Andreas Resch: Margarete Ebner

MARGARETE EBNER
(1291-1351)

PROFESS-SCHWESTER
DES ORDENS
VOM HL. DOMINIKUS

Kultbestätigung:
24. Februar 1979

Fest: 20. Juni

MARGARETE EBNER, Spross der Adelsfamilie Ebner, wurde um 1291 vermutlich als Tochter Heinrich Ebners des Jüngeren im bayrisch-schwäbischen Donauwörth geboren. Der Name der Mutter ist nicht bekannt. Reich gesegnet an Geistesgaben, aber von schwächlicher Konstitution, fühlte sich Margarete schon in frühester Jugend zu einem religiösen Leben hingezo­gen. So trat sie bereits mit 15 Jahren in das damals in Blüte stehende Kloster der Dominikanerinnen von Maria Medingen in der Diözese Augsburg ein, das 1246 von Graf Hartmann IV. gegründet worden war. Die Gemeinschaft glieder­te sich in Chor- und Laienschwestern. Margarete wurde Chorschwester. Als sol­che musste sie des Lesens und Schreibens kundig sein.
Die erste Zeit ihres Klosterdaseins verlief ohne nennenswerte Ereignisse. 1312 jedoch wurde Margarete von einer mysteriösen Krankheit heimgesucht, die sich drei Jahre hinzog. Sie konnte weder Speise noch Trank zu sich nehmen und fühlte sich von allen verlassen; Arzneien schufen keinerlei Abhilfe. Marga­rete lebte deshalb auch sehr zurückgezogen und hatte nur dann und wann Kon­takt zu einer Schwester ihres Vertrauens. Der klösterlichen Observanz versuch­te sie soweit als möglich Folge zu leisten. Die Liturgie diente ihr auch als Leitfa­den bei der chronologischen Niederschrift der Ereignisse, die im Büchlein zwi­schen 6. Februar 1312 und 28. November 1348 vermerkt sind, das auf aus­drückliche Anordnung ihres geistlichen Führers in zwei Teilen gehalten wurde. Darin berichtet Margarete über ihre Innenschau und die mystischen Gnadener­weise, die ihr während jener Zeit wiederholt zuteil wurden. Bei der Abfassung des „Büchleins“ kam der Seligen die Unterstützung einer zuverlässigen Mit­schwester zugute, die als Schreibgehilfin diente.

Es folgte die lange Krankheitsperiode von 1314 bis 1326. Hinzu kamen auch noch andere Gebrechen, Schwellungen und Versteifungen, mit denen sie ein Leben lang zu kämpfen hatte. Und zu den körperlichen Beschwerden gesellten sich schließlich noch weitere Unannehmlichkeiten.
In den Jahren 1324/25 kam es infolge des Krieges zwischen Friedrich von Österreich und Ludwig dem Bayern zur Auflösung der Gemeinschaft von Me­dingen. Margarete begab sich in ihr Elternhaus zurück, wo sie ihre Mutter und die Geschwister vorfand. Auch dort führte sie ein sehr zurückgezogenes Leben im Gebet und sonderte sich von den Menschen so sehr ab, dass sich sogar ihre Familie darüber erboste. 1325 konnte sie wieder in das Kloster zurückkehren, wo ihr eine treue Mitschwester mit Rat und Tat zur Seite stand. Wenngleich ei­nige Schwestern nach der ersten Krankheitsperiode Abstand von ihr genom­men hatten, so dass sie sich ganz verlassen vorkam, begann sich die Gemein­schaft mit der Zeit für sie zu interessieren, und so wurde sie schließlich von ih­ren Gefährtinnen dazu bewogen, mit dem Weltpriester und Seelenführer Hein­rich von Nördlingen Kontakt aufzunehmen, der am 29. Oktober 1332 in Medin­gen zu Besuch weilte. Diese Begegnung erwies sich in spiritueller Hinsicht als sehr vorteilhaft für Margarete. Heinrich wurde alsbald ihr geistlicher Führer,der sie mit seinen Ratschlägen und Schriften auf den schwierigen Pfaden ihres mystischen Lebens begleitete. Im Jahre 1345 übersandte er ihr die Schriften der Mystikerin Mechthild von Magdeburg (1208/10 – 1282 oder 1294), die 30 Jahre lang als Begine nach der Regel des hl. Dominikus gelebt und ihre letzten Jahre im Kloster der Zisterzienserinnen von Helfta verbracht hatte. Gleichzeitig ermunterte er Margarete zur Fortsetzung ihres „Büchleins“.

Besagtes „Büchlein“, ohne Titel und ohne jedwede Unterteilung in Kapitel oder Paragraphen, enthält Notizen bezüglich Spiritualität und persönliche Auf­zeichnungen in chronologischer Reihenfolge in Tagebuchform, unter Hinzu­nahme von Meditationen, Gebeten und Auszügen aus Briefen. Nach Margaretes Tod wurde es als Vita Beatae Margaritae Ebnerin O.P. bezeichnet, und der Ver­leger und Kritiker Philipp Strauch betitelte es als Offenbarungen der Margare­tha Ebner. Dies entspricht jedoch weder Inhalt noch Charakter der Schrift, die von Margarete selbst sehr viel treffender als das „Büchlein“ bezeichnet wurde. Bei dem mit „Pater Noster“ überschriebenen Abschnitt im Anhang handelt es sich hingegen um einen meditativen Gebetstext über die Gnadenfülle in Jesus Christus dem Erlöser. Von Margaretes Briefen existiert nur noch das Fragment eines einzigen Schreibens an Heinrich von allgemeinem Inhalt, während die Briefe Heinrichs an Margarete die Zeiten überdauert haben und eine für das re­ligiöse Leben der damaligen Zeit unverzichtbare Dokumentation darstellen.

