Andreas Resch: Maria Anna Rivier


MARIA ANNA RIVIER

(1768-1838)

GRÜNDERIN
DER KONGREGATION DER SCHWESTERN DER DARSTELLUNG MARIENS

Heilig: 15. Mai 2022
Fest: 3. Februar

MARIA ANNA RIVIER wurde am 19. Dezember 1768 in Montpezat­sous-Bauzon, Departement Ardeche, Diözese Viviers, Frankreich, geboren und auf den Namen Maria getauft. Die Kleine war ein sehr aufgewecktes Kind, bis sie Ende April 1770, im Alter von etwa 16 Monaten, aus dem Bett fiel und sich dabei eine schwere Hüftverletzung zuzog. Maria konnte daraufhin nicht mehr aufrecht stehen und schleppte sich, unter Zuhilfenahme der Hände, auf dem Rücken vorwärts. Ihr Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Kopf und Arme blieben sehr schmächtig, während die Handgelenke, Knöchel und Knie anschwollen und die Glieder sich völlig verkrampften. Maria wurde zuneh­mend schwächer. Nur mit Mühe konnte sie sich an den Krücken, welche die El­tern eigens für sie fertigen hatten lassen, aufrecht halten. Die Entwicklung des Organismus war stark beeinträchtigt. Die Mutter wandte sich vertrauensvoll an die Pietä, die von den Bewohnern von Montpezat in der Kapelle der Büßer verehrt wurde. Jeden Tag trug sie das arme Kind dorthin und erklärte ihm, dass die Jungfrau Maria und ihr gekreuzigter Sohn den großen Schmerz deshalb auf sich genommen hatten, weil sie von der Liebe und dem Wunsch beseelt waren, die Welt zu erlösen. Vier Jahre lang wurde Maria in die Kapelle gebracht, wo sie, auf einem kleinen Teppich zwischen Altar und Pietä sitzend, stundenlang zur Madonna aufblickte und im Vertrauen auf Heilung betete: „Heilige Mutter Gottes, bitte mach‘ mich gesund! Bitte!“ Wobei sie noch treuherzig hinzufügte: „Wenn Du mich gesund werden lässt, werde ich viele Kinder um Dich versam­meln, ihnen Unterricht geben und sie lehren, Dich zu lieben.“ In dieser vier Jahre währenden Zwiesprache mit der Gottesmutter empfing Maria eine ganz besondere Botschaft: „Mir kam plötzlich der Gedanke, dass ich mich, wenn Gott mich heilt, für den Rest meines Lebens der Ausbildung von Kindern widmen könnte. Ich sah mich schon von einer Schar dieser Kleinen umgeben, denen ich Unterricht geben und den Katechismus näher bringen würde – und diese Vor­stellung faszinierte mich.“
Am 8. September 1774 bat Maria, ihr die Krücken vom Schrank herun­terzuholen, und sie konnte gehen. Sie führte noch die Truthennen auf die Wei­de und suchte dann ganz allein um die übliche Zeit die Muttergottes hinter dem Altar der Kapelle auf. Ein neuerlicher Sturz machte es ihr allerdings vollkom­men unmöglich, sich zu bewegen. Dennoch verlor Maria nicht das Vertrauen, weil sie sich sicher war, dass sie geheilt würde. Und tatsächlich erfolgte am 15. August 1777 die völlige Heilung. Überwältigt von diesem unendlichen Gnaden­erweis versuchte sie ihrer Freude und Dankbarkeit Ausdruck zu geben. Im er­sten Augenblick wollte sie in die Einöde fliehen und dort im Gebet verharren. Doch erwies sich dieses Vorhaben schon bald als undurchführbar. Dazu war sie nicht berufen. Nachdem sie sich des Versprechens an die Pietä erinnerte –„ich werde viele Kinder zu Dir bringen“ – , widmete sie sich dem Apostolat un­ter den Mädchen ihres Alters, von denen sie „kleine Mama“ genannt wurde, und Armenbesuchen.

Vor allem die Erstkommunion weckte in ihr den Wunsch, sich ganz dem Herrn zu weihen. So brachte sie die Mutter gemeinsam mit einer älteren Schwester zu den Schwestern von Notre-Dame in Pradelles (Hoch-Loire). Maria war 12 Jahre alt, sah aber höchstens wie eine Siebenjährige aus. Der Wunsch sich Gott zu weihen, wurde immer stärker, so dass sie nach Beendigung der Studien um Aufnahme in das Kloster bat. Die Schwestern hielten sie jedoch für zu schmächtig und schwächlich und somit für das Ordensleben nicht geeignet: „Die mir entgegengebrachte Ablehnung hat mich in meinen Bestrebungen aber nur noch bestärkt… Wenn Sie mich im Kloster schon nicht haben wollen, wer­de ich selber eines gründen.“

Mit 18 Jahren erhielt sie im Jahre 1786, nach allerlei Schwierigkeiten und Demütigungen, die Erlaubnis zur Eröffnung einer Schule, in der sich von allem Anfang an zahlreiche Kinder einfanden. Die Eltern vertrauten ihre Sprösslinge höchstpersönlich der jungen Lehrerin an, die mit völliger Hingabe und hohem didaktischen Gespür uneingeschränktes Vertrauen gewann. „Von allem, was ich im Leben getan habe“, sagte sie später, „freut mich am meisten, dass ich in meiner Jugendzeit junge Menschen zu Gott hinführen konnte, aus denen dann eifrige Christen geworden sind.“

