Andreas Resch: Margarita Bays


MARGARITA BAYS
(1815-1879)

 LAIENHELFERIN
DES DRITTEN SÄKULARORDENS DES HL. FRANZ VON ASSISI

Selig: 29. Oktober 1995
Heilig: 13. Oktober 2019
Fest: 27. Juni

MARGARITA BAYS wurde am 8. September 1815 in „La Pierraz“, in der Pfarrei Siviriez, Freiburg / Schweiz, geboren und am darauffolgenden Tag auf den Namen Margarita getauft. Ihre Eltern, Josef Bays de La Pierraz und Maria Josefine Morel de Vilaraboud, waren bescheidene Bauern und gläubige Christen. Margarita, das zweite von sieben Kindern, war besonders lebhaft und von überdurchschnittlicher Intelligenz. Drei bis vier Jahre besuchte sie die Schule in Chavannes-les-Forts, wo sie lesen und schreiben lernte. Am 17. August 1823 erhielt sie das Sakrament der Firmung und mit elf Jahren wurde sie, den damaligen Gepflogenheiten entsprechend, in der Pfarre Sivierez zur Erstkommunion zugelassen. Ihre Lehrerin sah in ihr ein ziemlich aufgewecktes Kind. Gleichzeitig zeigte sie einen Hang zum Schweigen und zum Alleinsein. Tatsache ist, dass das Gebet auf sie schon als Kind so faszinierend wirkte, dass sie manchmal mitten im Spiel mit ihren Freundinnen abbrach, um sich zurückzuziehen und im Stillen zu beten.

Mit ca. 15 Jahren machte sie eine Lehre als Schneiderin. Diesen Beruf übte sie dann bis zu ihrem Tod entweder zu Hause oder bei den Familien in der Nachbarschaft aus, die sie tageweise dafür bezahlten. Ihr ganzes Leben verbrachte Margarita im Schoß ihrer Familie, wo sie sich dem Nähen und der Hausarbeit widmete und unter ihren sechs Geschwistern – drei Brüder und drei Schwestern – eine friedliche und humorvolle Atmosphäre verbreitete. Allerdings musste sie nach der Hochzeit ihres ältesten Bruders die Feindseligkeiten und das Unverständnis ihrer Schwägerin in Kauf nehmen, die ihr vorwarf, zuviel Zeit mit Beten zu verbringen. Außerdem schimpfte sie sie eine Tagediebin, die in aller Ruhe ihrer Näharbeit nachging, während sie sich auf dem Feld mit Schwerarbeit plagte. 15 Jahre lang ertrug Margarita diese Schmähungen in Schweigen und mit einer Geduld, die ihre Zeitgenossen als heroisch bezeichneten.

