesamte Vermächtnis der Mission, bestehend aus 700 Lire, in Maismehl für die Armen im Dorf aufwiegen“, womit er einer Lehre des hl. Vinzenz Rechnung trug, nämlich sich physisch und geistig zugunsten der Notleidenden einzusetzen. Zudem lag ihm die Förderung des Werkes der Glaubensverbreitung, das 1822 in Lyon errichtet wurde, am Herzen, weshalb er als „Erster nationaler Vertreter des Werkes der Glaubensverbreitung in Piemont und in Italien“ bestätigt wurde.

Nach fünfjährigem Aufenthalt in Casale Monferrato wurde P. Durando 1829 in das Haus von Turin geschickt, das zu einem Bezugspunkt für Kleriker und Priester geworden war, wo wöchentliche Zusammenkünfte und geistliche Exerzitien abgehalten wurden. Durando setzte seine Arbeit als Volksmissionar fort, wobei er nach Möglichkeit am Apostolat des Hauses von Turin mitarbeitete, dessen Oberer er am 18. Juni 1831 wurde. Seine Gegenwart belebte die Initiativen des Hauses neu. Allen fielen seine Weisheit, die tiefe Frömmigkeit und die Ausgewogenheit seiner Beurteilungen ins Auge und so wurde er zum Beichtvater und Berater zahlreicher Priester und Laien. Selbst der Erzbischof von Turin und höchste staatliche Autoritäten wandten sich an ihn.

Neben seiner Arbeit als Ausbildner und Prediger vergaß P. Durando auch die Armen nicht. Nachdem er Oberer geworden war, hielt er es intuitiv für zweckmäßig, in Norditalien die Töchter der Nächstenliebe (Barmherzige Schwestern) einzuführen, die aus dem karitativen Charisma des hl. Vinzenz und der Louise von Marillac hervorgegangen waren. Sie waren durch die Französische Revolution verstreut worden und hatten inzwischen angefangen, sich zu reorganisieren. Durando wollte sie im Piemont haben, wo sie König Karl Albert 1833 willkommen hieß. Die Schwestern begannen zusehends die Verantwortung in verschiedenen Spitälern zu übernehmen, sowohl in den Militärkrankenhäusern von Turin und Genua als auch in den staatlichen Spitälern von Carignano, Castellamonte und Turin. In der kurzen Zeitspanne von zehn Jahren wurden 20 Gründungen ins Leben gerufen, denen sich 260 Schwestern anschlossen. Die Zahl der Berufungen war so überwältigend, dass Karl Albert ihnen 1837 den Konvent San Salvario in Turin zur Verfügung stellte. Aufgrund der wachsenden Zahl von Schwestern versah Pater Durando Turin mit einem Netzwerk an pfarrlichen Pflege- und Hilfseinrichtungen für die Gestrandeten der Stadt, die misericordie („Häuser der Barmherzigkeit“) genannt wurden, von wo die Schwestern gemeinsam mit den Wohltätigkeitsdamen zum Hausdienst und zur Unterstützung der Armen auszogen, begleitet von Laienhelferinnen, Frauen und Mädchen. Im Haus der Töchter der Nächstenliebe und in den Pfarreien unterstützte er die Gemeinschaften der Töchter Mariens, die auf die Visionen der hl. Katharina Labouré hin entstanden waren. Im Umkreis der „Häuser der Barmherzigkeit“ bildeten sich verschiedene Werke, wie die ersten Heime für arme Kinder, Werkstätten für Mädchen und Waisenhäuser. Was die pflegerische Arbeit unter den Armen und Kranken sowie die Errichtung diverser Erziehungseinrichtungen betrifft, gelten die Töchter der Nächstenliebe heute noch als wertvolle Mitarbeiterinnen bei der Entfaltung des Sozialkatholizismus in Italien.

1837 wurde P. Durando mit kaum 37 Jahren zum Visitator (bzw. höheren Oberen) der norditalienischen Provinz der Vinzenz-Missionare ernannt: ein Amt, das er 43 Jahre ohne Unterbrechung, bis zu seinem Tod, innehatte. Folglich musste er die Teilnahme an den Missionen einschränken, ohne jedoch den Wunsch nach missionarischer Arbeit ad acta zu legen. Er unterstützte die Abreise der Mitbrüder, die darum ersuchten, in die Auslandsmission (Syrien, Abessinien, Nordamerika, Brasilien, China) gehen zu dürfen, und ermöglichte die Errichtung eines Kollegs zur Vorbereitung von Klerikern, die sich als Auslandsmissionare betätigen wollten, und der Priester, die aus den Missionen kamen, um ihr Studium zu vervollständigen. 1855 brachte er den Mut auf, sechs Missionare und 70 Töchter der Nächstenliebe in das Hinterland des Krimkrieges zu schicken, um dort die kranken oder verwundeten Soldaten aus dem Piemont zu betreuen. Ebenso verfuhr er im Krieg von 1859.

