Andreas Resch: Maria Karlowska


MARIA KARŁOWSKA
(1865-1935)

GRÜNDERIN
DES INSTITUTS DER
SCHWESTERN
VOM GUTEN HIRTEN
DER GÖTTLICHEN VORSEHUNG

Selig: 6. Juni 1997
Fest: 24. März

MARIA KARŁOWSKA wurde am 4. September 1865 als elftes Kind von Mateusz Karłowski und Eugenie Dembińska, die ihrer vornehmen Abstammung und ihres Einsatzes für die Kirche wegen hoch geschätzt waren, in Słupówka (heute Karłowo) bei Poznań in Polen geboren. Bei der Taufe erhielt sie den Namen Maria. Nach dem Verkauf des Familienbesitzes wohnte Maria bei ihren Eltern in Poznań, wo sie an der katholischen höheren Mädchenschule zu studieren begann. Nach dem Tod von Vater und Mutter – beide starben 1882 – machte sie das Gelübde, für immer in Keuschheit zu leben. Von den Verwandten in die Schneiderlehre geschickt, besuchte sie ein Jahr lang einen Kurs in Berlin. Nach Abschluss der Ausbildung arbeitete sie in der Schneiderei ihrer älteren Schwester Wanda in Poznań, wo sie die neu eingestellten Mädchen ausbildete.

Erzogen von Eltern, die das Leben einer vornehmen – wenn auch inzwischen dekadenten – Familie gewohnt waren, hatte Maria, als sie die Armen und Kranken in ihren desolaten Quartieren in der Stadt aufsuchte und Einblick in die verworrenen Familiensituationen erhielt, keinerlei Vorstellung von den moralischen Nöten der Frauen, die die Prostitution als Beruf ausübten. Es war ein innerer Auftrag, der sie gerade an jene Orten führte, wo materielle Armut und Prostitution Hand in Hand gingen.

1891 trat sie der Skapulierbruderschaft des Karmelordens bei und engagierte sich neben ihrer beruflichen Tätigkeit weiterhin in der Pastoral und der Sozialarbeit in den Arbeitervierteln. 1892 begegnete sie zum ersten Mal einer Prostituierten, was sich entscheidend auf ihre seelsorgliche Berufung auswirkte. Die Prostitution war damals von den staatlichen Behörden geduldet. Die betreffenden Personen waren im „Sittendezernat“ registriert und mussten sich regelmäßig medizinischen Kontrollen unterziehen, um der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten vorzubeugen. Maria, die einen inneren Drang verspürte, diese Frauen zu retten, begab sich sogar in die einschlägigen Geheimquartiere, nach denen von der Polizei gefahndet wurde, und in die Frauenabteilungen für Geschlechtskrankheiten des öffentlichen Krankenhauses. Dort ermunterte sie die Frauen, die Prostitution aufzugeben, und bereitete sie auf den Empfang der Sakramente vor. Als diese in Maria eine wohlwollende Person erkannten, schütteten sie ihr das Herz aus. So kam es auch vor, dass sie von sich aus um Hilfe baten, um wieder auf den rechten Weg zu kommen.

Nach eineinhalb Jahren Apostolat vor den Toren der Paläste, in den Höfen und im Sommer auf dem Friedhof sah sich die junge Adelige aufgrund allgemeiner Missbilligung gezwungen, ihre Aktivitäten im Verborgenen auszuüben. Da sie sogar von ihren Verwandten abgelehnt wurde, die ihre Sorge um die Prostituierten als ehrenrührig betrachteten, eröffnete sie am 19. März 1894 in Poznań das sogenannte Haus des Guten Hirten zur Aufnahme der betroffenen Mädchen, um ihnen bei der Lebensbewältigung zu helfen. Den Unterhalt für ihre Schützlinge bestritt sie aus Heimarbeit. Die Frauen aber, die das Arbeiten nicht gewohnt waren, schafften es nicht, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Selbst in dieser Situation wurde Marias absolutes Vertrauen in die Göttliche Vorsehung nicht enttäuscht. Die Gräfin Anela Potulicka kaufte für das Haus des Guten Hirten ein Grundstück im Dorf Winiary in der Nähe von Poznań. Nach der Übersiedlung des Instituts nach Winiary am 16. Juli 1895 versuchte Maria, ihr frisch begonnenes Werk unter den Schutz von Kongregationen zu stellen, die schon seit längerem an der Wiedereingliederung von Prostituierten arbeiteten. Ihre diesbezüglichen Bemühungen bei den Barmherzigen Schwestern von Laval (Frankreich) und den Schwestern vom Guten Hirten in Angers blieben jedoch erfolglos. Maria trug sich sogar mit dem Gedanken, bei eben jenen Schwestern beizutreten, um ihnen den Weg zur Gründung eines Hauses in Poznań zu ebnen. Als dieser Versuch fehlschlug, stand sie vor der Notwendigkeit, eine neue Kongregation zu gründen.

