Andreas Resch: Maria Theresia Scherer


MARIA THERESIA SCHERER
(Anna Maria Katharina)
(1825-1888)

MITBEGRÜNDERIN UND
ERSTE MODERATORIN DER KONGR. DER
BARMH. SCHWESTERN

VOM HL. KREUZ VON INGENBOHL

Selig: 29. Oktober 1995
Fest: 16. Juni

MARIA THERESIA SCHERER wurde am 31. Oktober 1825 in Meggen am Vierwaldstättersee in der Schweiz geboren und auf den Namen Anna Maria Katharina getauft. Sie war das vierte von sieben Kindern der Familie Scherer-Sigrist. Ihre Eltern, Josef Scherer und Maria Anna Sigrist, arbeiteten auf einem bescheidenen Landgut namens „In der Weid“.

Als am 15. Februar 1833 plötzlich der Vater starb, war Katharina gerade einmal sieben Jahre alt. Wegen seines frühzeitigen Todes konnten nur drei der sieben Geschwister weiterhin bei der Mutter bleiben. Noch am Tag der Beerdigung verließ Katharina ihre Familie und begab sich zu ihren Verwandten, zwei unverheirateten Brüdern, die sie sehr liebevoll aufnahmen und dafür sorgten, dass sie eine solide christliche Erziehung erhielt. So besuchte sie zunächst die Volksschule und widmete sich in ihrer Freizeit der Arbeit im Haus und auf dem Feld.

Auf den Wunsch ihrer Mutter kam Katharina 1841 im Alter von 16 Jahren in das Kantonsspital von Luzern, um dort als Hausgehilfin zu arbeiten. Sie ging nur sehr ungern, verließ sie doch eine friedvolle und behagliche Umgebung. Von nun an aber musste sie sich auch um die Armen und Kranken kümmern. Der Anfang war hart, aber entscheidend. Mit 17 Jahren trat sie dem Dritten Orden des hl. Franziskus und der „Kongregation der Töchter Mariens“ bei.

Anlässlich einer Wallfahrt nach Einsiedeln kam Katharina zur inneren Überzeugung, zum Ordensleben berufen zu sein. Am 1. März 1845 trat sie in das vor kurzem von dem Kapuziner Theodosius Florentini gegründete Institut der Menziger Lehrschwestern ein. Das Mutterhaus sollte in Menzingen entstehen. Im Herbst desselben Jahres legte sie unter dem Namen Sr. Maria Theresia ihre ersten Gelübde ab. Nach einem Ausbildungsjahr in Galgenen wurde sie nach Baar und anschließend nach Oberägeri geschickt, wo sie als Lehrerin und Oberin der beiden ersten Gemeinschaften wirkte. Diese Zeit war für sie von Zweifeln und Schwierigkeiten geprägt, die sie durch strenge Askese und im Gehorsam ihrem Spiritual gegenüber meisterte.

1850 berief sie P. Theodosius in das Spital nach Näfels, wo sie sich um die Armen und Waisen kümmerte und zur „Mutter der Armen“ avancierte. Im selben Jahr, hatte P. Theodosius, damals Dompfarrer von Coira, dort ein kleines Krankenhaus eröffnet und stand vor der Frage, wer dieses führen sollte. Dieser Gedanke beschäftigte ihn und als ihm der Bischof suggerierte: „Aber nehmen Sie doch ihre Schwestern!“, eilte er nach Menzingen, um Sr. Maria Theresia für die Leitung des Spitals zu gewinnen. Es war dies für sie ein schwieriger Schritt und sie tat ihn, wie sie verriet, „äußerst ungern und mit großer Abneigung“, jedoch im Gehorsam – überzeugt davon, dass das Charisma des Gründers sowohl den erzieherisch-schulischen als auch den karitativen Zweig umfasste.

In Menzingen aber, wo sich der Hauptsitz des Instituts befand, teilte Mutter Bernarda Heimgartner diese Haltung nicht, und 1856 sagten sich die Lehrschwestern von ihrem Gründer los, um ihr erzieherisches Apostolat als selbständiges Institut fortzusetzen.

Es kam zu einem klärenden Gespräch. Der Gründer erläuterte Sr. Maria Theresia seinen Plan sowie die unvermeidlichen Schwierigkeiten, die sich am Horizont abzeichneten, und er fragte sie, ob sie bereit sei, ihm zu helfen. Er hatte in Ingenbohl bereits einen Gutshof erworben, der später zum Mutterhaus werden sollte. Scherer antwortete mit einem Händedruck, mit dem sie ihre Loyalität und Unterstützung versicherte. Sie litt sehr unter der gegebenen Situation. Einerseits verspürte sie einen starken Hang zur erzieherischen Arbeit und Sympathie für Mutter Bernarda Heimgartner, einer Frau von großer geistiger Tragweite; andererseits fühlte sie sich durch das Versprechen an P. Theodosius gebunden ebenso wie durch die Aussicht auf das viele Gute, das sie auch durch karitative Arbeit würde bewirken können. Theresia informierte Mutter Bernarda über ihre Entscheidung in einem Brief, in dem sie dieser auch ihre höchste Ehrerbietung zum Ausdruck brachte. Ein Dutzend Schwestern optierten für Coira, die übrigen blieben in Menzingen.

