Andreas Resch: Maria Eugenia von Jesus Milleret de Brou

MARIA EUGENIA
VON JESUS

MILLERET DE BROU
(1817-1898)

GRÜNDERIN DER SCHWESTERN
VON DER HIMMELFAHRT
(ASSUMPTIO-NISTINNEN)

Heilig: 3. Juni 2007 
Fest: 10. März

MARIA EUGENIA VON JESUS (Anne-Eugénie) MILLERET DE BROU wurde am 26. August 1817 in Metz, Frankreich, als Tochter einer wohlhabenden Familie geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie im Schoß der Familie im Palais de Milleret de Brou und auf Schloss Preisch in Lothringen nahe der luxemburgischen und deutschen Grenze. Ihr Vater, ein reicher Bankier und Anhänger Voltaires, interessierte sich mehr für Politik als für die Familie. Die Mutter, eine feinfühlige, dem Religiösen aber gleichermaßen fernstehende Frau, erzog die kleine Anne Eugénie zu einem hohen Pflichtbewusstsein in sozialen Fragen und zur Offenheit weltlichen Dingen gegenüber. Bei dieser Art von Erziehung, ohne Kirche, ohne Christus und ohne Schule, gewöhnte sich das Mädchen an ein hohes Maß an Freiheit und Verantwortung mit einer rein formellen religiösen Praxis. So besuchte sie an Festtagen, wie es Brauch der vornehmen Gesellschaft war, die Messe.

Anne Eugénie war ein sehr intelligentes und sensibles Mädchen. Als sie im Alter von 12 Jahren zu Weihnachten 1829 in der Kirche Ste-Ségolène in Metz die Erstkommunion empfing, hatte sie ein mystisches Begegnungserlebnis mit Christus, das sie tief beeindruckte. Sie vernahm eine innere Stimme, die zu ihr sagte: „Eines Tages wirst du alles verlassen, um dieser Kirche, die du nicht kennst, zu dienen.“ Dabei verspürte sie die Belanglosigkeit all dessen, was ihr bisher wichtig erschienen war: „Meine Augen verschlossen sich allem, was sie bisher gesehen hatten, um sich einzig jenem zu öffnen, der mir alles war.“ In den darauf folgenden Wirren des familiären Geschehens verlor diese tiefe religiöse Erfahrung jedoch zusehends an Bedeutung.

Nach 1830 ging der Vater in Konkurs und musste seine Besitzungen von Preisch und Metz verkaufen. 1831 trennten sich die Eltern. Anne musste das Haus ihrer Jugend verlassen und zog mit ihrer Mutter nach Paris, während ihr Lieblingsbruder beim Vater blieb. Paris wurde 1832 von einer schweren Choleraepidemie heimgesucht, der auch Annes Mutter zum Opfer fiel. Anne fand nun Aufnahme bei einer reichen befreundeten Familie in Chȃlon. Die inzwischen 17-Jährige war völlig ratlos und erlebte eine große Einsamkeit inmitten einer frivolen und oberflächlichen Gesellschaft. „Ich verbrachte so manches Jahr mit der Frage über die Grundlagen und die Wirkung des Glaubens, den ich nie verstanden habe… Meine Unwissenheit von der Lehre und der Verkündigung der Kirche war unglaublich, obwohl ich wie die anderen im Glauben unterwiesen wurde.“

Da rief sie der Vater zu sich nach Paris und übergab sie der Obhut seiner katholischen Kusinen, mit deren Art von Frömmigkeit sie jedoch wenig anzufangen wusste. Sie wollte leben wie andere junge Leute ihres Alters auch und eventuell heiraten, lehnte aber alle Bewerber ab. Während der Fastenzeit 1836 luden sie die Kusinen eines Tages zu den Fastenpredigten in der Kathedrale von Notre Dame ein, um die Predigten des berühmten Dominikaners Dominikus Lacordaire zu hören. Dieser verstand es, auch die Jungend anzusprechen. Anne Eugénie erkannte mit einem Mal Christus als den universalen Befreier, dessen Reich sich auf Erden in einer brüderlichen und gerechten Gemeinschaft verwirklicht. „Ich war tatsächlich bekehrt und hatte den Vorsatz gemacht, meine ganzen Kräfte oder besser: meine ganze Schwäche dieser Kirche zu weihen, die in meinen Augen hier unten allein das Geheimnis und die Kraft des Guten besaß.“

Im März 1837 hörte sie in Saint-Sulpice die Predigten von P. Théodore Combalot, den sie zu ihrem Beichtvater kürte. Dieser erblickte in ihr sogleich eine außergewöhnlich fähige Person und erwählte sie zur Gründerin einer Kongregation für die Erziehung der Mädchen aus der Oberschicht, die zumeist areligiös waren. P. Combalot war überzeugt davon, dass man den Intellektuellen das Evangelium nur über die Erziehung verkünden konnte, um so die Familien zu christianisieren und die Gesellschaft zu transformieren. Anne Eugénie nahm diesen Plan nach einigem Zögern als den Willen Gottes an und ließ sich von P. Combalot leiten und bilden. Dieser schickte sie zur Vorbereitung auf die Ordensgründung zu den Visitandinnen von La Cȏte Saint-André (Isère), wo sie mit der Spiritualität des hl. Franz von Sales vertraut gemacht wurde. Im Oktober 1838 traf sie Emmanuel d’Alzon, der 1845 die „Augustiner von der Aufnahme Mariens“ (Assumptionisten) gründete und mit dem sie 40 Jahre freundschaftlich verbunden blieb.