In der Zwischenzeit hatte Maria für ihre apostolische Arbeit einige Helferinnen gewonnen. Um deren Stand auf Dauer zu konsolidieren, legte sie im Statut vom 1. Januar 1896 die Strukturen des Instituts als religiöse Kongregation fest und erklärte den Guten Hirten zu dessen Patron. Am 8. September desselben Jahres nahm sie mit Zustimmung des Bischofs und der staatlichen Behörden gemeinsam mit zwei Mitarbeiterinnen das Ordenskleid und bekleidete von da an das Amt der Oberin.

Der Hauptzweck der Kongregation liegt gemäß Konstitutionen darin, mit allen Kräften für das Heil der Seelen zu arbeiten und sich auf diese Weise ständig mit dem Guten Hirten zu identifizieren, um zur Heiligkeit zu gelangen. Nach Maria „besteht die Heiligkeit in der Verrichtung der gewöhnlichen Dinge auf außergewöhnliche Weise, mit Umsicht und Hingabe…. Eine solche Heiligkeit ist verborgen und nur den Augen Gottes sichtbar.“ Zu den Mitschwestern sagte sie: „Die Heiligkeit ist eine Kette, deren Glieder Tugend heißen, und der Bruch eines einzigen Gliedes birgt die Gefahr, die ganze Kette zu verlieren.“

Mutter Maria selbst bestach durch Intelligenz, Tugend, Initiative und besaß die charismatische Gabe der Seelenführung. Intuitiv erkannte sie, was zu tun war, um die Mädchen wieder auf den rechten Weg zu bringen. War eine besonnene Haltung geboten, ließ sich Maria von Güte und Gelassenheit leiten. Musste hingegen Flagge gezeigt werden, so zögerte sie nicht, mit harten und entschiedenen Worten Gehorsam einzufordern. Die von ihr ausströmende Ruhe und Abgeklärtheit, das Verständnis für den jeweiligen Gemütszustand der betroffenen Frauen, gepaart mit einem gerüttelt Maß an Entschlossenheit, veranlasste die Umsorgten, ganz auf Mutter Maria zu vertrauen. Hatte sie sich erst einmal in die Psyche der Mädchen hineinversetzt, so war ihr klar, wie sehr eine jede von ihnen mit der eigenen entehrten Natur zu kämpfen hatte. Daher umgab Maria sie mit sanftem Wohlwollen, indem sie die Ausbrüche der verschiedenen Temperamente geduldig ertrug und den impulsiven und ungestümen Charakteren ihre Güte entgegensetzte.

In ihrem Umerziehungsprogramm stand an erster Stelle, neben der Arbeit, die Katechese. Es galt daher zunächst, das grundsätzliche Vorurteil der jungen Frauen körperlicher Arbeit gegenüber zu überwinden, um dann schlummernde Talente freizulegen, Interessen zu wecken und eine Beschäftigung zu bieten, die den jeweiligen natürlichen Fähigkeiten entsprach. Diese von Mutter Karłowska und ihren Schwestern geleisteten Reintegrationsbemühungen erhielten sogar die Zustimmung der preußischen Behörden. So kam es vor, dass die Polizei Mädchen, welche die vereinbarten Regeln verletzten oder ständige Verbindung zur Welt der Kriminalität pflegten, eigenhändig zum Haus des Guten Hirten brachte.