Neben diesem Einsatz für die Missionen hielt P. Durando geistliche Exerzitien für die Priester und die Kleriker der Diözese Turin. Seine geistliche Führungsqualität zog auch die Aufmerksamkeit von Neugründungen auf sich, die sich in Turin anzusiedeln begannen. So vertraute ihm der Erzbischof die Führung der Schwestern des hl. Josef an, die soeben in Italien eingetroffen waren. Darüber hinaus beteiligte sich P. Durando an der Abfassung der Regeln für die Schwestern der hl. Anna. Er wurde Spiritual der Kapuzinerklarissen des neuen Klosters der hl. Klara, und die Gräfin von Barolo, die ein Institut zur Resozialisierung gestrandeter Mädchen, die Bußschwestern der hl. Magdalena, ins Leben gerufen hatte, wollte ihn als Berater für die Abfassung der Regeln und als Leiter des Werkes.

Wie es bei göttlichen Werken der Fall ist, konnte P. Durando, ohne dies angestrebt zu haben, am 21. November 1865, dem Fest der Darstellung Mariens, der Dienerin Gottes Aloisia Borgiotti die ersten Postulantinnen der neuen Gemeinschaft vom Leiden Jesu des Nazareners anvertrauen. Es handelte sich dabei um junge Frauen, die sich an ihn gewandt hatten, weil sie sich Gott weihen wollten, ihnen aber die kanonischen Erfordernisse fehlten, um in Ordensgemeinschaften einzutreten. Er beauftragte sie, den Leidenden als schmerzenden Gliedern des gekreuzigten Christus durch häusliche Pflege Tag und Nacht zu dienen und auch Heime für uneheliche Kinder zu leiten. Das Werk war innovativ und originell, so dass ein Kanoniker der Kathedrale ausrief: „Wenn Pater Durando zu mir zum Beichten käme, würde ich mich nicht in der Lage sehen, ihn loszusprechen.“ Doch dank der Nächstenliebe dieser Schwestern, die es verstanden, mit Vornehmheit, Diskretion und Glaubensstärke an der Seite der Sterbenden zu weilen, weil sie in ihnen die Passion des Herrn betrachteten, kam es zu den verschiedensten Bekehrungen. Die Schwestern von Nazareth (Abb.) verstehen sich heute noch als das kostbarste Erbe von Pater Durando. Getreu dem missionarischen Ideal des Gründers, der sich nichts so sehr gewünscht hatte als in die Mission zu gehen, aufgrund seiner schwachen Gesundheit aber darauf verzichten musste, verließen 1867 acht Schwestern Italien, um die erste Mission in Madagaskar zu eröffnen, wo heute madagassische Schwestern Dienst an Leprakranken, Kindern, Armen und Kranken versehen, Katechesen abhalten und christliche Bildung in die Dörfer bringen.

Im Zentrum von Pater Durandos apostolischer Tätigkeit standen die Eucharistie, das Leiden des Herrn, die Verehrung der Jungfrau Maria sowie die Liebe zur Kirche und zum Papst in so schwierigen Zeiten wie dem Risorgimento. Seine Hoffnung, sein Gottvertrauen und seine Seelenstärke zeigten sich vor allem zur Zeit der Unterdrückung der religiösen Gemeinschaften 1866. Es war seine Gewohnheit, in solch schmerzlicher Bedrängnis gelassen der Vorsehung zu folgen, wobei er gleichsam den Weg und die Erfahrungen seines Lebens zusammenfasste: „Beten wir in der Tiefe unseres Herzens Gottes Pläne an, der so viel Wandel und Wechsel gestattet und von dem zur gegebenen Zeit seine Herrlichkeit ausgehen wird, wenngleich wir nicht vorhersehen können, wann dies geschieht.“

P. Markus Antonius Durando beendete sein arbeitsreiches Leben in Turin am 10. Dezember 1880 im Alter von 79 Jahren. Seine sterblichen Überreste sind im Heiligtum von der Passion begraben, das an die Kirche der Heimsuchung in der via XX settembre, 23, Turin, anschließt, wo die Gesellschaft der Schwestern von Nazareth die Verehrung des Leidens des Herrn pflegte, um sich als Missionarinnen dem Dienst an den Leidenden zu stellen.

Am 20. Oktober 2002 wurde Markus Antonius Durando von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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