Andreas Resch: Maria Crescentia Höss

MARIA CRESCENTIA HÖSS
(Anna)
(1682-1744)

PROFESSNONNE
DES DRITTEN ORDENS
DES HL. FRANZISKUS

Heilig: 25. Nov. 2001
Fest: 5. April

MARIA CRESCENTIA (Anna) HÖSS wurde am 20. Oktober 1682 in Kaufbeuren, Deutschland, als vorletztes von acht Kindern, drei Knaben und fünf Mädchen, des Mathias Höss und der Luzia Hörmann geboren. Bei der Taufe erhielt sie den Namen Anna. Der Vater war Wollweber und Sprecher der katholischen Weberinnung in der Freien Reichsstadt Kaufbeuren, die damals rund 2.500 Einwohner zählte, von denen zwei Drittel Protestanten waren. Wegen seiner Frömmigkeit und seiner Fähigkeiten wählten ihn die Jesuiten 1681 zum Präfekten der Marianischen Kongregation. Die Religiosität von Anna, die schon als Kind aufmerksam die Altäre und Bilder in der Pfarrkirche St. Martin betrachtet hatte, war praktisch angeboren. Ähnliche Eindrücke, die Erzählungen der Eltern und die Unterweisungen in Kirche und Schule führten bei ihr zu Visionen, wobei sie nicht unterscheiden konnte, ob diese ihrer Vorstellung entsprangen oder von Gott kamen. Später beschrieb sie ähnliche Bewusstseinzustände als „Visionen mit den Augen der Seele durch den Glauben“.

In der Schule zeichnete sich Anna durch Intelligenz, ein phänomenales Gedächtnis, kluges Urteilsvermögen und musikalisches Talent aus. Schon bald half sie dem Vater am Webstuhl und wurde Weberin, ihr größtes Ziel jedoch war der Eintritt in das Franziskanerinnenkloster von Kaufbeuren. Der Vater, der 1678 bereits für seine älteste Tochter die Mitgift für den Klostereintritt bereitgestellt hatte, war nicht in der Lage, dies auch für Anna zu bewerkstelligen. Lediglich durch die tatkräftige Hilfe des protestantischen Bürgermeisters Andreas Wörle von Wöhrburg, der Anna sehr schätzte, konnte sie schließlich ins Kloster eintreten. Am 17. Juni 1703 wurde sie zum Noviziat der Franziskaner-Terziarinnen von Mayerhof in Kaufbeuren zugelassen, wobei sie den Namen Maria Crescentia annahm.

Die damalige Oberin, die sie von Anfang an nicht akzeptierte, war überzeugt, dass Crescentia nur deswegen ins Kloster eintreten wolle, um wirtschaftlich abgesichert zu sein und eine gehobene soziale Stellung zu erlangen. Sie hielt ihre Frömmigkeit für heuchlerisch und wollte sie gnadenlos entlarven. Die meisten Schwestern des Konvents aber bewunderten die junge Novizin, die alle Schikanen mit Geduld und Frohsinn ertrug und nach Abschluss des Noviziats um endgültige Aufnahme in das Kloster bat. Am 18. Juni 1704 wurde sie zur ewigen Profess zugelassen.