1857 wurde Mutter Maria Theresia zur Generaloberin der „Schwestern im Dienst der Schule und der Armen“ gewählt. Gemeinsam mit P. Theodosius leitete sie das Institut der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz, das einen rapiden Aufschwung erfuhr, sodass es bereits im Januar 1857 72 Schwestern, 50 Novizinnen und 30 Kandidatinnen zählte, weil die Aktivitäten dort den Bedürfnissen der Zeit entsprachen. Ständig erreichten Ingenbohl Anfragen nach Schwestern für die Armen- und Waisenhäuser, die Besserungsanstalten und Lazarette. Wenngleich es sich dabei um schwierige Aufgaben handelte, standen diese ganz im Einklang mit dem Denken von Mutter Maria Theresia, die dafür folgende Worte fand: „Für die angenehmen Dinge gibt es genügend Leute, dort braucht es keine Barmherzigen Schwestern.“ Sie eröffnete Spitäler und Sonderschulen für Behinderte.

Sie konnte die Schwestern jedoch nicht als Verantwortliche der Unternehmungen betrachten. Das war auch der Grund für so manche Spannungen zwischen ihr und dem Gründer. Immerhin war sie überzeugt, dass es die Absicht von P. Theodosius war, die Arbeiterfrage in Gerechtigkeit und Solidarität zu lösen. Sie unternahm alles Mögliche, um ihm zu helfen, ohne ihre Pflichten dem Institut gegenüber zu vernachlässigen. Auch nach seinem plötzlichen Ableben am 15. Februar 1865 hielt sie ihm weiterhin die Treue. Sie übernahm dabei nicht nur sein wertvolles geistiges Erbe, sondern auch das materielle, sprich: seine nicht gerade geringen Schulden. Jahre hindurch litt sie zusammen mit ihren Schwestern Entbehrungen und Opfer und begab sich auf viele anstrengende Reisen, um Almosen zu sammeln und so die Schulden abzutragen. Auf diese Weise konnte die Ehre des großen Sozialapostels der Schweiz gerettet werden.

Mutter Maria Theresia fühlte sich den Anregungen des Gründers verpflichtet. Immer wieder pflegte sie zu sagen: „P. Theodosius hat das so gewünscht.“ Daher war es für sie besonders schmerzhaft, sich dem Reformeifer eines der Nachfolger von P. Theodosius im Hinblick auf die spirituelle Leitung des Instituts widersetzen zu müssen, um die von ihm geplante Revision der Statuten zu verhindern. Es gelang ihr, die von P. Theodosius festgelegten Konstitutionen zu bewahren, die – nachdem sie den kirchenrechtlichen Normen entsprechend auf den letzten Stand gebracht worden waren – das „Decretum laudis“ erhielten.

Als sie den Nutzen ihrer Kongregation vor den Behörden rechtfertigen musste, stellte sie fest: „Wir gehen auf die Schlachtfelder, um die Verwundeten zu pflegen; die Pestkranken empfangen wir mit offenen Armen; wir lassen uns in den Kerker sperren, um den Gefangenen Trost zu spenden; die Waisen nehmen wir bei uns auf, um sie der Verwahrlosung zu entreißen. Die Armen und Kranken liegen uns besonders am Herzen, wir stillen ihren Hunger und versuchen, ihre Schmerzen zu lindern. Kurz, wo immer es menschliches Leid gibt, sind wir zur Stelle.“

Für die Schwestern war Mutter Maria Theresia eine „wandelnde heilige Regel“. Wenngleich mit viel Sinn für das Praktische ausgestattet, lebte sie doch in einer ständigen Einheit mit Gott. So lautete ihr Wahlspruch: „Mit den Händen bei der Arbeit und mit dem Herzen bei Gott!“ Dennoch wurde sie wenige Jahre vor ihrem Tod für ihre Art der Institutsführung und ihr Verständnis von Armut öffentlich kritisiert. Mit christlicher Seelenstärke und Gottvertrauen nahm sie auch Verleumdungen in Kauf.

Jahre hindurch war sie schweren physischen Leiden ausgesetzt. Trotzdem unternahm sie, in der Sorge um das Wohl der Schwestern in der Heimat und in anderen europäischen Ländern, zahlreiche Visitationsreisen. Wo immer sie hinkam, ermutigte sie zu einem Leben im Geiste des Gründers. 1886 wurde sie zum fünften Mal zur Generalsuperiorin gewählt.

Aus Anlass ihrer kanonischen Reise nach Rom im Januar 1888 wurde sie von Papst Leo XIII. in Audienz empfangen. Ihr Leiden verschlimmerte sich, was die sofortige Rückkehr nach Ingenbohl mit sich brachte. Im März musste sie ihr Amt niederlegen. Nach unsäglichen Schmerzen starb sie am 16. Juni 1888 im Kloster von Ingenbohl, betrauert von 1689 Mitschwestern. In ganz Europa rief ihr Ableben ein Echo der Bewunderung hervor. Schweizer Zeitungen bezeichneten sie als „Königin der Nächstenliebe“, als „eine der größten Frauengestalten, deren sich unser Land rühmen kann“, als „ein Monument an Glauben und christlicher Heroizität“. Sie wurde auf dem Friedhof der Schwestern von Ingenbohl beerdigt und ihre Grabstätte wurde unmittelbar darauf zu einem Ort der Verehrung.

Am 21. Juni 1938 wurde der Leichnam in die Kapelle des hl. Franziskus in die Klosterkirche übertragen, und am 16. Juni 1975 fanden die sterblichen Überreste in der Krypta der neuen Kirche des Generalatshauses in Ingenbohl, Schweiz, ihre letzte Ruhestätte.

Am 29. Oktober 1995 wurde Maria Theresia Scherer von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]

Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at