MARIA RAFOLS
(1781-1853)
GRÜNDERIN DES INSTITUTS DER
BARMH. SCHWESTERN
DER HL. ANNA
Selig: 16. Oktober 1994
Fest: 30. August
MARIA RAFOLS wurde am 5. November 1781 in Villafranca del Panadés (Barcelona), Spanien, in der Mühle von En Rovina, wo ihr Vater als Müller arbeitete, geboren und am 7. November auf den Namen Maria Josefa Rosa getauft. Sie war das sechste von zehn Kindern der Familie Cristóbal Rafols und Margarita Bruna Brugal, die in bescheidenen Verhältnissen lebten, aber fleißig und von solider christlicher Gesinnung waren. In diesem Umfeld lernte Maria ihre ersten Lektionen für das Leben: Strenge, Arbeitsamkeit und gegenseitige Hilfsbereitschaft. Fünf ihrer Geschwister starben bereits im Kindesalter. Im Mai 1783 übersiedelte die Familie nach La Bleda, einem Dörfchen in der Nähe von Villafranca, wo Maria am 27. Mai 1785 gefirmt wurde. In dieser tief christlichen Umgebung verbrachte sie ihre Kindheit. Als sie elf Jahre alt war, zog die Familie Rafols in das Nachbardorf Santa Margarita, wo die Kleine schon bald mit der harten Realität des Todes konfrontiert wurde. 1793 starb ihr kleiner Bruder Giuseppe. Anfang 1794 starben ein Bruder ihres Vaters und dessen Braut und am 10. Juli des Jahres verlor sie den Vater selbst.
Ihre Angehörigen schickten sie daraufhin, zweifellos ihrer besonderen Begabung wegen, in die von den Lehrerinnen der Gesellschaft Mariae geleitete Lehrerbildungsanstalt nach Barcelona. Dort schloss sie ihre Ausbildung ab und führte ein zurückgezogenes und von Nächstenliebe geprägtes Leben. So vorbereitet gesellte sie sich zu einer Gruppe von 12 jungen Frauen, die unter der Leitung des Priesters Juan Bonal, Kaplan des Spitals Santa Cruz in Barcelona, im Begriff waren, eine Gemeinschaft zu bilden, um sich in den Dienst der vom Spital aufgenommenen armen Menschen zu stellen: physisch und psychisch Kranke, verlassene Kinder und Bedürftige aller Art. Bonal und Rafols hatten begriffen, dass es für eine angemessene Pflege der Kranken gottgeweihter Personen bedurfte, die bereit waren, diesen im Geist des Glaubens und der Liebe beizustehen. Im September 1804 begab sich Bonal nach Saragossa, um im „Hospital Unserer Lieben Frau von der Gnade“ ein Arbeitsfeld aufzubauen. Am 28. Dezember des Jahres, mit gerade einmal 23 Jahren, stieß auch Maria Rafols mit elf weiteren jungen Frauen zu ihm.
Trotz ihres jugendlichen Alters wurde Rafols zur Leiterin der kleinen Frauengemeinschaft ernannt, die den Kern jener großen und mächtigen Kongregation bilden sollte, die nach ihrem Tod immer weitere Verbreitung fand. Schon vom ersten Tag, dem 1. Januar 1805, an, sah sich die kleine Gemeinschaft vor die überdimensionale Aufgabe gestellt, eine Umstrukturierung des Spitals vorzunehmen, wo Nachlässigkeit, Missbrauch und Chaos regierten; die Verschlagenheit einiger schlecht bezahlter Angestellter tat ein Übriges. An diesem Ort also sollte einer Form apostolischen Lebens der Weg bereitet werden, das noch in den Kinderschuhen steckte und von jenen, die im Spital das Sagen hatten, weder verstanden wurde noch gewünscht war. Mit Geduld, Fingerspitzengefühl und Nächstenliebe gegenüber ihren Mitschwestern gelang Rafols jedoch eine echte Neuordnung des Spitals, sodass ihr selbst die Führungskräfte vorsichtig ihre Anerkennung aussprachen. Die sog. „sitios de Zaragoza“ (berühmt-berüchtigte Stadtviertel) stellten die heroische Nächstenliebe von Rafols, speziell den Kranken, Waisen und Mittellosen gegenüber, auf eine ganz besondere Probe. Das Spital von Saragossa, einer Stadt mit 46.000 Einwohnern, zählte jährlich zwischen 6.000 und 8.000 Patienten.
In den Jahren 1808/09 wurde die Stadt von napoleonischen Truppen belagert. In dieser Situation erwies sich Maria, die eine Gruppe anführte, als von wahrhaft heroischer Nächstenliebe, die für die körperlich und psychisch Kranken, die Gefangenen und viele andere, die Hilfe benötigten, ihr Leben riskierte. Neun Schwestern starben in der Blüte ihres Lebens als Opfer ihrer Hingabe. Maria begab sich im wohl tragischsten Moment der Belagerung unter Einsatz ihres Lebens in das feindliche Lager, um den französischen General um Hilfe für die Verwundeten und Kranken zu bitten. Sie besuchte die Gefangenen, trat für sie ein und erreichte manchmal sogar deren Freilassung. Für all das verlieh ihr die Stadt Saragossa zum hundertsten Jahrestag der Belagerung den Titel „Heroin der Nächstenliebe“.