Die ersten Jahre des Ordenslebens waren von Schikanen und völligem Unverständnis seitens der Oberin Theresa Schmidt gekennzeichnet, die sie sogar mit einigen anderen Schwestern aus dem Kloster zu vertreiben suchte. Crescentia wurde daher von ängstlichen Zweifeln befallen und begann sich zu fragen, ob sie für das Kloster überhaupt würdig genug sei und es für sie nicht besser gewesen wäre, ein frommes Leben in den Bedrängnissen des Alltags zu führen als in der Sicherheit der monastischen Kommunität. Sie litt vor allem unter der Vorstellung, dass der Vater vielleicht ihre Hilfe in der Weberei gebraucht hätte, während sie ein Leben ohne materielle Sorgen führte. Deshalb fühlte sie sich von negativen Kräften gedrückt. Unter den Mitschwestern begann sich sogleich das gefährliche Gerücht zu verbreiten, Crescentia sei eine Hexe. Mühsame Befragungen, die bei ihr zu einem Nervenzusammenbruch führten, erbrachten als Ergebnis, dass in ihr nichts Böses war.
Hilfe fand sie im Gebet, wie sie später einer Schwester schrieb: „Teure Schwester, trachten Sie einzig und allein danach, in jedem Augenblick den Willen Gottes zu erfüllen. Das ist es, was unser Leben stets froh und heiter machen kann. Nichts geschieht ohne den Willen Gottes.“ Und kurz darauf wiederholte sie: „Wir müssen dafür sorgen, das Gott aus uns das macht, was sein heiliger Wille diktiert. Er macht alles gut und recht.“

Die Situation änderte sich schlagartig mit der neuen Oberin Johanna Altwögerin im Jahre 1707, die das Leben von Höss hinnahm, das unentwegt von ekstatischen Zuständen und Visionen gezeichnet war, worüber sie im Gehorsam nur mit der kirchlichen Obrigkeit sprach. In der Fastenzeit und vor allem in der Karwoche litt sie zudem unter heftigen körperlichen Schmerzen, die sie freudig ertrug, weil sie dadurch Christus auch in seinem Leiden nachahmen konnte.

Dank ihrer überzeugenden Frömmigkeit und ihrer außergewöhnlichen Intelligenz vertraute ihr die Oberin verschiedene Aufgaben an. So war sie von 1710 bis 1717 Pförtnerin – ein sehr bescheidenes Amt und doch eines der sensibelsten innerhalb einer Ordensgemeinschaft. Crescentia erfüllte diese Aufgabe jedoch mit großer Umsicht und viel Liebe, wobei sie das typische Ordensleben mit der äußeren Welt in Berührung brachte. Katholiken und Lutheraner, die von ihr bedacht wurden, nannten sie „Mutter der Armen“. Sie behandelte die Menschen mit einer bezaubernden Güte, indem sie sagte: „Wer Gott lieben will, muss notwendigerweise auch seinen Nächsten lieben, denn der eine kann ohne den anderen nicht leben, und das Gute, das man dem Nächsten erweist, wird von Gott erwiesen, der sich hinter dem Gewand des Nächsten verbirgt.“

Im Jahre 1717 betraute sie die Oberin mit einem noch weitaus wichtigeren und delikateren Amt, dem der Novizenmeisterin. Über zwei Jahrzehnte hinweg formte Crescentia die jungen Schwestern und sorgte gleichzeitig auch für den Geist und das religiöse Leben im Kloster von Kaufbeuren. Sie suchte die Schwestern in der Liebe zu Gott zu bestärken; weder gab sie den Novizinnen zu viele Aufgaben noch zu schwierige und überlastete sie auch nicht mit religiösen Übungen. Auf der andern Seite achtete sie darauf, dass die religiösen Normen gebührend eingehalten wurden und im Hause Ordnung herrschte. Sie hatte ein Auge auf die Bedürfnisse des religiösen Lebens und war darum bemüht, den anderen ein Beispiel zu sein.

Was ihr persönliches und mystisches Leben anbelangt, so sind die vielfältigen Darstellungen mit dem Kreuz ein Hinweis auf ihre Verehrung des Sterbens Christi. Um das Jahr 720 malte der Mönch von Irsee, Magnus Remy, nach ihren Angaben einen Erlöser mit verwundeten Schultern im Kerker, der sofort in zahlreichen Kopien in Bildern und Skulpturen wiedergegeben wurde. Die ekstatischen Zustände bereiteten Crescentia auch Sorgen, weil sie nicht sicher war, ob es sich dabei nicht vielleicht um eine bloße Vorstellung handelte. In ihrem Zweifel bekam sie Hilfe von Maria Anna Josepha von Jesus Lindmayr, der Gründerin des Karmelitinnenklosters von München, die ebenfalls Visionen hatte. Im April 1721 suchte Crescentia Lindmayr auf, wo sie Orientierung für ihr spirituelles Leben erhielt.

