Andreas Resch: Maria von der Menschwerdung Rosal


MARIA VON DER MENSCHWERDUNG ROSAL
(1820-1886)

PROFESS-NONNE
REFORMERIN DES INSTITUTS DER BETHLEHEMITINNEN

Selig: 4. Mai 1997
Fest: 24. August

MARIA VON DER MENSCHWERDUNG ROSAL wurde am 26. Oktober 1820 in Quezaltenango, Guatemala, geboren und am Tag darauf auf den Namen Vinzentia getauft. Ihre wohlhabenden Eltern, Manuel de la Encarnación Rosal und Leocadia Gertrudis Benítez, sorgten für eine christliche Erziehung. Da es in der Umgebung keine Schulen gab, erhielt sie ihre erste Ausbildung in der Familie. Einen besonderen Einfluss auf sie hatte in dieser Zeit ihre Lehrerin, die ihr Lesen und Schreiben beibrachte und sie mit den ersten Glaubenswahrheiten vertraut machte. Bis ins hohe Alter blieb Vinzentia ihre erste Begegnung mit Jesus bei der Erstkommunion in Erinnerung. Sie fühlte sich von Seiner immerwährenden Gegenwart im Tabernakel angezogen und ihr ganzes Leben war auf die Eucharistie ausgerichtet. Lediglich als Fünfzehnjährige neigte sie mehr der Eitelkeit als dem Glauben zu. So schreibt sie: „Nachdem ich fünfzehn geworden war und der Eitelkeit frönte, riet mir eine meiner Schwestern, die um mein Seelenheil bangte, doch meine Taufversprechungen zu vertiefen und erläuterte mir deren Inhalt, weshalb ich Gewissensbisse bekam… Ich nahm mir vor, mich zu bessern.“

Vinzentias Pfarrer und Beichtvater weckte ihr Interesse für das Ordensleben, und so trat sie, unter dem Eindruck des Geheimnisses der Geburt des Herrn in Bethlehem, am 1. Januar 1838 in Guatemala-Stadt in das Beaterio der Bethlehemitinnen ein, das seit 1668 unter der Leitung der Bethlehemiten, eines vom hl. Petrus von Betancur gegründeten Spitalsordens, stand. Schon bald aber merkte sie, dass das Schweigen und die Observanz, die sie sich wünschte, in dieser Umgebung der Zurückgezogenheit nicht an der Tagesordnung waren. In der Tat war von einer echten Observanz im Kloster damals nichts zu spüren, sodass die Kandidatin ernsthafte Zweifel an ihrer Berufung hegte und mit dem Gedanken spielte, zu den Schwestern von der hl. Katharina überzuwechseln, die sie vor ihrem Eintritt in Bethl besucht hatte. Auf Anraten ihres Beichtvaters entschied sie sich jedoch, zu bleiben und das Noviziat zu beginnen. Am 16. Juli 1838 nahm Vinzentia das Ordenskleid und den Namen Maria von der Menschwerdung. Nach Abschluss des Noviziats erhielt sie am 23. Januar 1840 das Sakrament der Firmung; am darauffolgenden 26. Januar legte sie die Gelübde der „Keuschheit, Armut, Klausur und Gastfreundschaft den Armen gegenüber“ ab.

Aber auch die Gelübde konnten ihre Zweifel nicht beheben. Sie stellte fest, dass es in der Kommunität trotz Gitter, Drehbrett und Schleier kein Schweigen, keine Ordnung und keine Sammlung gab. Und das Apostolat – anstatt dem spirituellen Wachstum der Gemeinschaft zu dienen – bewirkte nichts anderes, als den Geist der Schwestern zu zerstreuen, indem es sie von jedem religiösen Eifer und von der eigentlichen Disziplin abhielt. Deshalb trat Maria im Juli 1842 nach Konsultation der Beichtväter und Erhalt der erforderlichen Erlaubnis in den Konvent der Nonnen von der hl. Katharina ein, wo sie mit offenen Armen empfangen wurde. Sie genoss die dem Gebet, dem Enthusiasmus und der Observanz sowie allem, was sie begehrt hatte, zuträgliche Umgebung, doch begleitete sie die Erinnerung an Bethl, wo Gott sie doch erwählt hatte, dort ein Reformwerk umzusetzen. Und so sollte der Aufenthalt im Konvent der Nonnen von der hl. Katharina der Erkenntnis dienen, dass das Gute, das sie dort entdeckte, auch in der anderen Kommunität zu verwirklichen sei. Sie widersetzte sich daher den Plänen Gottes nicht, kehrte 1843 zu ihrem „Bethl“ zurück und wurde von den Nonnen freudig aufgenommen. „Von da an wünschte ich mir keinen anderen Konvent mehr“, schrieb sie später.

