Andreas Resch: Maria vom Gekreuzigten Jesus Baouardy, Mirjam

MARIA VOM
GEKREUZIGTEN JESUS
BAOUARDY
(MIRJAM)
(1846-1878)

PROFESS-NONNE
DES ORDENS DER UNBESCHUHTEN KARMELITINNEN

Selig: 13. November 1983
Heilig: 17. Mai 2015
Fest: 26. August

MARIA (MIRJAM) VOM GEKREUZIGTEN JESUS BAOUARDY wurde am 5. Januar 1846 als Tochter einer Arbeiterfamilie des katholischen grie­chisch-melchitischen Ritus in Abellin (Cheffa-Amar), zwischen Nazareth und Haifa, geboren. Nachdem ihre Eltern, Giries Baouardy und Mariam Chahyn, be­reits 12 Kinder in zartem Alter verloren hatten, unternahmen sie zu Fuß eine Wallfahrt zur 170 km entfernten Grotte von Bethlehem, um vom Jesuskind eine Tochter zu erbitten, der sie den Namen der Jungfrau geben wollten. Und so er­hielt die Kleine bei der Taufe, bei der sie nach orientalischem Ritus gleichzeitig auch gefirmt wurde, den Namen Mirjam.

Gerade erst zwei Jahre alt, wurde das Mädchen durch den Tod von Vater und Mutter, die im Abstand von wenigen Tagen starben, zur Vollwaise. Gemeinsam mit ihrem Bruder Boulos, der nach ihr geboren war, wurde die Kleine von ei­nem Onkel väterlicherseits adoptiert und erhielt in dessen Haus eine solide Er­ziehung. Mit ungefähr acht Jahren empfing sie nach wiederholtem Bitten die Erstkommunion. 1854 übersiedelte der Onkel nach Alexandrien in Ägypten, wobei er die kleine Mirjam mit sich nahm, die keinerlei schulische Ausbildung bekam (erst später lernte sie etwas Lesen und Schreiben).

Mit 12 Jahren wurde sie – nach orientalischer Sitte – vom Onkel ohne ihr Wis­sen mit dem Bruder der Ehefrau, einem jungen Mann aus Cairo, verlobt. Als Mirjam davon erfuhr, erklärte sie unverblümt, dass sie nicht daran denke, zu heiraten. Und kurz vor der Hochzeit, schnitt sie sich – zum Zeichen dafür, dass sie eine andere Wahl getroffen hatte – die Haare ab und setzte sich von Seiten ihrer Verwandten sowohl physisch als auch psychisch einer wahren Tortur aus. In dieser tristen Situation wandte sich Mirjam an einen ehemaligen Angestellten ihres Onkels in Nazareth und ersuchte ihn, ihren Bruder Boulos davon zu unter­richten. Als dieser von ihrem Martyrium erfuhr, riet er ihr, zum Islam überzu­treten. Mirjam bekannte daraufhin offen: „Ich bin eine Tochter der römischen, katholisch-apostolischen Kirche. Und mit der Gnade Gottes hoffe ich, bis zu meinem Tode in meiner Religion, die die einzig wahre ist, auszuharren.“ Als Ant­wort erhielt sie einen kräftigen Fußtritt und wurde anschließend mit dem Krummsäbel am Hals schwer verletzt. Man wickelte ihren regungslosen Körper in ein Leintuch und deponierte ihn in einer dunklen Straße. Als Mirjam erwach­te, fand sie sich in einer Grotte wieder, umsorgt von einer blau gekleideten Or­densfrau, die ihr in wenigen Worten ihre Zukunft kundtat. Mirjam war der Überzeugung, dass es sich um die Jungfrau Maria gehandelt hatte, weshalb sie das Fest Maria Geburt in Erinnerung an jenen 8. September fortan immer be­sonders feierlich beging.