Margarita verwarf den Gedanken, ins Kloster zu gehen, weil ihre Anwesenheit im Kreis der eigenen Familie in ihren Augen ein grundlegendes Apostolat darstellte. Also beschloss sie aus freien Stücken, ledig zu bleiben, und nahm sich vor, durch ihr Dasein für ein Klima geschwisterlicher Nähe und des Friedens zu sorgen und sich um die christliche Erziehung der Kinder ihrer Geschwister zu kümmern, die für diese Aufgabe wenig geeignet waren. Claudius, der das landwirtschaftliche Anwesen führte, war ein harter, autoritärer Charakter. Josef hingegen, der schon kränklich auf die Welt gekommen war, neigte zur Verschlossenheit und Depression. Durch ihre Gegenwart beschwichtigte Margarita die mangelnde Sensibilität von Claudius den Armen gegenüber, indem sie ihn an das Beispiel des hl. Martin erinnerte. Josef sprach sie in seinen immer wiederkehrenden depressiven Phasen Mut zu. Ihrer widerborstigen und rüpelhaften Schwägerin Josette gegenüber, die als einfaches Hausmädchen in die Familie gekommen war und durch ihre Heirat Margarita den Rang als Hausherrin abspenstig gemacht hatte, legte sie eine Freundlichkeit an den Tag, für die sie von der ganzen Umgebung bewundert wurde. Nie reagierte sie auf ihre Kränkungen, beklagte sich bei niemandem über die ständigen Beleidigungen und tat alles, um ihr immer und überall zu Diensten zu sein. Schließlich brachte sie sie so weit, dass sie ihr eigenes Unrecht erkannte, und als es dem Ende zuging, stand sie ihr großmütig zur Seite. Margarita bemühte sich nach Kräften, die schlechte Behandlung, die ihr Bruder Claudius zwei im Wirtschaftsgebäude wohnenden Hausangestellten zuteil werden ließ, zu kompensieren: „Wie gut sie nur zu uns war, sie hat sich um all unsere Bedürfnisse gekümmert und für alles Sorge getragen“, sagte einer von ihnen. Darüber hinaus nutzte sie das Vertrauen, das diese ihr gegenüber an den Tag legten, um sie dazu zu ermuntern, als gute Christen zu leben. Abends lud sie alle Bewohner des Hauses zum gemeinsamen Gebet ein. Auch in den Familien, bei denen Margarita arbeitete, forcierte sie das Gebetsleben. Sie begann keine Näharbeit, bevor sie nicht die Hausbewohner dazu eingeladen hatte, mit ihr ein oder zwei Gesätzchen vom Rosenkranz zu beten. Wenn sie so völlig in ihre Arbeit versunken dasaß, hatte es den Anschein, als würde sie den Tag unter den Blicken des Herrn begehen.

Ihr begeistertes Engagement als Laienhelferin in der Pfarre war vorbildlich. Die Freizeit nutzte sie dazu, die Kinder ihrem Alter gemäß im Katechismus zu unterweisen und sie zu einem moralisch und religiös soliden Leben anzuhalten. Mit großem Eifer bereitete sie die jungen Mädchen auf ihre künftigen Aufgaben als Ehefrauen und Mütter vor. Unermüdlich besuchte sie die Kranken und Sterbenden. Die Armen, die sie „die von Gott Bevorzugten“ nannte, trafen bei Margarita auf eine treue und gütige Freundin. Sie führte in der Pfarre die Missionswerke ein und half bei der Verbreitung der katholischen Presse mit, um den subversiven Tendenzen des Kulturkampfes entgegenzuwirken.

Rein äußerlich vermittelte Margarita das Bild einer armen Dienstmagd. In ihrem Innern aber regte sich ein wacher Geist und sie zeigte ungewöhnlichen Eifer, wenn es um die Religion ging. Da sie eine glühende Hingabe für die Eucharistie hegte, besuchte sie jeden Tag die hl. Messe, die sie als den „Höhepunkt des Tages“ bezeichnete. Der Sonntag war für sie ein Tag des Feierns und Betens. Nachdem sie an den Andachten teilgenommen hatte, verharrte sie noch im Gebet vor dem Allerheiligsten Altarsakrament, ging eine Stunde lang den Kreuzweg und betete den Rosenkranz. Außerdem pilgerte sie häufig allein oder mit Freunden zu ihren Heiligtümern, wobei sie bis zu 200 km zu Fuß zurücklegte. Ihr Glaube erlaubte es ihr, „die geoffenbarten Wahrheiten so zu betrachten, als wäre kein Schleier vor“. Sie lebte ständig in der Gegenwart Gottes und nährte dieses Gefühl durch nahezu pausenloses Gebet.

