Andreas Resch: Maria Vinzentia Chávez Orozco


MARIA VINZENTIA CHÁVEZ OROZCO
(1867-1949)

GRÜNDERIN
DER KONGREGATION DER DIENERINNEN
DER HEILIGSTEN DREIFALTIGKEIT

UND DER ARMEN

Selig: 9. November 1997
Fest: 30. Juli

MARIA VINZENTIA VON DER HL. DOROTHEA CHÁVEZ OROZCO wurde am 6. Februar 1867 als Jüngstes der vier Kinder von Luis Chávez und Benigna de Jesús Orozco in Cotija, Michoacán, Mexiko, geboren. Wegen der Zerstörung der Pfarrarchive existieren keinerlei Dokumente bezüglich Taufe, Erstkommunion und Firmung. Sicher ist, dass sie bei der Taufe den Namen Dorothea erhielt, was „Geschenk Gottes“ bedeutet. Die Kindheit verbrachte sie im Schoß der Familie, wo sie durch ihre besondere Verehrung für das Jesuskind auffiel.

Ihren ersten Unterricht bekam Dorothea zu Hause von ihrem Bruder Eligio, der Lehrer war. 1877 übersiedelte die Familie nach Cocula und von dort nach Guadalajara, wo sie sich im Viertel von Mexicaltzingo niederließ, das damals von armen Leuten bewohnt war, die niedrige Dienste ausübten. Dort lebte sie bis zum 25. Lebensjahr. Die Sorge um die Gläubigen, sowohl spirituell als auch in anderen Belangen, war P. Augustín Beas anvertraut, der sich zudem um die mittellosen Kranken kümmerte. Zu diesem Zweck richtete er in einem Zimmer des Pfarrhauses ein provisorisches Spital ein, das er mit sechs Betten ausstattete und „Spital von der Heiligsten Dreifaltigkeit“ nannte. Die Pflege der Kranken übertrug er den Mitgliedern der Vinzenzkonferenz.

Am 20. Februar 1892 musste sich Dorothea zur Behandlung einer Lungenentzündung in das Spital begeben und hatte justament in dem Augenblick die Eingebung, ihr Leben im Dienst an den Armen und Kranken Gott zu weihen, wie sie selbst sagte: „Die Idee kam mir an dem Tag, als ich das Spital betrat, durch die Gnade Gottes und ich beschloss, mich in den Dienst Unseres Herrn und Erlösers in der Person der armen Leidenden zu stellen.“ Dieses Erlebnis wird als Gründungstag des Instituts der Dienerinnen der Heiligsten Dreifaltigkeit und der Armen (Abb.) angesehen. Nach ihrer Genesung kehrte Dorothea am 19. Juli desselben Jahres in das Spital der Heiligsten Dreifaltigkeit zurück, um endgültig den Armen und Kranken zu dienen, um die sie sich in aufopfernder Weise kümmerte. Am 31. Mai 1893 wurde das Spital in die Calle del la Pavo verlegt, während sich die Krankenschwestern in der Calle de Aranzazú niederließen und dort in Gemeinschaft lebten. Am 25. Dezember 1895 legte Dorothea zusammen mit Catalina Velasco und Juana Martín del Campo die privaten Gelübde ab.

1896 wurde Margarita Gomez zur Spitalsleiterin ernannt, die in die Institution eine neue Ordnung einzuführen versuchte. Auf diese Initiative hin verließen fünf von sechs Krankenschwestern, ausgenommen nur Dorothea, das Spital. Gomez wollte auch Dorothea entlassen, weil diese auf Anweisung des Spitalsdirektors Don Pedro Romero die neuen Vorschriften ablehnte. Doch nahm sie in der Folge – beeindruckt von Dorotheas Einsatz für die Patienten – davon Abstand. Dorothea wurde zur ersten Sakristanin ernannt. Als am 24. Februar 1898 das Allerheiligste in die Spitalskapelle gestellt wurde, zu der jedoch eine Tür fehlte, die den Zugang regelte, übernahm Dorothea die Aufgabe, den Eingang zu bewachen, und verweilte so zwei Wochen vor dem Allerheiligsten, wobei sie später immer wieder sagte: „Ich war zwei Wochen lang der Schlüssel zum Allerheiligsten.“

1902 gab der Erzbischof von Guadalajara sein Einverständnis, dass die Krankenschwestern sich „Dienerinnen der Armen“ nannten. 1904 wurde der Kanoniker Miguel Cano (1866 – 1924) zum Leiter der Gemeinschaft und des Spitals ernannt, der an der Gründung des neuen Instituts aktiv mitarbeitete, sodass die Kommunität am 12. Mai 1905 als religiöse Gemeinschaft diözesanen Rechts mit der Bezeichnung Siervas de los Pobres (Dienerinnen der Armen) anerkannt wurde, die später in Siervas de la Sma. Trinidad y de los Pobres (Dienerinnen der Heiligsten Dreifaltigkeit und der Armen), mit dem paulinischen Wahlspruch „Die Liebe Christi drängt uns“ umgewandelt werden sollte. 1907 wurde Dorothea zur Spitalsleiterin ernannt und Isabel del Sagrado Corazón, Franziskaerterziarin Unseres Herrn der Zuflucht, zur Oberin der Dienerinnen der Armen. Am 1. Februar 1908 erhielten die ersten Dienerinnen der Armen das Ordenskleid und im gleichen Jahr approbierte der Erzbischof die Konstitutionen des Instituts. Am 20. Februar 1910 wurde das Noviziat errichtet, mit Dorothea als erster Novizenmeisterin. Am 15. August desselben Jahres legte sie die zeitlichen Gelübde ab und gab sich den Namen Maria Vinzentia von der hl. Dorothea. Ebenfalls 1910 gründete Sr. Maria das Spital des hl. Vinzenz in Zapotlán el Grande und wurde dessen erste Oberin.