Neben ihrer Arbeit als Lehrerin half sie im Dritten Orden des hl. Dominikus und des hl. Franziskus, nahm sich in eigens eröffneten Räumlichkeiten der ar­beitslosen Jugend aus der Pfarre an, besuchte die Kranken und kümmerte sich um die Bedürftigen. Die ganze Arbeit wurde jedoch durch die Französische Re­volution erstickt. Mit dem Dekret vom 7. /10. November 1793 hatte der Natio­nalkonvent die christliche Religion offiziell abgeschafft und die Unterdrü­ckungsmaschinerie machte auch vor Montpezat nicht Halt. 1794 musste Maria Montpezat verlassen und in das benachbarte Dorf Thueyts fliehen, wohin sie der Sulpizianer Alois Pontanier eingeladen hatte, der ihre erste Stütze wurde. Da sie schon gewohnt war, gegen den Strom zu schwimmen, versammelte sie damals einige junge Frauen um sich und gelobte am 21.
November 1796, dem Fest der Darstellung Mariens im Tempel, gemeinsam mit vier Gefährtinnen und mit Erlaubnis des Generalvikars M. Vernet während einer von Pontanier in der Dachkammer des Schulgebäudes zelebrierten Messe, sich und ihre Arbeit der Himmelskönigin zu weihen.

Im Jahr darauf, am 21. November 1797, verpflichteten sich Maria und die er­sten elf Gefährtinnen auf eine von Pontanier provisorisch verfasste Ordensre­gel. Der Bischof von Vienne approbierte die Regel am 7. August 1801, wobei er sagte: „Meine Töchter, hier ist der Finger Gottes, der auf dieser Gründung und ihren Werken seinen Eindruck hinterlässt!“ Eine Woche später, am 15. August 1801, beendete die Unterzeichnung des Konkordats eine Epoche und gleichzeitig die Vorbereitungsphase der Kongregation der Schwestern der Darstellung Mariens (Abb.). 1803 wurde das erste Noviziat eröffnet und zwischen 1802 und 1810 entstanden 46 Häuser. Die Visitation der Häuser erfüllte einen doppelten Zweck: einerseits die Ausbildung und Ermunterung der Schwestern zu einem von Gebet und erzieherischem wie pastoralem Einsatz geprägten Leben und an­dererseits das Gespräch mit der Bevölkerung, das viele Zuhörer anlockte. Maria rief die Gläubigen zur sonntäglichen Versammlung in die Kirche, lud zum Ro­senkranzgebet und unterwies Männer und Frauen. Die Art der Tätigkeit war unterschiedlich, aber das Ergebnis war immer dasselbe: eine große Zahl an Beichtgesprächen, aufsehenerregende Bekehrungen und viele Berufungen.

Das Haus in Thueyts wurde bald zu klein und so erwarb Maria 1815 in Bourg-Saint-Andeol (Ardeche) im Rhonegebiet ein altes Kloster, wohin sie das Zentrum der Kongregation verlegte. Von dort aus verbreitete sich diese über ganz Frankreich. Im Jahre 1820 war sie bereits in acht Diözesen präsent und zählte gut 88 Häuser. 1822 konnte Maria Rivier ihren Schwestern deren Kon­stitutionen übergeben, die Frucht aus 20 Jahren Erfahrung, Umänderungen und Gebet. Maria besuchte weiterhin die Häuser, um in den Dörfern auf Anfra­ge von Pfarrern und Bürgermeistern neue Schulen zu eröffnen. Ihre umfang­reichen Aktivitäten wurden einzig und allein durch das Schwinden ihrer physi­schen Kräfte gebremst. Ende 1837 bzw. in den ersten Wochen des Jahres 1838 war sie bereits vom körperlichen Verfall gezeichnet. Am Morgen des 2. Febru­ar, dem Fest der Darstellung Jesu im Tempel, stellte sich eine Besserung ein. Der ihr beistehenden Schwester vertraute sie an: „Dieses Fest bestärkt mich in meinem Wunsch, mich Christus aufzuopfern.“ Und auf die Frage eines Pries­ters über den Grund ihrer besonderen Vorliebe für dieses Fest antwortete sie kurz darauf: „Ich kann das, was ich empfinde, nicht in Worte fassen, aber wenn ich daran denke, dass Christus, dem es nicht genug war, als Mensch in die Welt gekommen zu sein, sich dem Vater als Opfer für alle Menschen darbieten wollte und dass die Jungfrau Maria durch Ihn dasselbe Opfer zum Angebot machte, verspüre auch ich den Wunsch, mich für das Heil der Seelen zu opfern.“ Am 3. Februar 1838, gegen halb fünf, starb Maria Rivier in Bourg-Saint-Andeol, wäh­rend sie sich an ihrem gewohnten Platz in ihrem Büro befand, von wo aus sie die Kongregation bis zum letzten Tag mit sicherer und starker Hand geleitet hat­te, oder wie es jemand formulierte: „Ich habe nur zwei Menschen mit einem derart ausgeprägten Scharfsinn gesehen: Napoleon und Mutter Rivier.“ Ande­rerseits zeigte sie aber auch ein hohes Gespür für das Übernatürliche. So hatten bei ihrem Tod alle den Eindruck, dass mit ihr eine außergewöhnliche Frau und eine Heilige gestorben sei. Sie hinterließ 300 Schwestern, verstreut über etwa 15 Diözesen. In 42 Jahren hatte sie 141 Häuser der Darstellung Mariens ge­gründet.

Ihr Grab befindet sich im Provinzhaus in Bourg-Saint-Andeol, Frankreich.

Heute arbeitet die Kongregation in Afrika, Asien, Europa und Amerika vor al­lem zum Wohle der Kinder, Jugendlichen und Verlassenen.

Am 23. Mai 1982 wurde Maria Anna Rivier von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen und am 15. Mai 2022 von Papst Franziskus heiliggesprochen.