Reich an religiöser Erfahrung und mit Talenten gesegnet, wurden ihr verantwortungsvolle Ämter übertragen, die es ihr erlaubten, zur Neugestaltung der Observanz persönlich beizutragen. 1849 wurde sie zur Vikarin ernannt und erhielt die Leitung des Noviziats anvertraut. Für die zweifache Aufgabe – einerseits Missbräuche in der Kommunität zu tilgen und andererseits in die Herzen der Novizinnen das Wort des Lebens einzupflanzen – bediente sie sich weiser und umsichtiger Ordensleute, Dominikaner wie Jesuiten. Das ganze Leben hindurch öffnete sie sich dem Wirken des Hl. Geistes, der sich ihr in den Beichtvätern und Direktoren offenbarte. Am 15. Oktober 1855 wurde sie zur Priorin des „Beaterio“ gewählt, weil sie als ausgeglichene, standhafte und fröhliche Frau mit großem Einfluss auf die Jugend galt. Unverzüglich begann sie mit der Erneuerung des Ordens, die ihr schon seit Jahren vorschwebte. Einige Schwestern widersetzten sich dieser Reform und nahmen die von ihr ausgearbeiteten Konstitutionen nicht an. Nach dem Niedergang, verursacht durch die schwierige politische Lage und vor allem durch die Unterdrückung des männlichen Zweiges aufgrund der Dekrete der Cortes von Cádiz, musste Rosal sehr bald zur Kenntnis nehmen, dass das „Beaterio“ von Guatemala nicht gerade der geeignetste Ort für die Reform war.

Angesichts der Ablehnung der Konstitutionen seitens der älteren Schwestern beschloss sie, bezüglich Zeit und Ort eine günstigere Gelegenheit abzuwarten, und übersiedelte mit den – großteils jungen – Nonnen, die ihre Reformpläne unterstützten, nach La Antigua (Guatemala), der Wiege des Ordens. Doch Krankheit, Misserfolg, eine Reihe von Widrigkeiten und Problemen zwangen sie zur Rückkehr in das „Beaterio“, wo sie von den Nonnen herzlich aufgenommen wurde. Denn, wenngleich diese sich gegen eine Neuordnung stemmten, so erkannten sie doch die Tugenden der Mutter an.

Das Reformprojekt blieb jedoch weiterhin ein festes Ziel. Im Oktober 1861 übersiedelte Rosal nach Quezaltenango, wo sie nach Erhalt der notwendigen Erlaubnis durch die religiösen und staatlichen Behörden gemeinsam mit fünf anderen von ihr ausgebildeten Schwestern ein Noviziat eröffnete, dessen erste Professe ihre Nichte Maria Ignazia González war, die spätere Generaloberin und Gründerin der Häuser in Italien. In dem neuen Haus wurde Rosal zur treibenden Kraft einer Reform, die sich für das Institut als außerordentlich bedeutsam herausstellen sollte. Es war ein leidgeprüftes und kühnes Unterfangen, durch das Mutter Maria von der Menschwerdung das Charisma und die Spiritualität des Ordens rettete. Sie präsentierte ihren Töchtern das Mysterium von Bethlehem als „Altar der Leiden Christi und als Lehrstuhl seiner größten Tugenden“. Dieses Mysterium bildete stets das Ideal ihres spirituellen Lebens: Sühne der Schmerzen des Herzens Christi im Einklang mit der Tradition des Instituts der Bethlehemitinnen (Abb.), die „im Lichte der Menschwerdung, der Geburt und des Todes des Erlösers“ den 25. eines jeden Monats dem Sühnegebet widmen. Und es war gerade in ihrer Geburtsstadt Quezaltenango, wo sie die von ihr ersehnte Reform zu Ende bringen konnte. Dabei wurde auch ihre Liebe und dienende Einstellung der Kirche gegenüber sichtbar, denn um den Bedürfnissen der weiblichen Jugend von damals entgegenzukommen, opferte sie dasjenige, was sie bisher sosehr geschätzt und verteidigt hatte – nämlich die Klausur und das kontemplative Ordensleben – und eröffnete eine Schule für Mädchen.