Nachdem sie mit Hilfe eines Franziskaners wieder genesen war, verdingte sich die erst 13-jährige Mirjam als Hausmädchen bei verschiedenen Familien in Alexandrien, Beirut und Jerusalem, wo sie am Hl. Grab das Gelübde der ewigen Keuschheit ablegte. Der ständige Wechsel war auch dadurch bedingt, dass Mir­jam stets bereit war, eine Familie – selbst die beste – zu verlassen, um einer an­deren, die sich in Not befand, zu dienen, wobei sie für eine solche auch betteln ging.

1863 übersiedelte die Familie Naggiar, bei der sie in Beirut im Dienst war, aus dem Libanon nach Marseille in Frankreich und nahm dabei auch Mirjam mit. Hier verspürte sie die Berufung zum Ordensleben immer stärker. Nachdem sie von den Barmherzigen Schwestern auf Intervention ihrer Arbeitgeberin, die sie nicht verlieren wollte, abgewiesen worden war, gelang es ihr 1865 als Postulan­tin bei den Josephsschwestern unterzukommen, die sie jedoch 1867 wegen außergewöhnlicher Vorfälle in ihrem geistlichen Leben wieder entließen, deret­wegen sie als besser geeignet für das kontemplative Leben befunden wurde. Mir­jam hielt diese außergewöhnlichen Vorfälle, die in Ekstasen und Visionen be­standen, für eine Krankheit. Am 29. März 1867 erhielt sie zum ersten Mal die Stigmen.

Am 14. Juni 1867 trat Mirjam zusammen mit Veronika von der Passion, ihrer seinerzeitigen Lehrerin bei den Josephsschwestern, in den Karmel von Pau (Un­tere Pyrenäen) ein, wo sie am 27. Juli eingekleidet wurde und den Namen Maria vorn gekreuzigten Jesus erhielt. Da sie weder lesen noch schreiben konnte, hoffte sie auf Aufnahme als Laienschwester. Sie wollte nur dienen. Stattdessen teilte man sie als Chorschwester ein und verpflichtete sie, lesen und schreiben zu ler­nen, jedoch ohne viel Erfolg. So konnte sie 1871 wieder zu den Laienschwestern zurückkehren, wobei sie versicherte, dass ihr genau dies auch entsprach.

Am 21. August 1870 wurde Mirjam gemeinsam mit anderen Karmelitinnen nach Indien geschickt, um den ersten Karmel in Mangalore zu gründen, wo sie am 21. November 1871 die Profess ablegte. Der apostolische Vikar persönlich wurde ihr Spiritual. Es war dies die erste Profess einer Karmelitin in Indien. Auch dort führte sie ein Leben der Hingabe im denkbar einfachsten Dienst. Und dies selbst zu jenem Zeitpunkt (zwischen Mittwoch abend und Freitag früh), zu dem – ab 1871 – die Wundmale ziemlich stark zu bluten begannen. Sie versuch­te alles zu verbergen, doch die Krankheit, wie sie es nannte und die sie für an­steckend hielt, beeinträchtigte sie in ihrer Arbeit.

Nach einigen paranormalen Vorkommnissen, die sich jeder Erklärung entzo­gen, glaubte auch ihr Spiritual, sie sei vom Teufel besessen, und so musste sie im September 1872 in den Karmel von Pau in Frankreich, ihre Ursprungsgemein­schaft, zurückkehren. Dies stellte ihren Gehorsam extrem auf die Probe. Mir­jam aber fügte sich in Frohsinn und Heiterkeit in ihre neue alte Arbeitsumgebung.

Im selben Jahr vertraute sie ihren Oberen an, dass der Herr in Bethlehem im Heiligen Land einen Karmel wünsche, und sie versicherte, dass dieser trotz ver­schiedener Schwierigkeiten errichtet werden würde. Und tatsächlich, mit großzügiger Unterstützung von Berta Dartigaux und nach Überwindung aller Hindernisse – dank der direkten Intervention von Pius IX. – schiffte sich Mir­jam im August 1875 nach einem Besuch in Lourdes mit weiteren acht Schwes­tern nach dem Orient ein. Am 6. September erreichte sie Jerusalem und am 11.

