Andreas Resch: Maria Theresa Chiramel Mankidiyan


MARIA THERESA CHIRAMEL MANKIDIYAN
(1876-1926)

GRÜNDERIN
DER KONGREGATION DER SCHWESTERN
DER HL. FAMILIE

Selig: 9. April 2000
Fest: 8. Juni

MARIA THERESA CHIRAMEL MANKIDIYAN wurde am 26. April 1876 als Tochter von Thomas Chiramel und Thanda Chiramel Mankidiyan im Dorf Puthenchira, Provinz Trichur, Kerala, Indien, geboren. Bei der Taufe am 3. Mai erhielt sie den Namen Theresa, mit dem sie in der ersten Hälfte ihres Lebens auch gerufen wurde. Von 1904 an wollte sie Maria Theresa genannt werden, und zwar aufgrund einer Vision der seligen Jungfrau Maria, die sie gebeten habe, ihrem Namen „Maria“ hinzuzufügen.

Obwohl die Familie vornehm, vermögend und im Besitz großer Ländereien war, nahm ihr Reichtum rapide ab, als der Großvater sieben Töchter, jede mit einer großen Mitgift ausgestattet, verheiraten musste. Theresas Vater und ihr älterer Bruder verfielen dem Alkohol, um das harte Los, das die verarmte Familie getroffen hatte, zu vergessen. In diesem schwierigen familiären Umfeld wurde die künftige Pionierin des Familienapostolats geprägt. Theresa, die Drittgeborene von fünf Kindern, zwei Knaben und drei Mädchen, wuchs in der liebevollen, von Frömmigkeit und Heiligkeit getragenen Obhut der Mutter auf. Von frühester Kindheit an empfand sie den tiefen Wunsch, Gott zu lieben. Schon im Alter von dreieinhalb Jahren weihte sie sich ganz Gott und mit acht Jahren erwählte sie Jesus zu ihrem Bräutigam und versprach Ihm, für immer seine Braut zu bleiben. Zu diesem Zweck fastete sie viermal pro Woche und betete mehrmals am Tag den Rosenkranz. Als die Mutter die Achtjährige völlig abgemagert sah, versuchte sie, das Mädchen von seinem strengen Fasten und den Nachtwachen abzubringen. Doch Theresa wollte dem leidenden Christus immer ähnlicher sein, dem sie mit zehn Jahren ihre Jungfräulichkeit weihte.

Mit zwölf Jahren verlor sie die Mutter, mit deren Tod auch der Besuch der Volksschule und überhaupt die schulische Ausbildung Theresas endete. Da sie versuchen wollte, in vollkommener Einheit mit Gott im Gebet zu leben, bat sie um Aufnahme als Dienstmädchen in einem Konvent. Als man aber erfuhr, dass sie aus einer vornehmen Familie stammte, wurde sie wieder weggeschickt. In anderen Klöstern hatte sie keinen Erfolg, weil sie zu arm war, um die Mitgift zu bezahlen. So beschloss sie 1891, um Mitternacht von zu Hause fortzulaufen und auf abgelegenen Waldhügeln als Eremitin zu leben. Ihr Vorhaben erwies sich jedoch als zu naiv und scheiterte. Theresa besuchte daraufhin regelmäßig mit drei Gefährtinnen die Pfarrkirche, um für deren Reinhaltung und den Altarschmuck zu sorgen. In ihrer Liebe zu Jesus wollte sie diesen im Eifer und im Apostolat nachahmen. Daher kümmerte sie sich um die Armen, pflegte die Kranken und besuchte und tröstete die Alleinstehenden in ihrer Pfarrei. Sie nahm sich auch abstoßender Fälle von Lepra und Pocken an – Kranke, die von ihren Familienangehörigen oft verlassen wurden, weil sie nicht in der Lage waren, für sie zu sorgen. Nach ihrem Tod kümmerte sie sich dann um deren Kinder. So profitierte eines der am meisten vernachlässigten Dörfer Keralas vom Dienst der Nächstenliebe eines jungen Mädchens.