In dem erwähnten Büchlein erweist sich die Selige als eine durch Krankheiten und sonstige Leiden schwer geprüfte Schwester, die sich der Wahrheit und Ein­fachheit verpflichtet fühlte und deren Wunsch es war, an der Passion Christi teilzuhaben. Ihre Liebe zu Gott findet ihren Ausdruck in der Liebe zum Nächs­ten, vor allem zu den Sündern, den Kranken und Einsamen und den Armen Seelen im Fegefeuer.
Im Jahre 1332 plagten Margarete sechs Wochen lang Kopf- und Zahnschmer­zen, von denen sie um Ostern jedoch unerwartet und vollständig geheilt wurde. So geschah es auch bei anderen Erkrankungen. Am 28. Februar 1334 fiel sie in eine Verzückung, so dass man ihren Herzschlag nicht mehr fühlen konnte. Gleichzeitig formten sich in ihr klare Worte, wenngleich sie von dem Geschau­ten nichts über die Lippen brachte, es sei denn den Ausruf „Jesus Christus“. 1335 war ihr, als würde sie aus ihrem Körper austreten, wobei sie fürchtete, die Sinne zu verlieren. Doch erfuhr sie in jenem Augenblick die Nähe Gottes, der sie mit den Worten tröstete: „Ich beraube nicht der Sinne, sondern ich er­helle sie.“ Von jenem Moment an spürte sie in sich das Licht der göttlichen Wahrheit.

Von 1345 an wird von Schreien berichtet, die immer lauter wurden und – be­gleitet von physischer Pein – bis 1347 auf insgesamt 250 anstiegen. Im selben Jahr entwickelte Margarete eine neue Art des Sprechens. Der Mund blieb ge­schlossen, doch formten sich in ihrem Innern Worte, die von den Außenstehen­den weder wahrgenommen noch verstanden wurden.
In diesem Kontext sind auch die außergewöhnlichen Erfahrungen von Licht, Traum, Audition, Vision und sogar Levitation zu verstehen: „Manchmal ist mir, als würde ich schweben und die Erde nicht mehr berühren.“ Besonders be­zeichnend war die im Schlaf erlebte Vision von ihrem Ideal, der liebenden See­le, die sie zur Freude, Bereitschaft und zum Wunsch inspirierte, in der spiritu­ellen Entwicklung bzw. in der Erfahrung der göttlichen Gnaden keine Zeit zu verlieren.

Häufig behauptet die Selige, die Gnade Gottes verspürt zu haben, ob nun zu bestimmten Anlässen – etwa im Advent, zu Weihnachten, in der Karwoche oder zu Pfingsten –, bei Tag oder bei Nacht, beim Erwachen oder während der geistlichen ‚Übungen.
Wenngleich Margarete in Klausur lebte, übte sie auf das religiöse Leben ihrer Zeit erheblichen Einfluss aus – dies nicht zuletzt durch einen intensiven Ge­bets- und Briefaustausch vor allem mit den Mitgliedern der sogenannten „Ge­treuen Freunde Gottes“, deren Bekanntschaft sie durch Heinrich von Nördlin­gen machte. Es war dies eine Gruppe von Personen, die sich gegenseitig zum Hochhalten des Glaubens anhielten. So drang der Ruf von Margaretes Tugen­den auch über das Kloster hinaus, und sie wurde von vielen Vertretern des da­maligen kirchlichen Lebens, wie etwa Johannes Tauler oder den Dominikanern von Basel, Kolmar und Köln, sehr geschätzt.

Das herausragendste Attribut Margaretes ist ihr mystisches Erleben, so dass sie zu den außergewöhnlichsten Mystikern des Mittelalters gezählt wird.

Der Ruf der Heiligkeit, der Margarete schon zu Lebzeiten anhaftete, schlug nach ihrem Tod, der sie am 20. Juni 1351 im 60. Lebensjahr im Kloster Medin­gen ereilte, spontan in Verehrung und Kult um. „Eine Heilige ist von uns gegan­gen“, hieß es bei Bekanntwerden ihres Ablebens in ganz Bayern.

So wurde Margarete auch nicht auf dem Gemeinschaftsfriedhof der Schwes­tern beigesetzt, sondern im Klosterkapitel, welches später mit einem kunstvol­len Grabmal, das die liegende Figur der Seligen darstellt, ausgestattet und mit einer Inschrift versehen wurde, die sie als „Selige“ ausweist. Darüber hinaus beeilten sich die Schwestern, Margaretes „Büchlein“ zu transkribieren und der Nachwelt zu erhalten.
Doch wenngleich Margarete Ebner bereits seit 1353 als „Selige“ geführt wird, so nicht im liturgisch-juridischen Sinn von heute. Es war dies vielmehr ei­ne ehrenvolle Bezeichnung, die man in der Antike und im Mittelalter all jenen Personen zuteil werden ließ, die im Ruf der Heiligkeit gelebt und gestorben wa­ren. Die Bestätigung des Kultes erfolgte erst am 24. Februar 1979 durch Papst Johannes Paul II., der damit seine erste Seligsprechung vornahm.

Die sterblichen Überreste von Margarete Ebner ruhen in der ihr geweihten Kapelle im Kloster von Maria Medingen in Mödingen, nahe Dillingen in Deutschland, die zwischen 1751 und 1755 erbaut wurde.

 

© Prof. Dr. Dr. P. Andreas Resch     Band 1