Crescentia war jedoch keine Mystikerin, die mit verzücktem Blick und vollkommen in sich gekehrt Zwiesprache mit Gott hielt und nur für die Vervollkommnung der eigenen Frömmigkeitsergüsse lebte, sondern eine verständnisvolle Frau mit Blick für die Nöte und Sorgen ihrer Mitmenschen. Stets verstand sie es, zwischen den Zeiten der Versenkung in Gebet und Betrachtung und jenen zu unterscheiden, die den Notwendigkeiten des täglichen Lebens vorbehalten waren. Daher ist es nicht verwunderlich, dass das Kloster in ihr nicht so sehr die Mystikerin als vielmehr eine Persönlichkeit sah, die dank ihres Talents für wichtige Aufgaben besser geeignet war als alle anderen.

Aus diesem Grund wurde sie am 23. Juli 1741, ca. einen Monat nach dem Tod von Mutter Altwögerin, von den Mitschwestern einstimmig zur Oberin des Klosters gewählt. Sie führte die Kommunität auf vortreffliche Weise sowohl in religiösen als auch in weltlichen Belangen. Das ging sogar so weit, dass sich die wirtschaftliche Situation entscheidend verbesserte, sodass das Kloster durch ihr Verdienst auch in der Lage war, anderen Hilfe und großzügige Almosen zukommen zu lassen. Monastische Armut bestand für sie weder in einer Verachtung der Gaben Gottes noch in der Vernachlässigung des äußeren Auftritts. Eine schmutzige bzw. ungepflegte Ordenstracht war für sie nicht Zeichen der Einfachheit, sondern Ausdruck von Verwahrlosung und Schlamperei. Sie, die selbst ein sehr schlichtes und zuweilen asketisches Leben führte, sorgte dafür, dass die Schwestern ein besseres Essen und größere Portionen bekamen.

Die realistisch denkende Handwerkerstochter leitete das Kloster auf so umsichtige Weise, dass sie ihm für Jahrzehnte die materielle Existenz und die nötigen Gelder für die Almosen sicherte. Crescentia war bekannt für ihre Hochherzigkeit. Ihr Ruf verbreitete sich rasch über die Stadt hinaus. Unzählige Personen aller Gesellschaftsschichten ersuchten sie um Hilfe in materiellen, finanziellen, körperlichen und geistigen Nöten. „Alle gingen getröstet von ihr fort und fanden es wunderbar, wenn sie Rede und Antwort stand.“ Unter den Besuchern höheren Ranges waren die Kurfürstin von Bayern und spätere Kaiserin Maria Amalia sowie der Kurfürst und Erzbischof Klemens August von Köln. Wer nicht nach Kaufbeuren kommen konnte, schrieb Crescentia einen Brief und konnte einer Antwort sicher sein. Denkwürdig blieb ihre Friedensvermittlung bei der Diskussion um die Nachfolge in der Fürstabtei Kempten, als sie der bayerischen Kurfürstin Maria Amalia Ratschläge erteilte, deren Gemahl, Kaiser Karl VII., mit Maria Theresia von Österreich in Fehde lag.

In der Fastenzeit des Jahres 1744 erkrankte Crescentia schwer; sie verstarb in der Osternacht, am 5. April 1744, im Kloster Kaufbeuren. Dank einer Sondererlaubnis des Bischofs wurde sie in der Kapelle des Crescentiaklosters, Obstmarkt 5, Kaufbeuren, beerdigt, wo ihre Gebeine auch heute noch ruhen.

Am 25. November 2001 wurde Crescentia Höss von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, nachdem sie Papst Leo XIII. am 7. Oktober 1900 seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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