MARIA RITA
LOPES PONTES
DE SOUZA BRITO
(1914-1992)
PROFESS-SCHWESTER
DER KONGREG. DER
MISSIONSSCHWESTERN VON DER UNBEFL.
EMPFÄNGNIS DER MUTTER GOTTES
Selig: 22. Mai 2011
Heilig: 13. Oktober 2019
Fest: 13. August
MARIA RITA LOPES PONTES DE SOUZA BRITO kam am 26. Mai 1914 in Salvador de Bahia, Brasilien, zur Welt. Sie war die Zweitgeborene von August Lopes Pontes und Dulce de Souza Brito. Als fröhliches und lebhaftes Kind besuchte Maria Rita die Pfarrkirche Santo Antônio Além do Carmo, wo sie mit acht Jahren die Erstkommunion empfing. Im Jahr zuvor hatte sie die Mutter verloren, die bei der Geburt ihres letzten Kindes starb. Der Vater heiratete ein zweites Mal. Alice, seine zweite Frau, schenkte ihm eine Tochter mit Namen Terezinha und war auch den anderen Kindern eine gute Mutter. Bei der Erziehung der Kinder wirkten noch zwei Tanten mit. Als Maria Rita 13 Jahre alt war, besuchte sie mit einer Tante regelmäßig die Zusammenkünfte des Apostolischen Gebetskreises an der Kirche Santo Antônio. Auf die Messe und das eigentliche gemeinschaftliche Treffen folgte ein Besuch bei den Kranken in den Armenvierteln. Eines Morgens, als Maria Rita auf den Beginn der Messe in der Kirche Madonna dell’Esilio wartete, sah sie eine Schwester in weiß-blauem Ordenskleid eintreten. In dem Augenblick fasste sie den Entschluss, in die Kongregation einzutreten, der die Schwester angehörte.
Nach der Messe stellte sich Maria Rita der Schwester, die sich Mutter Rosa nannte, vor. So lernte sie die Kongregation der Missionsschwestern von der Unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes kennen, die 1910 in Santarém für die Jugenderziehung gegründet worden war. Die Gründer, der Franziskaner Msgr. Amando Bahlmann und Mutter Maria Immakolata von Jesus, mit bürgerlichem Namen Elisabeth Tombrock, waren noch am Leben.
Nachdem Maria Rita ihr Diplom gemacht hatte, verließ sie am 9. Februar 1933 ihr Elternhaus und begab sich nach São Cristóvão, um das Postulat zu beginnen. Am 13. August 1933 wurde sie eingekleidet und erhielt den Namen Dulce, so wie auch ihre Mutter und ihre Schwester hießen.
Im Jahr darauf, am 15. August 1934, legte sie die zeitliche Profess ab und wurde mit einer ersten Aufgabe betraut. Entgegen dem allgemeinen Brauch schickte man sie an ihren Herkunftsort, und zwar an das Hospital Espanhol in Salvador de Bahia.
Schwester Dulce machte sich sofort an die Arbeit und besuchte nebenher einen Kurs für Krankenpflege. Nach nicht einmal sechs Monaten wurde sie im Februar 1935 in das Kolleg Santa Bernadetta überstellt, das ihre Kongregation übernommen hatte. Dort waren nur diplomierte Schwestern tätig. Sie unterrichtete allgemeine Geschichte und die Geschichte Brasiliens an der Mittelschule, arbeitete aber auch als Volksschullehrerin. Ihr Apostolat wurde noch fruchtbarer, als sie damit begann, den Arbeitern in ihrer Mittagspause Katechismusunterricht zu geben.
Ein anderer Ort, an dem Schwester Dulce wohltätig wirkte, war die auf Pfählen errichtete Favela von Alagados. Es brauchte nicht viel, um zu verstehen, dass ein Großteil der Erkrankungen der Einwohner auf Unterernährung und letztlich auf die Arbeitslosigkeit zurückzuführen war. Mit Mühe gelang es ihr zwar, dem einen oder andern einen Arbeitsplatz zu verschaffen, doch war ihr bewusst, dass eine Arbeitnehmervertretung nicht einmal ansatzweise vorhanden war. Mit Unterstützung ihres Spirituals, des Minoriten P. Hildebrand Kruthaupt, rief sie die União Operária São Francisco (Arbeiterverein St. Franziskus) ins Leben, die ihre Tätigkeit offiziell am 31. Oktober 1936 aufnahm. Es war dies die erste christliche Arbeiterorganisation von Salvador. Während sich Schwester Dulce direkt den Menschen widmete, versuchte P. Hildebrand mit den katholischen Arbeiterzirkeln Kontakt aufzunehmen, die damals im Entstehen waren. So erfolgte am 12. Januar 1937 die Namensänderung in Círculo Operário da Bahia (Arbeiterverein von Bahia).
