Andreas Resch: Maria Gabriela Sagheddu

MARIA GABRIELA SAGHEDDHU
(MARIA VOM KREUZ)
(1914-1939)

PROFESS-NONNE
DES ORDENS
DER REFORMIERTEN
ZISTERZIENSERINNEN (TRAPPISTINNEN)

Selig: 25. Januar 1983
Fest: 23. April

MARIA GABRIELA SAGHEDDU (Maria vom Kreuz) wurde am 17. März 1914 als Tochter des Hirten MarcAnton Sagheddu und der Katherina Cucca in Dorgali, Sardinien, Italien, geboren. Sie war das fünfte von acht Kindern einer in bescheidenen Verhältnissen lebenden, aber tief gläubigen Familie. Bei ihrer Taufe am 22. März 1914 erhielt sie den Namen Maria.

Mit fünf Jahren verlor sie den Vater und wurde fortan von der Mutter zu einem soliden christlichen Leben erzogen. Als Kind unterschied sich Maria nicht von ihren Altersgenossinnen. Sie besuchte die örtliche Schule. Mit etwa zehn Jahren ging sie zur Erstkommunion und am 31. Mai 1931 wurde sie gefirmt. Von leutseligem Charakter, willensstark, manchmal rebellisch, aufbrausend und rechthaberisch, blieb sie in ihrer Jugend religiösen Praktiken gegenüber eher gleichgültig. Mit 15 Jahren zeigte sich eine erste Änderung in ihrem Verhalten, sie wurde ernster und nachdenklicher. Mit 18 Jahren kam es zur radikalen Wende. Der Tod einer Schwester, die nicht viel jünger war als sie, bewirkte eine innere Umkehr und leitete unweigerlich den Beginn einer tief greifenden spirituellen Wandlung ein. Der Glaube wurde zur Triebfeder ihres Lebens, ja das Leben schlechthin. Die augenscheinlichsten Zeichen dafür waren privates und öffentliches Gebet sowie tätige Nächstenliebe. In der Pfarre schrieb sie sich bei der weiblichen Jugend der Katholischen Aktion ein, wobei sie sich mit Loyalität und Überzeugung engagierte und die Aufgabe einer Katechetin übernahm.

Sie vertraute sich der geistlichen Führung des Priesters und damaligen Pfarrvikars von Dorgali, Basilio Meoni, an. Als Gottsucherin fand sie in der Eucharistie und im Gebet die tägliche Nahrung für ihr geistiges Leben. Mit 21 Jahren reifte in ihr der Wunsch, sich endgültig Gott zu weihen. Ihr Spiritual verwies sie an das Kloster der Trappistinnen in Grottaferrata, bei denen bereits ihre Freundin, ebenfalls aus Dorgali, eingetreten war. Maria, die zu ihrem Beichtvater gesagt hatte: „Schicken Sie mich, wohin Sie möchten!“, nahm diesen Hinweis dankbar an.
Die Aufnahme in das Kloster von Grottaferrata erfolgte am 30. September 1935. Dort erwies sie sich als gelehrige Schülerin zweier außergewöhnlicher Ordensfrauen, der Äbtissin Maria Pia Gullini und der sanftmütigen und engelsgleichen Novizenmeisterin Tecla Fontana. Mit Freude folgte sie der Regel der Trappistinnen, die strengste Klausur, rigoroses Schweigen, harte Arbeit und eine dem klösterlichen Ideal entsprechende Strenge des Lebens gebot: den Schwestern die Vergänglichkeit des Äußeren vor Augen führen, sie befähigen, das Wort zu hören und über die innere Läuterung das Wirken des Heiligen Geistes in sich aufzunehmen.

Am 13. April 1936 erhielt sie zusammen mit ihrem Ordenskleid den Namen Sr. Maria Gabriela. Die neue Erfahrung im Kloster machte sie in gütigem Glauben, getragen von dem tiefen Wunsch, gesund und sicher zu den Gelübden zu gelangen. Daher hatte sie zum Herrn gebetet: „Alles, mein Jesus, auch tausend Qualen, aber von hier weggehen – niemals!“ Bei Beendigung des Noviziats am 31. Oktober 1937, am Christkönigsfest, war es ihr gestattet, die Gelübde abzulegen und sich dem Herrn zu weihen. Am gleichen Tag verfasste sie folgendes Gebet: „0 Jesus, verzehre mich mit einer kleinen Hostie der Liebe zu Deiner Verherrlichung und zur Rettung der Seelen“.

Auf ihrem Weg, die Einheit mit Christus zu erlangen, kannte sie keinen Halt. Ihr Leben war von zwei wesentlichen Bestrebungen geprägt. Die erste und sichtbarere: Dankbarkeit gegenüber Gott für seine Liebe, mit der er sie privilegiert hatte. Die zweite war der Wunsch, dem Herrn mit allen Kräften zu dienen, damit sich in ihr all das erfülle, was Er begonnen hatte, wobei sie sich in vollkommene Hingabe an ihn versenkte: „Mach jetzt, was Du willst, es ist nicht wichtig! Ich bin zu allem bereit. Auch schwindsüchtig zu werden, wenngleich bei mir zu Hause niemand diese Krankheit hat. Auch an Schwindsucht zu sterben, bin ich bereit“.