Nach der kanonischen Errichtung des Instituts der Dienerinnen der Armen am 18. August 1911 seitens der Religiosenkongregation, verbunden mit der Einschränkung, sich nicht über die Diözesangrenzen hinaus auszudehnen, legte Chávez am darauffolgenden 3. Dezember die Gelübde auf drei Jahre ab. Am 8. September 1913 hielt das Institut das erste Generalkapitel ab, auf dem Chávez zur Generaloberin gewählt wurde – ein Amt, das sie 26 Jahre auf liebenswürdige und verständnisvolle Art ausübte. Zu ihren Schwestern sagte sie: „Den Armen muss im Geiste des Glaubens, mit Güte und Liebe, im Empfinden der Demut und der Freude des Herzens begegnet werden, indem man sie geduldig erträgt, sie tröstet und Gott bei der Ausfüllung von Inhalt und Zweck des Namens der Dienerinnen der Heiligsten Dreifaltigkeit und der Armen Dank erweist.“

Am 3. Dezember 1915 legte sie schließlich die Ordensgelübde ab – aufgrund der seit 1914 andauernden Verfolgung vorerst nur auf ein Jahr. Das Spital von Zapotlán wurde in ein Militärlazarett umgewandelt und die Schwestern kümmerten sich in aufopfernder Weise um die Verwundeten, auch wenn diese der Kirche feindlich gegenüberstanden. Mutter Vinzentia musste während der Verfolgungen in Mexiko viel in Kauf nehmen. 1914 besetzten die Revolutionsgarden von General Carranza Guadalajara und die Kathedrale und nahmen dabei Ordensleute und Priester gefangen. 1916 wurden zwei Dienerinnen der Armen in Guadalajara verbrannt. Einmal, als die Schwestern im Haus wohlgesinnter Personen Unterschlupf fanden, blieb Mutter Vinzentia mit einer Postulantin zurück, um weiterhin den Verwundeten beizustehen, wobei sie Beschimpfungen und sogar Todesdrohungen hinnehmen musste. Als später der Kommandant erschien, tadelte er die Soldaten ob ihres unwürdigen Verhaltens und lobte so indirekt die Größe der unerschrockenen Schwester. Die meisten Patienten des Spitals der Dienerinnen der Armen legten die Beichte ab und empfingen die Sakramente. Als das Spital von Zapotlán 1926 neuerlich in ein Militärquartier umgewandelt wurde, setzten die Schwestern mit großer Hingabe ihren Dienst an den Verwundeten fort und Mutter Vinzentia ermunterte die Kranken mit den Worten: „Schreitet guten Mutes auf dem Weg des Kreuzes voran; empfangt dies alle als Zeichen des göttlichen Willens.“

Am 18. Oktober 1926 zog sich Vinzentia, die den neuen Vorschriften des neuen Spitalsleiters ablehnend gegenüberstand, auf Empfehlung des Erzbischofs vom Generalat zurück. Wenige Tage zuvor wurde auf ihre Initiative und mit Zustimmung des Diözesanbischofs die disziplinarische Leitung von M. Rosa Orozco von den Josephinen übernommen, die eine neue Ordnung mit Schwerpunkt auf der spirituellen Bildung der Schwestern einführte, um so den Direktor zu veranlassen, die Spitalsleitung abzugeben.

Am 19. November 1929 kehrte M. Rosa Orozco zu den Josephinen zurück und am darauffolgenden 26. Dezember wurde Mutter Chávez neuerlich zur Generaloberin ernannt. Das Institut nahm einen raschen Aufschwung. Es gab zahlreiche Berufungen, sodass die Religiosenkongregation, mit Dekret vom 13. Dezember 1934, der Gemeinschaft die Erlaubnis erteilte, sich auch über die Diözese hinaus auszudehnen. Damit stiegen unter der Leitung von Mutter Vinzentia die Gründungen von Spitälern, Kliniken und Hospizen in der gesamten Republik Mexiko auf 22.

Beim Kapitel vom 19. Januar 1942 äußerte Mutter Vinzentia den Wunsch, aufgrund ihres Alters und ihres zunehmend beeinträchtigten Sehvermögens von ihrem Amt entbunden zu werden. Sie wurde daraufhin zur ersten Konsultorin und zur Generalvikarin gewählt. Doch die sechs Jahre unter der neuen Generaloberin, die Vinzentia ablehnend gegenüberstand, erwiesen sich als echter Kreuzweg, auf dem ihre Demut und Opferbereitschaft besonders augenscheinlich wurden. Auf dem Kapitel vom 19. Januar 1948 kam es zur Wahl einer neuen Generaloberin und großen Verehrerin von Chávez, die ihrerseits als Generalvikarin bestätigt wurde.

Inzwischen ließ der Gesundheitszustand von Mutter Vinzentia immer mehr zu wünschen übrig. Am 29. Juli 1949 hatte sie eine Herzattacke, was die gesamte Kommunität in Alarmbereitschaft versetzte. Am 30. Juli, im Spital der Heiligsten Dreifaltigkeit in Guadalajara, verschlechterte sich ihr Zustand weiter. Sie erhielt die Krankensalbung und während Kardinal Rivera bei der hl. Messe die Hostie emporhob, beschloss die inzwischen fast völlig erblindete Mutter Vinzentia ihr irdisches Dasein.

Ihr Grab befindet sich in der Kapelle des Spitals von der Heiligsten Dreifaltigkeit, Guadalajara, Mexiko.

Am 9. November 1997 wurde Maria Vinzentia von der hl. Dorothea Chávez Orozco von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at