In diesem sentire cum ecclesia (Fühlen mit der Kirche) versuchte sie ebenso hartnäckig die Approbation der Konstitutionen durch die zuständigen kirchlichen Behörden zu erlangen. Die lokalen Ordinarien hatten mit der Anerkennung der Konstitutionen kein Problem. Die endgültige Approbation durch den Heiligen Stuhl erfolgte jedoch erst 1909, 23 Jahre nach dem Tod Marias von der Menschwerdung.
Inzwischen widmete sich Rosal von 1861 an völlig der Konsolidierung und Ausbreitung des Instituts und wurde als Oberin dreimal wiedergewählt (1864, 1867 und 1870). Im Februar 1873 wurden die Schwestern aus sozialpolitischen Gründen vom Präsidenten aus Guatemala vertrieben. Das Exil führte Rosal nach Costa Rica, wo sie zwei bedeutende Gründungen ins Leben rufen konnte: Cartago 1877 und Heredia 1884.
1885 kam es auch im Innern von Costa Rica zu einem gravierenden Umsturz; Mutter Maria zog mit dem Rest der Kommunität nach Kolumbien und traf im Dezember desselben Jahres in Pasto ein. So erfüllte sich, was sie in Cartago vernommen hatte: „In Kolumbien wirst du meine Freude sehen.“ Hier gründete sie Kolleg und Noviziat in der Überzeugung, nach fünfmonatiger Reise zu Wasser und zu Land und einer Strähne von Entbehrungen, Umbrüchen, Erwartungen und Unverständnis endlich das „gelobte Land“ erreicht zu haben.

Schon bald wurde Mutter Maria von den staatlichen und kirchlichen Behörden eingeladen, eine Gründung in Ecuador vorzunehmen. Die Abreise wurde für den 10. August 1886 festgesetzt. Mutter Maria fasste diesen Entschluss, weil sie ihre Töchter begleiten und Ort und Umstände ihres neuen Wirkens kennenlernen wollte. Auf der Reise erlitt sie einen Unfall, der ihr zu schaffen machte, doch bestand sie darauf, das Heiligtum Las Lajas zu erreichen, um der Rosenkranzkönigin ihre Liebe und Verehrung zu bezeugen. Lange verweilte sie vor ihrem Bild im Gebet und erflehte von der Jungfrau die stets erbetene Gnade, dass ihr Tod ein Liebesbeweis an Gott sein möge. Unter Anstrengungen brachte man sie nach Tulcán (Ecuador), wo am 24. August 1886, der Vigil des Festes, das ihre Liebe zu Ehren der tiefsten Schmerzen des Herzens Jesu eingesetzt hatte, morgens um 5.30 Uhr “ ihre Seele den Körper verließ, um zu dem zu gehen, den sie liebte“. Sie wurde hinter dem Hauptaltar der Kirche von San Miguel (Tuclán) beeerdigt. Am 23. April 1896 wurde ihr noch unverwester Leichnam, um eine Profanierung seitens der Revolutionäre zu verhindern, in das Colegio del Sagrado Corazón de Jesús, calle 43 No. 17 A-34 La Colina, Pasto, Nariño, Kolumbien, überführt.

Am 4. Mai 1997 wurde Maria von der Menschwerdung Rosal von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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