Andreas Resch: Maria Mercedes Prat


MARIA MERCEDES PRAT
(1880-1936)

ERZIEHERIN
DER GESELLSCHAFT DER HEILIGEN
THERESIA VON JESUS

SPANISCHE MÄRTYRERIN

Selig: 29. April 1990
Fest: 24. Juli

MARIA MERCEDES PRAT wurde am 6. März 1880 als erstes von vier Kindern des Juan Prat y Serra und der Theresia Prat y Bordoy in Barcelona, Spanien, geboren und am Tag darauf auf den Namen Mercedes getauft. Das genaue Datum der Firmung ist nicht bekannt. Ihre Kindheit verlebte Mercedes im Schoß einer barcelonischen Kaufmannsfamilie, die der Kirche auch einen Priester schenkte. Die Eltern wohnten im gotischen Viertel und wollten für ihre Kinder das Beste: eine religiöse und kulturell angemessene Erziehung. Sie vertrauten daher die Kleine schon bald dem Institut der Gesellschaft von der hl. Theresia von Jesus in Barcelona an.

Nach dem Tod des Vaters 1895 und der Mutter 1896 war für Mercedes von Anfang an die Verantwortung der Erstgeborenen das oberste Gebot. So begann sie im Alter von 16 Jahren ihr Apostolat, wobei sie sich großzügig ihren Nächsten widmete. In der Familie stand sie mit Rat und Tat ihren jüngeren Geschwistern zur Seite; in der Pfarre Pino war sie Mitglied der Erzbruderschaft der Unbefleckten Empfängnis und der Theresia von Jesus; im Institut half sie in der Sonntagsschule mit, wo sie lesen und schreiben lehrte sowie ihre Näh- und Malkenntnisse zur Verfügung stellte, nachdem sie sich in der Erzbruderschaft und im Institut in den Schönen Künsten spezialisiert hatte. Diese Erfahrungen in der Pastoral und beim Gebet bezeichneten den praktischen Teil ihrer religiösen Berufung, der sie gewissermaßen seit ihrer Kindheit verhaftet war. Mercedes war ein gutes, fröhliches Mädchen, das sich immer mehr zum Ordensleben hingezogen fühlte, auch wenn die familiären Umstände eine sofortige Entscheidung nicht zuließen.

Am 27. August 1904 konnte Mercedes schließlich in das Noviziat der Gesellschaft der hl. Theresia von Jesus in Tortosa eintreten. Die Einkleidung erfolgte am 1. März 1905, wobei sie ihrem Taufnamen noch den Zunamen „vom Herzen Jesu“ beifügte. Nach zwei Jahren Noviziat legte sie am 10. März 1907 die ersten Gelübde ab. Zunächst unterrichtete sie im Kolleg von Barcelona und wurde dann 1909 nach Madrid geschickt. Am 10. März 1910 legte sie die ewige Profess ab. Sie unterrichtete in der Folge an verschiedenen Kollegien der Gesellschaft in Barcelona und in San Celoni. 1915 wurde Mercedes zur Provinzkonsultorin ernannt und wechselte an das Noviziatshaus von „Jesús“ in Tortosa. Beim achten Provinzkapitel 1919 ernannte man sie zur zweiten Konsultorin und zur Sekretärin, bevor sie 1920 für das Mutterhaus in Barcelona bestimmt wurde, wo sie verschiedene Aufgaben wahrnahm. So arbeitete sie an der pädagogischen Zeitschrift Jesús Maestro mit, wo sie den künstlerischen Teil betreute, der sich mit Frauenarbeiten befasste. Außerdem fungierte sie als Vizesuperiorin der Gemeinschaft sowie als Sekretariatsgehilfin des Generalsuperiors und wurde mit der Jugendarbeit betraut.

In allen Arbeiten zeichnete sie sich durch Loyalität gegenüber ihren Vorgesetzten und durch besondere Hilfsbereitschaft ihren Mitschwestern gegenüber aus, gepaart mit einem hohen Maß an Bedachtsamkeit. Dafür wurde sie von allen geliebt und geschätzt, besonders für ihre Treue zum Charisma des Seligen Heinrich de Ossó, für die unbeschwerte Observanz der Ordensregel, die innere Harmonie, das Gebetsleben, die selbstverständliche Ausführung auch niedrigster Pflichten und ihre ganze Hingabe. Gleichzeitig war ihre Persönlichkeit weder durch Mittelmäßigkeit noch durch Überraschungen geprägt. Sie gehörte zu jener Kategorie von Personen, die einem fehlen, wenn sie nicht mehr da sind. Bei Mercedes harmonierten die menschlichen Eigenschaften der Reife, Kompetenz und Verantwortung dermaßen, dass ihre Handlungen von Schlichtheit, Diskretion, Sachlichkeit und Ausgeglichenheit gekennzeichnet waren.