September Bethlehem, wo nach einem Entwurf von Mirjam, die auch die Bauar­beiten leitete, auf dem „Davidshügel“ in Form eines Turms das erste Karmelitinnenkloster errichtet wurde. Am 24. September 1876 wurde das Kloster einge­weiht und am 21. November zogen dort — obwohl die Bauarbeiten noch nicht ab­geschlossen waren — die Schwestern ein.

In diesem bescheidenen Haus verlebte Mirjam die letzten Jahres ihres Lebens, ganz in die Liebe Gottes versunken und begleitet von Zeichen des Außergewöhn­lichen: Ekstasen, Visionen, Levitationen, Bilokationen, Stigmen, schrecklichen Versuchungen und Formen von Besessenheit.
Ebenso plante Mirjam die Gründung eines Karmel in Nazareth, wohin sie sich 1878 begab, um den Platz des künftigen Klosters zu begutachten. Bei dieser Ge­legenheit pilgerte sie auch nach Ain Karem, Emmaus, zum Berg Karmel und nach Abellin, ohne auch nur für einen Augenblick die Verbindung zur Gegenwart Gottes zu verlieren. So empfahl sie die Kongregation P. EtchAcopar von den Priestern des heiligsten Herzens Jesu von Bkharram, wobei sie sich ent­schieden für die Approbation von deren Konstitutionen einsetzte. Der vom hl. Michael von Garicoits gegründete Orden der Patres von B6tharram, den Mirjam in das Heilige Land brachte, sieht in ihr seine größte Wohltäterin.

Tatsächlich wusste sie, obwohl voller Demut und des Lesens und Schreibens unkundig, Ratschläge zu erteilen und theologische Erklärungen von kristalliner Klarheit abzugeben. Es waren dies die Früchte ihrer beständigen Gemeinschaft mit Gott, ihrer unablässigen Zwiesprache mit dem Heiligen Geist, von dem sie auf außergewöhnliche Weise die Aufgabe zur Heiligung, zur Einheit und zum Frieden in der Kirche übertragen bekam und so zur Verkünderin seiner Vereh­rung wurde. „Die Verehrung des Hl. Geistes wird vernachlässigt.“ In einer Eks­tase sagte sie: „Deshalb bestehen der Irrtum, die Spaltung, und es fehlen Friede und Klarheit.“ Es war der Hl. Geist, der ihr Herz bis an die Grenzen der Kirche öffnete, indem er ihr eine besondere mystische Einheit verlieh, vor allem mit ih­rem Papst Pius IX., an dessen Tod am 7. Februar 1878 sie in Ekstase teilnahm, ebenso wie am Konklave der Wahl Leos XIII.

Doch nicht das Außergewöhnliche ist es, das zur Heiligkeit führt, sondern die Demut: „Die Heiligkeit besteht weder in Gebeten noch in Visionen oder Offen­barungen, weder in der Kunst des guten Redens noch in Bußübungen oder Kas­teiungen: es ist die Demut… Die Demut und der Friede, das bescheidene Herz ist immer froh, ist immer glücklich. Der Hochmut ist es, der Unruhe schafft.“

Beim Wassertragen im August 1878 kam Mirjam zu Sturz und brach sich ei­nen Arm. „Es ist aus“, murmelte sie. Und tatsächlich hörte man sie in den frühen Morgenstunden des 26. August den Psalm 41 beten: „Wie der Hirsch lechzt nach den Quellen des Wassers, so sehnt sich meine Seele nach Dir, o Gott.“

Dann, gegen fünf Uhr, starb sie — 33-jährig — im Ruf der Heiligkeit im neuen Karmel von Bethlehem, wo ihre Gebeine ruhen.

Am 13. November 1983 wurde Maria vom Gekreuzigten Jesus (Mirjam) Baouardy von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at