Die Gelegenheit, bei der sie der Herr beim Wort nahm, ließ nicht lange auf sich warten. Alljährlich wurde im Kloster von Grottaferrata mit besonderem Einsatz die Gebetswoche für die Einheit der Christen gefeiert. Diese Woche des allgemeinen Gebets, die auf eine Idee von Abt Couturier (+ 1953) zurückging, war seit 1936 vom damaligen Erzbischof von Lyon, Kardinal Pierre Ger-her, besonders gefördert worden. Der Leitgedanke dabei waren die spirituelle ökumenische Bewegung und damit die Bekehrung des Herzens, die Heiligung des Lebens, das öffentliche und private Gebet, auf dass die Abspaltungen ein Ende haben sollten. Die Äbtissin des Klosters von Grottaferrata, die Italienerin Maria Pia Gullini, die ihre Ausbildung allerdings im Geist der Buße und Versöhnung in Frankreich erhalten hatte, stand mit Couturier in brieflichem Kontakt und hatte den Anstoß zu dieser Gebetswoche freudig aufgenommen. So legte sie im Januar 1937 beim Herannahen der Oktav (18 – 25. Januar) das erhabene Ziel dieses Gebets zur Einheit der Christen auch ihren Schwestern ans Herz. Eine davon, Mutter Immacolata Salvini, bot dafür ihr Leben – sie starb im Februar desselben Jahres.

Im Januar 1938 erläuterte die Äbtissin dem Klosterkapitel erneut den Aufruf von Abt Couturier, indem sie einige Textstellen aus seinem Brief vorlas, die im Herzen von Sr. Maria starken Widerhall fanden. So war da unter anderem zu lesen: „Ohne die Augen willentlich vor den Unterschieden zu verschließen, um zu einem Synkretismus zu gelangen, der jeden wahren Glauben zerstört, suchen wir vor allem das hervorzuheben, was uns näher bringt“.

Maria Gabriela, mittlerweile Profess-Schwester im Kloster und Zeugin der Opferbereitschaft von Mutter Immacolata, bot sich nunmehr selbst an und vermerkte in ihrem Notizbuch: „Ich hab‘ es nie mit ansehen können, wenn jemand ein Opfer bringt, ohne nicht auch selbst den Wunsch zu haben, dies zu tun“.

Mutter Tecla Fontana schrieb dazu die Chronik: „Im Januar 1938, anlässlich der Oktav der Einheit, trifft ein neuer Bericht von Pater Couturier ein. Darin ist mehrmals die Rede davon, wie jemand sein Leben für diesen Zweck geopfert hat… Damals vertraute mir Sr. Gabriela an, was der Herr von ihr verlangte: Auch sie wollte das Leben hingeben für die Einheit der Kirche. Dieses Argument konnte mich nicht gleichgültig lassen. Ich scheute mich nicht, ihr meine Erlaubnis zu geben, sagte ihr aber, dass sie mit der ehrwürdigen Mutter Äbtissin sprechen müsse und nach ihrem Beschluss zu handeln habe. Also begab sie sich zur Mutter Äbtissin, und als diese sie so demütig und gütig vor sich knien sah, inständig darum bittend, ihr Leben für die Einheit der Kirche hingeben zu dürfen… , erwiderte die Äbtissin mit bewusst ärgerlicher Stimme: ,Ich sage weder ja noch nein. Sprechen Sie mit dem Hauskaplan! Der Herr wird dann schon machen, was er für richtig hält‘. Nach diesem Gespräch strahlte Sr. Gabriela vor Freude; sie bat den Hauskaplan um seinen Rat, und das Angebot galt. Die Symptome der Krankheit, die der Herr als Opfer akzeptierte, ließen nicht auf sich warten. Hatte Sr. Gabriela nicht gesagt: ,Ich bin zu allem bereit, auch schwindsüchtig zu werden?‘ „

Noch am selben Tag, da das Angebot gemacht wurde, wurde sie, die bis dahin kerngesund gewesen war, von der Krankheit heimgesucht. Die Lungentuberkulose zehrte sie in langen Monaten ununterbrochenen Leidens langsam auf, ohne dass sie ihr Wort, das sie gegeben hatte, jemals zurückgezogen hätte: „Wie gut der Herr doch ist!“, schrieb sie an ihre Mutter. Ich bin so glücklich, und das kann mir niemand nehmen. Wenn es schon schön ist, im Haus des Herrn zu leben, so ist es genauso schön, zu sterben“.

Maria Gabriela£agheddu starb am 23. April 1939 um 17.30 Uhr, nachdem sie die Beichte abgelegt, die Kommunion und die Krankensalbung empfangen hatte, im Alter von 25 Jahren im Kloster der Trappistinnen von Grottaferrata. Ihr Opfer rief Bewunderung und Einheit im Gebet auch bei den getrennten Brüdern hervor, von denen einige besonders eifrig die Seligsprechung verlangten.

Bei der Identifizierung des Leichnams 1957 wurde dieser völlig unversehrt vorgefunden. Er ist in einer Seitenkapelle des Trappistinnenklosters in Vitorchiano begraben, wohin die Trappistinnen 1957 übersiedelt waren. Das Grab mit der Inschrift „Sie hat ihr Leben hingegeben für die Einheit der Kirche“ ist Ziel von Besuchern aus aller Welt, im Besonderen der ökumenischen Bewegung, deren Patronin sie ist.

Am 25. Januar 1983 wurde Maria Gabriela Sagheddu von Papst Johannes Paul II. in der Basilika S. Paul fuori le mura seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at