Niemals wurde den Zöglingen ihre Vergangenheit in Erinnerung gerufen. Im Anschluss an das Beichtgespräch versuchten die Schwestern, vorsichtig Vertrauen zu schenken, und hatten dabei oft genug Gelegenheit zu erfahren, was das Vertrauen auf den guten Willen der Schützlinge bei diesen bewirkte. In der Regel verließen die Frauen das Haus des Guten Hirten nach einigen Jahren, gründeten eine Familie und entwickelten sich nicht selten zu beispielhaften Müttern. Es kam aber auch vor, dass eine Geläuterte für immer im Haus verblieb, wo sie sich in häuslichen Belangen als echte Hilfe erwies. Oft fungierten die Schwestern für die jungen Mädchen auch als Lehrerinnen.

Am 20. Juni 1902 legte Maria als Maria vom Gekreuzigten Jesus in die Hände ihres Beichtvaters die ewigen Gelübde ab, wobei sie den drei traditionellen Gelübden noch jenes der persönlichen Hingabe für die Bekehrung der Prostituierten hinzufügte. Im gleichen Jahr gründete sie in Winiary eine bescheidene Erziehungsanstalt für Knaben, die jedoch mangels Erziehern nach einem Jahr wieder geschlossen wurde.

Neben der seelsorglichen und der häuslichen Arbeit mit ihren Schützlingen gab sich Maria als Gründerin und Oberin große Mühe, um der neuen Kongregation eine spezifische Prägung zu verleihen. Aus diesem Grund legten die Schwestern ein viertes Gelübde ab, nämlich das Gelübde zur Bekehrung der Seelen. 1909 gab Mutter Maria der Gemeinschaft den Namen Kongregation der Schwestern vom Guten Hirten der Göttlichen Vorsehung (Abb.), die am 19. März 1918 vom Erzbischof von Gnesen und Poznań, Edmund Dalbor, approbiert wurde. Neben einem beispielhaften arbeitsamen Leben sorgte sie für die Ausbildung auch der künftigen Schwestern, indem sie eine Reihe von Schriften hinterließ, von denen folgende genannt seien: Die Arbeit (1897), Die Fundamente des religiösen Lebens (1899), Geistliche Exerzitien für Novizinnen (1902), Geistliches Direktorium (1904), Über den Geist der Schwestern vom Guten Hirten in ihrer apostolischen Berufung (1910), Meditationen für die Zeit der Exerzitien und Gebetbuch (1925).

Bald darauf eröffnete sie neue Häuser mit apostolischer und missionarischer Ausrichtung in Lublin, Toruń und Kódź. Auf ihre Initiative entstand eine Niederlassung in Topolno und mit dem Anwachsen der Kongregation wurde noch ein weiteres Haus in Pniewite eröffnet. In Polen erfuhr die Tätigkeit von Mutter Maria Karłowska von Seiten der Öffentlichkeit große Anerkennung. Davon zeugt das Goldene Verdienstkreuz von 1928. Sie erhielt jedoch keinerlei finanzielle Unterstützung. Ihre Umerziehungshäuser hielt sie daher rein durch die Arbeit der Schwestern und ihrer Schützlinge aufrecht. 1933 verwirklichte sie noch ein lange gehegtes Projekt, nämlich die Eröffnung einer zweijährigen Schule für Mädchen in Jabłonowo.

Mutter Maria starb am 24. März 1935 im Konvent von Pniewite im Ruf der Heiligkeit. Der Leichnam wurde nach Jabłonowo Pomorskie überführt und ruht dort in der Krypta unter der Kapelle des Generalatshauses, Siostry Pasterki, Zamek 19, Jabłonowo Pomorskie, Polen.

Am 6. Juni 1997 wurde Maria Karłowska von Papst Johannes Paul II. in Zakopane, Polen, seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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