Andreas Resch: Marie-Clementine Anuarite Nengapeta

MARIE-CLEMENTINE ANUARITE NENGAPETA
(1941-1964)

PROFESS-SCHWESTER
DER KONGREGATION DER SCHWESTERN
DER HEILIGEN FAMILIE

Selig: 15. August 1985
Fest: 1. Dezember

MARIE-CLEMENTINE ANUARITE NENGAPETA wurde 1941 in Metali, an der äußersten Peripherie von Wamba (Provinz im östlichen Kongo) als Angehörige der Sippe der Mikado geboren. Sie war die vierte Tochter des Pro­testanten Amisi Badjulu Batiboko und der noch ungetauften Katholikin Julia Isude Makyabebe.
Das genaue Geburtsdatum der Seligen ist nicht bekannt. Von ihren Eltern er­hielt sie den Namen Anuarite Nengapeta, bei der Taufe dann den Namen Alfon­sine, den sie schließlich bei der Profess gegen Sr. Marie-Clementine eintausch­te. Eines der sechs Kinder, ein Junge, starb in zartem Alter. Drei Töchter und die Mutter wurden 1943 getauft. Am 15. August 1948 empfing Anuarite die Erstkommunion.

Im gleichen Jahr wurde in Wamba die Grundschule der Mission eröffnet, wo ab 1949 auch die Schwestern der Hl. Familie („Jamäa Takatifu“) unterrichte­ten. Diese bis 1961 von den Schwestern vom Kinde Jesu von Nivelles geleitete Schule wurde denn auch gleich von Anuarite und ihrer Schwester Leontina be­sucht.

1950 geriet die Familie in eine schwierige Lage, weil sie vom Vater im Stich gelassen wurde, der sich einer anderen Frau zuwandte. Anuarite litt sehr da­runter, wenngleich sie dem Vater gegenüber weiterhin Respekt zollte. Die Mut­ter widmete sich nunmehr ganz der Erziehung ihrer Töchter.

1952 stellte sich Anuarite in Wamba Sr. Maria Damiana vor und äußerte den Wunsch, Schwester zu werden. Die Schwestern, denen ihr religiöser Eifer nicht verborgen geblieben war, standen ihrem Ansuchen positiv gegenüber. Also bat Alfonsine ihre Mutter um Erlaubnis, in das Kloster gehen zu dürfen, doch diese widersetzte sich.

Nach Abschluss ihrer Grundausbildung wechselte Alfonsine im Februar 1953 in die Schule von Bafwabaka und trat als Aspirantin in die Kongregation der Schwestern der Hl. Familie ein. Vom Februar 1954 bis Februar 1955 wur­de sie als Probandin zugelassen. 1956, am Ende des Studienzyklus, erhielt sie das Lehrerinnendiplom und begann daraufhin sofort mit dem Unterricht in der Grundschule, wobei sie sich ihrer Aufgabe mit viel Verantwortungsgefühl und großem Eifer widmete. Zwischenzeitlich hatte auch die Mutter dem Ansinnen ihrer Tochter zugestimmt, nachdem sie sich von deren göttlicher Berufung überzeugt hatte. So trat Anuarite am 5. August 1957 in das Noviziat ein, wo Sr. Maria Damiana Novizenmeisterin war, der sie 1952 als erster ihre Absicht, Schwester zu werden, bekundet hatte. 1958/59 absolvierte sie ihr zweites Novi­ziatsjahr und legte am 5. August 1959 auf ein Jahr die Gelübde ab, die sie am 5. August 1960 für ein weiteres Jahr erneuerte. Von 1960 bis 1961 studierte sie Pädagogik und erwarb das Diplom der „ücole d’Apprentissage P6dagogique“. 1962 erneuerte sie, in Vorbereitung auf die Ewige Profess, die Gelübde noch­mals für drei Jahre und unterrichtete 1962/63 in der 4. Klasse Grundschule.

Am 29. November 1964 fuhr ein Lastwagen der Simba vor dem Haus in Baf­wabaka vor, das zu einem Kultur- und Entwicklungszentrum für die gesamte Region geworden war, in dem Anuarite wohnte und lehrte. Die Aufständischen befahlen der gesamten Kommunität, den Wagen zu besteigen, um sie nach Wamba zu bringen. Es war um die Mittagszeit und viele Schwestern befanden sich gerade bei Tisch, während andere sich wiederum in verschiedenen Büros aufhielten, wie es nun einmal in einer Mission, die Schulen, Kollegien, Pensio­nate und eine Kirche betreut, üblich ist. Nachdem alle das Auto bestiegen hat­ten, wurden sie in das ca. 50 km entfernte Ibamhi gebracht, wo sie am Abend eintrafen. Auf der Fahrt dorthin zeichnete sich die Absicht der Simba zuneh­mend deutlicher ab: sie sangen schmutzige Lieder, stießen anrüchige Worte aus und zuweilen misshandelten sie die Schwestern. Am darauffolgenden Tag setz­ten sie die Fahrt fort. An der Kreuzung nach Wamba zweigten sie jedoch nach Isiro ab. Auf dem Weg begegneten sie einem Lastwagen mit Simba-Offizieren, welche die Schwestern absteigen hießen. Sie entrissen ihnen ihre religiösen In­signien und zwangen sie zur Übergabe aller heiligen Bilder und Gegenstände. Sie nahmen ihnen die Rosenkränze weg, warfen alles zu Boden, trampelten darauf herum und brüllten den Schwestern zu, sie müssten ihre Ordensgewän­der ablegen und normale Kleider anziehen, um so zu leben wie andere Frauen auch und Patrice Lumumba Kinder zu schenken.
Die junge, mutige Anuarite hütete sich davor, diesen ungebührlichen Anwei­sungen Folge zu leisten, und verbarg ihre kleine Marienstatue, die ein untrügli­ches Zeichen ihrer Identität war, so dass man später ihre sterblichen Überreste erkennen würde. Am Abend des 30. November kamen sie in Isiro an. Der Last­wagen hielt bei einem kleinen Haus an der Peripherie. Hier begannen die Beläs­tigungen durch drei Simba-Anführer. Sie stießen kriegsverherrlichende Paro­len aus, konsumierten indischen Hanf und andere Drogen, frönten dem Alko­hol und äußerten ihre Begierden. Mittels einer Ausrede dirigierten sie die Schwestern in Richtung „Blaues Haus“.