Theresa betreute die Ärmsten der Armen auf selbstlose und heroische Weise, wobei sie gegen den Strom schwamm. Gemeinsam mit ihren drei Gefährtinnen zog sie durch die Straßen, suchte die bedürftigen Familien auf und bildete so eine Gebets- und Apostolatsgruppe. Es war dies eine revolutionäre Neuheit in ihrer kleinen Welt, die auch viel kritisiert wurde, selbst von Seiten des Klerus, der moralisierend von den „Mädchen von der Straße“ sprach. Theresa jedoch wandte sich mit gestärktem Vertrauen an die Heilige Familie von Jesus, Maria und Joseph. Sie begegnete ihr in ihren Visionen und schöpfte daraus Kraft für ihr Apostolat, vor allem für die Bekehrung der Sünder. Sie betete für sie, fastete für deren Bekehrung, besuchte sie und ermahnte sie zur Buße. Ihre Buß- und Askesepraktiken erinnerten an die strengen Bräuche der alten Mönche und Eremiten.

Theresa wurde mit vielen mystischen Gaben gesegnet – wie Prophetie, Heilung, Aureole, Wohlgeruch – und erlebte häufige Ekstasen und Levitationen. Freitags versammelten sich die Menschen, um Theresa über dem Boden schweben und wie ein Kreuz an die Wand gehängt zu sehen. Sie empfing auch die Stigmen, die sie sorgsam verbarg. Vielleicht um ihr dabei zu helfen, sich trotz dieser mystischen Gnadenerweise in Demut zu üben, ließ es der Herr zu, dass sie ihr Leben lang von vielerlei Leiden heimgesucht wurde.

Mit 26 Jahren fand sie 1902 in der Person von P. Joseph Vithayathil, dem neuen Pfarrer von Puthenchira, endlich ihren geistlichen Führer, der sie durch das Leben begleitete. Theresa vertraute ihm ihre mystischen Erfahrungen und Prüfungen an und war ihm in vollkommenem Gehorsam ergeben, indem sie alle seine Ratschläge befolgte. Es existieren 53 von Theresa geschriebene Briefe an ihn mit der Bitte um Orientierung und geistliche Führung.

Die Jahre 1902-1909 markieren einen entscheidenden Abschnitt in Theresas Leben. Sie musste gegen Versuchungen gegen den Glauben, die Keuschheit und sogar gegen physische Angriffe von Seiten angeblicher Dämonen ankämpfen. Diese Zeit war auch durch viele seltsame Visionen und außergewöhnliche Phänomene gekennzeichnet: Visionen von der Jungfrau Maria, vom Jesuskind, von der Hl. Familie, von Christus dem Gekreuzigten, von Engeln, von der von einem Engel überbrachten hl. Kommunion, Visionen von Himmel, Fegefeuer und Hölle; Visionen von Teufeln in Tiergestalt; von mystischen Phänomenen, wie der Vermählung der hl. Katherina von Siena, vom Erlebnis der Kreuzigung. Diese Umstände führten auch zu Prüfungen und Demütigungen durch die kirchliche Obrigkeit. Der Diözesanbischof Mar John Menachery, Apostolischer Vikar von Trichur, schränkte Theresas Ernährungsweise ein. Zwischen 1902 und 1905 ließ er wiederholt Exorzismen an ihr vollziehen und verbot ihr den täglichen Kommunionempfang. Die junge Frau nahm alles in großer Demut und Geduld an, als Geschenk aus Gottes Hand.

1903 bat Theresa den Bischof um Erlaubnis, ein Haus der Stille und des Gebets bauen zu dürfen, doch dieser wollte zuerst ihre Berufung prüfen. Er riet ihr, in die vor kurzem gegründete Kongregation der Franziskaner-Klarissinnen einzutreten, doch fühlte sie sich von dieser Berufung nicht angezogen. Von 1904 an wollte sie, wie erwähnt, aufgrund einer Vision Maria Theresa genannt werden, weil die selige Jungfrau sie gebeten habe, ihrem Namen „Maria“ hinzuzufügen; und ab 1905 traten die Stigmen an ihr auf, die zwar niemals zur Schau gestellt, aber von verschiedenen Zeugen beschrieben wurden.