Ihre Liebe zum Nächsten entsprang nicht menschlichen Zwecken, sondern ihrem Gebet und hatte eine tiefe Einheit mit Gott zur Grundlage. Daher tolerierte sie keine üblen Reden und Verleugnungen. Wenn über jemandem schlecht gesprochen wurde, fühlte sie sich persönlich verletzt und das Herz tat ihr weh. Sie machte sich daher folgenden Satz zur goldenen Regel: „Wenn du etwas nicht selber gesehen hast, dann sollst du nicht darüber sprechen; wenn du es aber gesehen hast, dann schweig!“ Wenn sie Betrachtung hielt, war sie so in sich versunken, dass nichts sie abzulenken vermochte. So versuchten ein paar Mädchen einmal vergeblich, sie dazu zu bringen, in der Kirchenbank den Platz zu wechseln. Sie aber war vollkommen vertieft und blieb regungslos; die kleinen Schelme wurden von ihr gar nicht wahrgenommen. Ihr Vertrauen in das Gebet war enorm und sie war von seiner Wirkung überzeugt. „Wenn ich nicht bekomme, worum ich bitte, werde ich andere Gnaden empfangen“, sagte sie, oder: „Gott hat mich nicht erhört, aber Er sieht die Dinge eben anders als wir.“

1853, mit 35 Jahren, wurde Margarita an Darmkrebs operiert, den die Ärzte nicht stoppen konnten. Sie wandte sich an die Jungfrau Maria – nicht mit der Bitte, ihre Schmerzen zu lindern, sondern sie durch andere zu ersetzen, durch die sie unmittelbarer am Leiden Jesu teilhaben konnte. Am 8. Dezember 1854 wurde sie erhört, im selben Augenblick, in dem Papst Pius IX. in Rom das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis verkündete. Von da an war sie von einer „geheimnisvollen Krankheit“ gezeichnet. An jedem Freitag und die gesamte Karwoche hindurch verharrte sie reglos in Ekstase, während sie im Geiste und am Körper die Leiden Jesu im Garten von Getsemane durchlebte. Gleichzeitig erschienen an ihrem Körper die fünf Wundmale der Kreuzigung, die ihr große Schmerzen bereiteten, die sie aber vor neugierigen Blicken geflissentlich verbarg. Der Diözesanbischof Msgr. Marilly verlangte eine ärztliche Untersuchung zur Bestätigung der Ekstasen und Stigmen und bekräftigte schließlich offiziell deren Authentizität.

Die plötzliche und radikale Heilung vom Krebs, die den Ekstasen und Stigmen vorausging, markierte eine entscheidende Wende im geistigen Leben von Margarita Bays, die ganz auf den leidenden Christus ausgerichtet war. In den letzten Jahren ihres Lebens nahmen die Schmerzen an Intensität zu, doch ertrug sie alles klaglos und in völliger Hingabe an den göttlichen Willen. Es war unter diesen Umständen, dass sie folgendes wunderbare Gebet verfasste: „O heiliges Opfer, ruf mich zu Dir, es ist gerecht. Kümmere Dich nicht, wenn ich mich wehre. Gib, dass ich in meinem Körper vollende, was an Deinem Leiden noch fehlt. Ich umarme das Kreuz, mit Dir will ich sterben. Und in der Wunde Deines heiligen Herzens möchte ich meinen letzten Atemzug tun.“

Margarita starb, ihrem Wunsch gemäß, am Tag des Herz Jesu-Festes, Freitag, den 27. Juni 1879, um drei Uhr. Als sich die Nachricht von ihrem Tod verbreitete, sagten die Bewohner von Siviriez und Umgebung bestürzt: „Unsere Heilige ist tot.“ Die Begräbnisfeierlichkeiten am darauffolgenden 30. September, in Anwesenheit einer großen Zahl von Priestern und unzähligen Gläubigen aus der Pfarre und Umgebung, gestalteten sich zu einem Triumphzug. Die Beerdigung erfolgte auf dem Friedhof von Siviriez. Heute ruhen ihre Gebeine in der Kapelle zum hl. Joseph in der Kirche von Siviriez, Schweiz.

Am 29. Oktober 1995 wurde Margarita Bays von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.  Am 13. Oktober 2019 hat sie Papst Franziskus heiliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]

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