Nachdem die Belagerung Saragossas durch das napoleonische Heer überwunden war, in deren Verlauf das Spital am 4. August 1808 zerstört wurde, fanden Rafols und ihre Gefährtinnen im alten Rekonvaleszentenspital eine Anstellung. Das dort von der französischen Regierung eingesetzte Gremium beeinträchtigte die Arbeit der Gemeinschaft insofern, als sie deren Gründer Juan Bonal entfernte und Regeln einführte, die der Bischof von Santander, Miguel Suárez, abgefasst hatte. So trieben die Kriegsgeschehnisse nicht nur das Spital in den Ruin, sondern schränkten auch die Bewegungsfreiheit der aufstrebenden Kongregation ein. Wie es aber so oft auf den Wegen des Herrn geschieht, stärkte gerade diese Aussichtslosigkeit der Situation die Selbstachtung und Barmherzigkeit von Rafols und ihren Mitschwestern, die weiterhin in Beachtung der Regeln Bonals lebten, während sie nach außen und im Spitalsbetrieb den Anweisungen des Gremiums folgten.
In diesem Geist der Nächstenliebe führte Rafols die kleine Gemeinschaft bis zum 10. August 1812, als die neuen Konstitutionen in Kraft traten und eine neue Oberin gewählt wurde. Rafols gab die Leitung ab, um den Zusammenhalt der Gruppe zu gewährleisten, die aber trotzdem in eine echte Krise schlitterte. Einige Schwestern verließen die Gemeinschaft. Rafols übernahm nunmehr die Aufgaben einer Sakristanin und am 9. Juli 1813 jene einer „Inklusin“, woraufhin sie sich um verlassene Kinder und Waisen zu kümmern hatte. Diese Aufgabe erfüllte sie, ausgenommen die Zeit des Exils in Huesca, bis zu ihrem Tod. Gleichzeitig widmete sie sich der wachsenden Kongregation und focht ihre Kämpfe mit der „sitiada“, die keine neue Kongregation wollte, sondern lediglich eine einfache Gemeinschaft im Dienst des Spitals.
Maria kämpfte unermüdlich für die Konsolidierung und kirchliche Anerkennung der kleinen, hinter Spitalsmauern eingeschlossenen Gemeinschaft. Am 15. Juli 1824 erreichte sie schließlich die Approbation der Konstitutionen, wodurch die Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern der hl. Anna zu einer Kongregation diözesanen Rechts wurde. Am 16. Juli 1825 konnte sie gemeinsam mit ihren Schwestern die ersten offiziellen Gelübde ablegen. Rafols wurde nun neuerlich zur Leiterin ernannt, deren Funktion sie bis 1829 innehatte.
Wegen der politischen Unruhen während des ersten „Karlistenkrieges“, der Auseinandersetzungen um den spanischen Thron zwischen Don Carlos von Bourbon und Isabella II., mit ihren ideologischen und religiösen Implikationen, wurde Maria Rafols wie viele andere Vertreter des kirchlichen Lebens am 11. Mai 1834 verhaftet und von der Inquisition in den Kerker geworfen. Von der Justiz für unschuldig befunden, wurde sie schließlich in das Exil geschickt, weil die Politiker ihre Anwesenheit im „Hospital Unserer Lieben Frau von der Gnade“ in Saragossa nicht für angebracht hielten. Diesen Weg trat Maria am 11. Mai 1835 an, besser gesagt: sie begab sich in ein von ihr ausgesuchtes Spital nach Huesca, wo sie schon einmal auf Besuch gewesen war in der Absicht, ihre aufstrebende Kongregation auch dort einzuführen. Sie ertrug alles in Schweigen und ohne zu klagen, in völligem Einssein mit dem Kreuz Jesu. 1841 verlangte man ihre Rückkehr in das „Hospital Unserer Lieben Frau von der Gnade“ nach Saragossa, wo sie sich in ihrer typisch fürsorglichen Art gegenüber den Armen und Kranken neuerlich um die „Inkluse“ kümmerte.
Rafols stellte sich ganz in den Dienst der Spitalspatienten, und zwar in völliger Identifikation mit den Konstitutionen von 1824, wo es heißt: „Der Möglichkeit eingedenk, dass jeden Tag zu einer Stunde, wo man es am wenigsten erwartet, Jesus Christus in Gestalt eines Kranken das Zimmer betreten könnte, stehe auf jeder Station stets ein zusätzliches Bett bereit. Wenn ein Patient kommt, bringe man ihm Zuneigung, Aufmerksamkeit und Mitgefühl entgegen. Man biete ihm einen Sessel an, der entsprechend bereitgestellt sein muss, damit er sich ausruhen kann.“
In diesem Geist der Nächstenliebe und des Wohlwollens opferte sie ihr Leben zur Linderung menschliches Leides bis zu ihrem Tod, der sie am 30. August 1853, kurz vor ihrem 72. Lebensjahr und nach 49 Jahren als Barmherzige Schwester, in Saragossa ereilte. Sie starb im Ruf der Heiligkeit, der sich im Lauf der Zeit noch verstärkte.
Ihr Institut der Barmherzigen Schwestern der hl. Anna (Abb.) ist heute in 27 Ländern mit 287 Häusern vertreten, gekennzeichnet vom Charisma und vom beispielhaften Leben der Seligen Maria Rafols: allumfassende, heroische Nächstenliebe besonders gegenüber den Armen und Bedürftigen, auf diese Weise die Liebe des Vaters zu den Menschen bezeugend.
Das Grab von Maria Rafols befindet sich in der Kirche des Generalatshauses „Hermanas de la Caridad de Santa Ana“, calle M. Rafols, Nr. 13, Saragossa, Spanien.
Am 16. Oktober 1994 wurde Maria Rafols von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.
RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]
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