Es war dies das letzte Abendessen der Schwestern, die sich, auf dem Boden kauernd, um ein oder zwei Teller scharten. Anuarite aber hatte keine Lust zum Essen. Sie hielt sich etwas abseits. Sr. Xaveria ging zu ihr und ermunterte sie, doch etwas zu nehmen. Sie gab nach, war jedoch mit ihren Gedanken vollkom­men abwesend, murmelte etwas von Jungfräulichkeit und fügte hinzu: „Lieber sterbe ich!“ Sie sagte, dass man für sie beten solle, weil sie am nächsten Tag vielleicht nicht mehr am Leben sei. Die Simba wurden immer ausgelassener: sie brüllten, drohten, schlugen auf die Schwestern ein und terrorisierten sie durch Ansetzen der Gewehre. Anuarite spürte ganz deutlich, dass sie einer Katastro­phe entgegenging.

Anuarite und Sr. Jean-Baptiste, eine Afrikanerin der Kongregation von Nivel­les, mussten in den Hof hinausgehen und wurden aufgefordert, in das Auto zu steigen, doch lehnten beide ab. Sie wurden hineingestoßen, flüchteten auf der anderen Seite aber wieder ins Freie. Oberst Olombe wurde wütend und schlug die Schwestern. Sr. Jean-Baptiste fiel ohnmächtig zu Boden. Anuarite hielt stand und beugte sich nicht. Sr. Leontina Kasima, die dem Opfer zur Seite blieb, versuchte zu vermitteln, indem sie erklärte, dass das Mädchen Gott ge­weiht sei. „Sie gehört demselben Stamm wie Olombe an!“ warf sie mutig ein, wurde aber brutal zum Schweigen gebracht. „Jegliches Argumentieren war zwecklos“, berichtet sie. „Also bleiben wir beide hier, sagte ich und fasste Sr. Clementine fest an der Hand. Wir mussten warten, bis der höhere Offizier sei­ne Mahlzeit eingenommen hatte. Als er damit fertig war, näherte er sich Anua­rite und sagte ihr unverblümt, dass er sie zur Frau nehmen wolle. Da reagierte ich heftig: ,Das geht nicht! Diese Schwester hat Gott vollkommene Keuschheit gelobt!‘ Als auch Anuarite selbst energisch protestierte, wurde sie ausgelacht. Sie sagte darauf: ,Es ist unmöglich, ich kann diese Sünde nicht begehen! Tötet mich lieber!‘ Außer sich vor Zorn begann Olombe wie wild auf sie einzuschla­gen, wobei er sich vor allem des Gewehrkolbens bediente. Anuarite sank auf die Knie: ,Schlag‘ ruhig zu, das ist es, was ich will! Geh‘ bis zum Ende!“ Die Hiebe gingen weiter, sie fiel rücklings zu Boden, hatte aber noch die Kraft zu sagen: ,Ich vergebe euch, denn ihr wisst nicht, was ihr tut!‘ „

Olombe, der inzwischen noch wütender geworden war und sich terrorisiert fühlte, rief die Simba zu Hilfe, die überhaupt nicht damit einverstanden waren, dass man einer ihrer „Schwestern“ so viel Leid antat; sie konnten jedoch nicht den „Gehorsam“ verweigern. Zwei von ihnen postierten sich zur Seite des Opfers und stachen, indem sie Anuarite festhielten, mehrmals mit einem großen Messer auf sie ein. Olombe schrie: „Durchbohrt ihr das Herz!“ Anuarite stöhn­te noch einmal kurz auf: „Ich vergebe dir!“ Der Mörder befahl den Schwestern, die nicht mehr als zwanzig Meter entfernt waren, ihre Mitschwester in das Haus zu tragen. Sie schien noch am Leben, doch wurde bald klar, dass das Martyrium ein Ende hatte. Sie legten sie auf die Erde und stimmten das Magnificat an. Es war der 1. Dezember 1964.
Von jenem Augenblick an riss die Verehrung für Anuarite nicht mehr ab. Afrikaner, Europäer und sämtliche Beobachter hatten den Eindruck, dass das Martyrium aus dem Glauben heraus erfolgt war.

Bereits am 16. Juli 1965 fand die Identifizierung der sterblichen Überreste statt, die dann am 1. Dezember in die Kathedrale von Isiro im Kongo überführt und dort beigesetzt wurden.

Am 15. August 1985 wurde Marie-Clementine Anuarite Nengapeta von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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