Anne Eugénie verfügte nunmehr über sichere erzieherische Grundlagen und wollte den Mädchen eine ganzheitliche Bildung im Lichte Christi angedeihen lassen. Am 30. April 1839 begann sie mit zwei jungen Frauen in einer Wohnung in der Pariser Rué Ferou, nahe der Kirche Saint-Sulplice, ein Leben in Gemeinschaft, des Gebets und des Studiums. Dieses Datum ist zugleich der Gründungstag der Schwestern von der Himmelfahrt (Religieuses de l’Assomption), auch „Assumptionistinnen“ genannt. Im Oktober waren es schon vier, die Theologie studierten, darunter die Irin Kate O’Neill, die Schwester Thérèse Emmanuel genannt wurde und Anne Eugénie, die den Namen Maria Eugenia von Jesus annahm, ein Leben lang treu zur Seite stand. Das Zentrum der Gemeinschaft war Jesus Christus. So schreibt Maria Eugenia: „Unsere Spiritualität ist Jesus Christus, der König der Ewigkeit, der in uns und in seiner Kirche lebt; die Ausbreitung seines Reiches in uns und in der Welt, unser kontemplatives Leben, liegt unserer Erziehungsweise zugrunde.“ In einem Brief an einen befreundeten Priester nennt sie die Beweggründe, die zu dieser Gründung führten: „Die Idee, welche der Gründung dieses Werkes vorausging, ist der Gedanke der Dienstbereitschaft – das ist es, was meine Berufung bestimmt hat. Als Mädchen aus einer bedauerlicherweise ungläubigen Familie, aufgewachsen inmitten einer noch ungläubigeren Gesellschaft, war es mir gegeben, das ganze Ausmaß des Unglücks der gesellschaftlichen Klasse, der ich angehörte, zu begreifen und zu empfinden. Es scheint mir, dass jedwede Seele, welche die Kirche nur ein ganz klein wenig liebt und die abgrundtiefe Gottlosigkeit jener zwei Drittel an bemittelten und einflussreichen Familien von Paris kennt, sich geradezu gedrängt fühlen muss, alles zu versuchen und sich zu bemühen, damit Jesus Christus in ihre Herzen gelangt.“ Das wahre Herzstück der Spiritualität der Gemeinschaft ist daher die Eucharistie.

Ungeachtet der Schwierigkeiten, die P. Combalot durch seinen eigenwilligen Führungsstil und sein Verhalten dem Erzbischof und den Schwestern gegenüber bereitete, erhielt Anne-Eugénie Milleret de Brou als Schwester Maria Eugenia von Jesus 1840 das Ordenskleid aus den Händen von Erzbischof Affre von Paris. Dies führte im Mai 1841 zur endgültigen Trennung der Schwestern von P. Combalot, der die Gemeinschaft in Existenzgefahr brachte. Erzbischof Affre stellte ihnen seinen Vikar Msgr. Gros zur Seite, was sie als regelrechte Befreiung empfanden. Sie setzten ihre Studien fort und legten am 14. August 1841 in Gegenwart von Msgr. Gros die ersten Gelübde ab.

Die Armut war groß und die Gemeinschaft stagnierte. Das hinderte sie jedoch nicht daran, im Frühjahr 1842 mit Hilfe einflussreicher Damen die erste Schule in Impasse des Vignes zu eröffnen. Als dann die Gemeinschaft zu wachsen begann und internationaler wurde, übersiedelte sie in ein anderes Haus in Paris und 1844 legte Maria Eugenia in Gegenwart des neuen Spirituals Gaume die ewige Profess ab. Die Zahl der Neugründungen nahm weltweit zu und die Gründerin widmete sich nun in besonderer Weise der Ausbildung der Schwestern, der Sondierung der Berufungen und der Abfassung der Konstitutionen. 1867 wurde die Kongregation von Rom anerkannt und am 11. April 1888 wurden die Konstitutionen endgültig approbiert.
Inzwischen hatte sich die Lebenssituation von Maria Eugenia stark verändert. Der Tod von Emmanuel d’Alzon stürzte sie in eine große innere Einsamkeit: „Gott will, dass alles um mich herum zusammenbricht.“ Am 3. Mai 1888 starb Schwester Thérèse Emmanuel, die ihr stets als treue Seele zur Seite gestanden war. Zudem verschlechterte sich ihr eigener Gesundheitszustand. Ihre Sorge für die Schwestern blieb jedoch ungebrochen, um die ursprüngliche intuitive Idee der Gründung wachzuhalten und ins Gedächtnis zu rufen:
„In der Erziehung eine Philosophie, einen Charakter und eine Leidenschaft. Doch welche Leidenschaft? Die des Glaubens, der Liebe und der Befolgung des Evangeliums.“ – „Es ist eine Torheit, nicht in der höchstmöglichen Form zu sein, was man ist.“ – „Die Schwestern sind Erzieherinnen, wenn sie sich den auftauchenden Erfordernissen anpassen, welche die Entfaltung des Lebens und der Kirche mit sich bringt, jedoch ohne die klösterliche Observanz zu verlassen.“

Aufgerieben von den vielen Strapazen und Sorgen empfing Maria Eugenia am 9. März 1898 zum letzten Mal die Eucharistie, das Herzstück ihres Lebens. In der Nacht auf den 10. März 1898 starb sie in Paris, rue de l’Assomption, im Ruf der Heiligkeit und fand dort in der Kapelle ihrer Schwestern ihre letzte Ruhestätte.
Am 9. Februar 1975 wurde Maria Eugenia von Jesus von Papst Paul VI. seliggesprochen. Papst Benedikt XVI. sprach sie am 3. Juni 2007 heilig.

Inzwischen hat sich die Schwestergemeinschaft auf alle fünf Kontinente ausgebreitet.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Benedikts XVI. 2005 – 2012. Innsbruck: Resch, 2013, XII, 204 S., 48 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-096-4, Ln, EUR 25.90 [D], 26.60 [A]

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