Am 15. August desselben Jahres legte Schwester Dulce die ewige Profess ab. Im Mai 1939 eröffnete sie das Kolleg Sant’Antonio, eine öffentliche Schule für Arbeiter und Arbeiterkinder. Am 8. Januar 1941 machte sie das Diplom in Pharmazie, um bei den Krankenvisiten mit noch mehr Fachkompetenz aufzutreten.
Eines Abends, beim Zusperren der Ambulanz, sah sich Schwester Dulce einem zwölfjährigen Jungen gegenüber, der völlig abgemagert war und am ganzen Leib vor Fieber zitterte. Als sie seine flehentliche Bitte hörte, ihn nicht auf der Straße sterben zu lassen, beschloss sie, ihn in einem der unbewohnten Häuser auf der Mäuseinsel unterzubringen. Der Besitzer protestierte und ließ die Hausbesetzer davonjagen. Da kam Schwester Dulce eine neue Idee: Sie führte die Armen unter die Arkaden des Heiligtums von Bonfim. Die Redemptoristen vor Ort hatten nichts dagegen, der Präfekt von Salvador de Bahia allerdings ordnete die Räumung an.
Gleich in der Nähe fand sich ein Ort, der als Hühnerstall genutzt wurde. In den Augen von Sr. Dulce genau das Richtige. Nachdem sie die Erlaubnis der Oberin eingeholt hatte, ersuchte sie ihren Vater, sich an den Präfekten zu wenden, damit er die Räumung drei Tage aufschiebe. Es gelang ihr, zwei separate Räumlichkeiten für Männer und Frauen zu schaffen, denen sie noch einen weiteren Raum für die Straßenkinder anschloss. Alles in allem konnten dort 70 Personen Platz finden.
Am 16. Juli 1948 bildete sich im Konvent Sant’Antonio eine neue Kommunität von Missionsschwestern von der Unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes, zu deren Oberin Schwester Dulce ernannt wurde. Einige Monate später, am 28. November, wurde der neue Komplex des Arbeiterhilfswerkes zumindest teilweise eröffnet.
Nebenher hielt Schwester Dulce weiter nach verlassenen Kindern Ausschau, nach Kranken, um die sich niemand mehr kümmerte, und nach alleinstehenden alten Menschen. Für sie alle versuchte sie in der Herberge Sant’Antonio ein Plätzchen zu bereiten.
Am 20. Mai 1959 beschloss die Ordentliche Generalversammlung des Arbeitervereins die Gründung der Obras Sociais Irmã Dulce/OSID (Sozialwerke Schwester Dulce), die im Eigentum der Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes verblieben.
Am neuen Sitz der ehemaligen Herberge und des nunmehrigen Hospitals Sant’Antonio, das am 5. Februar 1960 eingeweiht wurde, kam noch ein Erholungsheim für verlassene Minderjährige hinzu, das etwa 20 Kilometer von Salvador de Bahia entfernt war. So verwirklichte sich ein weiteres Ansinnen von Schwester Dulce, nämlich den Kindern und Jugendlichen, die auf der Straße lebten, Hilfestellung zu geben.
Mit der Wahl von Mutter Emilia Rosa da Seixas Barros zur Provinzoberin 1964 begann für Schwester Dulce eine besonders schwere Zeit. Mutter Emilia verlangte nämlich von ihr und den Mitschwestern von Sant’Antonio strengste Observanz hinsichtlich der Ordensregel, vor allem was das Gebet und die gemeinsamen Übungen betraf, was sich jedoch mit der aufopferungsvollen Arbeit für die Armen nicht vereinbaren ließ. Im Fall des Zuwiderhandelns hätten sie die Kongregation zu verlassen.
Nach Beratung mit P. Hildebrand und anderen Priestern beschloss Schwester Dulce, vor Ort zu bleiben. Die Provinzialin legte ihr daraufhin nahe, um Exklaustration anzusuchen; eigentlich war es ein Befehl.