1912 trat sie, im Gehorsam dem Bischof gegenüber, in den Konvent der Karmelitinnen von Ollur ein. Obwohl sie die Schwestern mit Freuden in die Kongregation aufgenommen hätten, fand Theresa keinen Gefallen daran und kehrte nach zwei Monaten nach Hause zurück. Schließlich erlaubte ihr der Bischof 1913, ein Gebetshaus zu bauen, und schickte seinen Sekretär zur Einweihung. Am 7. Oktober desselben Jahres zog Theresa dort ein, ihre drei Gefährtinnen folgten ihr im Januar 1914. Wie echte Eremitinnen führten sie ein Leben des Gebets und der strengen Buße, besuchten jedoch weiterhin die Kranken, Armen und Unberührbaren außerhalb der Kasten zum Wohl der armen Familien. Der Bischof erkannte dies als den Beginn einer neuen religiösen Gemeinschaft im Dienst der Familie. Am 14. Mai 1914 errichtete er die kleine Gemeinschaft kanonisch als religiöse Schwesternkongregation, gab ihr den Namen Kongregation der Schwestern der Heiligen Familie (Abb.) und nahm die ewige Profess von Maria Theresa entgegen. Ihre drei Gefährtinnen wurden als Postulantinnen zur neuen Kongregation zugelassen und Maria Theresa wurde zur ersten Oberin ernannt, mit P. Joseph Vithayathil als Kaplan.

Da die neue Gemeinschaft noch keine schriftlichen Konstitutionen hatte, approbierte der Bischof am 22. Juli 1914 die Konstitutionen der in Ceylon (heute Sri Lanka) ansässigen Schwestern der Hl. Familie von Bordeaux und adaptierte diese für die neue Kongregation. Der Hauptzweck der neuen Gemeinschaft war, außer Gebet und Meditation, der Besuch besonders bedürftiger Familien, die Pflege der Kranken und die christliche Erziehung der weiblichen Jugend.

Mutter Maria Theresa führte die strikte Observanz ein und lenkte die Kongregation in und nach den schwierigen Jahren des Ersten Weltkriegs mit unbändiger Energie und in uneingeschränktem Vertrauen auf die Vorsehung Gottes. Als Gründerin, erste Oberin und nicht zuletzt durch die Ausbildung der Novizinnen als Novizenmeisterin verlieh sie dem Institut ihr Charisma. In rascher Folge wurden zwei weitere Klöster (1917 und 1922), zwei Schulen (1915 und 1918), eine Art Kolleg zur Ausbildung der Schulschwestern (1918 in Trichur) sowie ein Kinderheim gegründet. Die Jugenderziehung bildete die von Maria Theresa erdachte konkrete Theologie der Befreiung. Nicht wenige junge Frauen fühlten sich durch ihre Einfachheit, Bescheidenheit und leuchtende Heiligkeit angezogen.

Nach verschiedenen Krankheiten starb Mutter Maria Theresa im Alter von 50 Jahren am 8. Juni 1926 in Kuzhikkattussery im Ruf der Heiligkeit. Damals zählte das Institut bereits 50 Schwestern, beherbergte 30 Studenten und 10 Waisenkinder. Nach ihrem Tod erlebte die Kongregation der Schwestern der Heiligen Familie unter der Leitung von P. Joseph Vithayathil, dem Mitbegründer und ersten Biografen Mutter Maria Theresas, eine beachtliche Entwicklung. Sie ist heute nicht nur in Kerala und den Missionen Nordindiens verbreitet, sondern auch in Italien, Deutschland und Ghana. Seit dem 1. August 1978 ist sie eine Kongregation päpstlichen Rechts.

Das Grab der Gründerin befindet sich in der Kapelle der Schwestern der Heiligen Familie in Kuzhikkattussery, Thrissur Dt 680-696 (Kerala), Indien.

Am 9. April 2000 wurde Maria Theresa Chiramel Mankidiyan von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen und am 13. Okober 2019 von Papst Franziskus heiliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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