Dieses Leben der Hingabe und der persönlichen Unbeschwertheit war nur von kurzer Dauer. Die Unruhe in den ersten Tagen des Bürgerkrieges, der am 18. Juli 1936 ausbrach, machte sich in Häusern und Kirchen bemerkbar und die Abfolge der Ereignisse ließ das Schlimmste befürchten. Mercedes wurde von der Revolution in San Gervaso di Barcelona überrascht. Die Schwestern im Mutterhaus waren gezwungen, die Gemeinschaft zu verlassen, sich in kleine Gruppen aufzuteilen und bei Familienangehörigen und Bekannten Unterschlupf zu suchen. Mercedes flüchtete mit einigen Gefährtinnen zunächst in den Turm des Herrn Abel, bis sie am 22. Juli im Frauenhaus Ester Sagrera Aufnahme fand. Am Morgen des 23. Juli machten sich Sr. Mercedes und Sr. Joachima Miguel, eine Portugiesin, den Anweisungen der Oberin folgend, auf den Weg zu Mercedes’ Schwester, Theresia Prat, die am anderen Ende der Stadt wohnte. Mercedes gehorchte der Superiorin, wenngleich sie überzeugt war, dass sie aufgrund der Entfernung und wegen der Revolutionäre, welche die Straßen kontrollierten, nicht unbehelligt an ihr Ziel gelangen würde. Tatsächlich wurden sie auf dem Weg dorthin zwar als Ordensschwestern erkannt, anfangs aber nur ausgelacht. Zwei Stunden später wurden sie von einem bewaffneten Mann in Begleitung einiger Burschen angehalten und nach ihrer Identität befragt. Sr. Mercedes bekannte in aller Offenheit: „Ich bin Ordensschwester und Lehrerin.“ Diese Aussage führte zu einem leidvollen Tag, an dessen Ende der Tod stand, wie aus dem detaillierten Bericht ihrer Gefährtin, Sr. Miguel, hervorgeht:

„Der Anführer der Truppe brachte uns an einen Ort, wo viele bewaffnete Männer waren. Bevor sie uns eintreten hießen, simulierten sie eine Erschießung, dann führten sie uns in einen offenen Hof.“ Dort befanden sich ein junger Mann, zwei Franziskanerinnen und eine blutjunge Witwe, die festgehalten wurde, weil sie in ihrem Haus Ordensleute beherbergt hatte.

„Sie durchsuchten uns und brachten uns dann in einen Raum, der als Kerker diente. Dort waren Waffen und Munition gelagert, wovon uns die Roten ein paar Hände voll in das Gesicht schleuderten. Da sie ständig kamen und gingen, erlebten wir schreckliche Momente. Einmal legten sie die Gewehre auf uns an, ein andermal drohten sie uns, den Schädel einzuschlagen, dann wiederum nahmen sie uns in die Zange, dass wir kaum Luft bekamen.“ Weil die Gefangenen im Gebet nicht müde wurden, bedrohte man sie mit Waffen und den Worten: „Ach, ihr betet? … Gut, wenn ihr so weitermacht, schieben wir euch das Bajonett ins Maul! Ihr seid gewarnt!“ Obwohl sich in dem Haus nur ein Ehepaar befand, das auf die Gefangenen aufpassen sollte, waren sich die beiden Schwestern sicher, dass „es nicht mehr lange dauern würde, bis sie Gott schauten“. Gegen Abend mussten sie auf einen Lastwagen steigen, der sie schnellstens in ein Lager bringen sollte. In einer Kurve hielt der Wagen.

„Wenn ich an diesen tragischen Tag zurückdenke, an dem man auf uns geschossen hat, fällt mir immer wieder ein, wie Sr. Mercedes gesagt hat: ,Sr. Joachima, sie werden uns erschießen, weil wir Ordensschwestern sind. Vergeben wir denen, die es tun werden, indem wir das Vaterunser beten. Vergeben wir ihnen aus ganzem Herzen!‘ Und wir beteten den Rosenkranz und immer wieder das Vaterunser.“ Dann schossen die Soldaten.

„Mutter Mercedes Prat wurde in den Rücken getroffen, sie hat furchtbar gelitten und geschrien und wenn sie atmete, kam aus dem Rücken so ein Rasseln und aus ihrem Mund floss etwas Weißes, aber sie hat immer weiter den Rosenkranz gebetet. Ich sagte, sie solle nicht so laut beten und nicht so laut schreien, sonst würden die Männer zurückkommen und uns umbringen. Sie sagte, das sei egal. Als sie uns angeschossen haben, war es etwa sechs Uhr abends, also noch Tag. Sie harrte in ihrem Schmerz vielleicht vier oder fünf Stunden aus. Dann kam ein kleines Auto auf uns zu und als der Fahrer sah, dass Mutter Mercedes so furchtbar litt und schrie, schoss er noch einmal auf sie. Mutter Mercedes lebte immer noch und hat noch eine Weile so weitergelitten. Während dieser Zeit haben wir beide gebetet und am Ende dann das Vaterunser gesprochen. Und als ich merkte, dass sie im Sterben lag, habe ich Stoßgebete gesprochen. Ich erinnere mich, dass ich mehrmals ,Jesus, Joseph und Maria‘ wiederholt habe. Und sie – wann immer sie beten konnte, hat sie das getan. Immer und immer wieder. Die Schreie, die sie ausstieß, waren Ausdruck ihrer Schmerzen, nicht der Verzweiflung. Ich habe auch nicht bemerkt, dass sie irgendjemandem irgendetwas nachgetragen hätte. Sie hat auch über niemanden schlecht gesprochen, sondern nur gebetet. Seit man uns angeschossen hatte, kam nicht ein Wort über ihre Lippen, das nicht ein Gebet gewesen wäre. Sie betete, solange sie konnte. Auch sie hat gesagt: ,Jesus, Joseph und Maria‘.“

Nach diesen leidvollen Stunden starb Sr. Maria Mercedes am frühen Morgen des 24. Juli 1936. Sr. Joachima, die ebenfalls verletzt war, aber nicht lebensgefährlich, schloss ihr die Augen. „Sie sah aus wie ein Schmerzensengel“, sagte sie später.

Das Grab von Maria befindet sich heute im Mutterhaus der Schwestern der Gesellschaft von der hl. Theresia von Jesus, Ganduxer, 85-105, Barcelona, Spanien.

Am 29. April 1990 wurde Maria Mercedes Prat von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1986 – 1990. Innsbruck: Resch, 2005 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 2). XIII, 298 S., 69 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-076-X, Ln, EUR 25.70 [D], 26.52 [A]

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