Die übrigen Schwestern verließen die Kommunität von Sant’Antonio. Lediglich zwei Laienhelferinnen blieben, um mit Schwester Dulce in Gemeinschaft zu leben. Sie selbst legte das Ordenskleid nie ab, das sie vor 30 Jahren angezogen hatte. Und sie ließ sich auch nicht dazu bewegen, zu einer anderen Kongregation überzutreten oder eine neue zu gründen. Über zehn Jahre hinweg wurde die Exklaustration Jahr für Jahr erneuert.
Kirchliche und zivile Behörden übten zusammen mit den Mitarbeitern des Ausschusses Druck aus, damit sie eine Absichtserklärung abgebe, welche am 1. Oktober 1974 hinterlegt wurde. Darin erklärte sie, die Sozialen Werke einer Kommission zu überantworten, die sich mit der Umbildung in eine Stiftung befassen würde.
Schwester Dulce dachte nun nicht mehr daran, um eine weitere Verschiebung der Exklaustration anzusuchen. Die neue Provinzialin und ihr Rat schrieben daher an Papst Paul VI., während die Generaloberin und die Mitschwestern, die sie unterstützten, die nötigen Schritte bei der Religiosenkongregation am Heiligen Stuhl unternahmen.
Ende 1975 erhielt Schwester Dulce offiziell die Nachricht von ihrer Wiedereingliederung, wenngleich sie sich, wie sie der Provinzoberin mitteilte, nicht bewusst sei, jemals ausgetreten zu sein.
Abgesehen von ihrer vielfältigen Tätigkeit lebte Schwester Dulce ganz im Glauben an die göttliche Vorsehung. An Kritik bei ihren Unternehmungen fehlte es nicht. Gewissermaßen in Erwiderung darauf schrieb sie: „Viele sind der Meinung, dass man den Armen nicht die gleiche Aufmerksamkeit entgegenzubringen brauche wie anderen Menschen. Für mich ist der Arme, der Kranke, der Alleingelassene, jener, der leidet, ein Abbild Christi (…). Wenn wir ihn mit solchen Augen betrachten, anstatt sich um seine äußere Erscheinung zu kümmern – schmutzig, voller Parasiten und Wunden – , wird er für uns kein Ärgernis sein, weil er den leidenden Christus personifiziert.“
1979 begegnete Schwester Dulce Mutter Teresa von Calcutta, der Gründerin der Missionarinnen und Missionare der Nächstenliebe, mit der sie viel gemeinsam hatte. So zum Beispiel waren beide Anwärterinnen für den Friedensnobelpreis, der dann letzten Endes nicht ihr, sondern Mutter Teresa zuerkannt wurde.
1981 wurde die Stiftung „Soziale Werke Schwester Dulce“ ins Leben gerufen. Im Jahr zuvor, anlässlich der ersten Apostolischen Reise von Papst Johannes Paul II. nach Brasilien, wurde Schwester Dulce von ihm in Privataudienz empfangen.
Am 8. Februar 1981 wurde aus der Herberge Sant’Antonio ein richtiggehendes Spital. Am gleichen Tag feierte man im Voraus das 50-jährige Professjubiläum von Schwester Dulce.
1990 verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, sodass Johannes Paul II. sie auf seiner zweiten Reise nach Brasilien am 20. Oktober 1991 persönlich im Spital besuchte. Schwester Dulce wurde anschließend wieder in den Konvent Sant’Antonio zurückgebracht, wo sie am Freitag den 13. März 1992 um 16.45 Uhr starb.
Ganz Brasilien trauerte, sodass sogar der Karneval und die Fußballmeisterschaft abgesagt wurden. Die feierliche Beisetzung fand, in Anwesenheit höchster Vertreter von Kirche und brasilianischem Staat, am 15. März 1992 um 17 Uhr in der Basílica Nossa Senhora da Conceição da Praia (Maria-Empfängnis-Basilika) in Salvador de Bahia statt und wurde im Fernsehen übertragen.
Der Leichnam von Schwester Dulce wurde nicht, wie von ihr gewünscht, auf dem Friedhof der Armen in Quinta dos Làzaros beigesetzt. Auf Anordnung der Behörden und mit Zustimmung ihrer Verwandten wurde als Grabstätte die Capela do Santo Cristo in der Basílica de Nuestra Señora de la Concepción gewählt, und zwar genau am Fuße des Altares.
Am 3. April 2009 erfolgte die Anerkennung der Heroizität ihrer Tugenden durch Papst Benedikt XVI. Die Seligsprechung fand am 22. Mai 2011 statt. Am 13. Oktober 2019 wurde Schwester Dulce von Papst Franziskus auf dem Petersplatz in Rom heiliggesprochen.