Andreas Resch: Marcellina Darowska


MARCELLINA DAROWSKA
(1827-1911)

MITBEGRÜNDERIN
DER SCHWESTERN VON DER UNBEFL. EMPF. DER ALLERSEL. JUNGFRAU MARIA

Selig: 6. Oktober 1996
Fest: 5. Januar

MARCELLINA DAROWSKA wurde am 28. Januar 1827 (nach dem julianischen Kalender am 16. Januar) in Szulaki, Ukraine, als fünftes von acht Kindern des Ehepaares Jan Kotowicz und Maksymilia Jastrzębska geboren. Bei der Taufe erhielt sie den Namen Marcellina. Die Eltern gehörten zur Klasse der begüterten Grundbesitzer und so verbrachte Marcellina ihre Kindheit im typischen Umfeld ländlicher Herrschaftsgebäude. Szulaki stand damals unter russischer Besatzung, die darauf abzielte, jedwedes polnische Kulturerbe mit allen Mitteln zu zerstören. Die katholische Kirche wurde unbarmherzig verfolgt, Seminare und Klöster wurden geschlossen. Während die Religiosität von Marcellinas Eltern eher formeller Natur war, ließ sie selbst von Kindheit an eine besondere Vorliebe für das Gebet und den tiefen Wunsch nach einem gänzlich gottgeweihten Leben erkennen.

Im Alter von zehn Jahren empfing Marcellina die Erstkommunion und mit 12 wurde sie in ein Elitekonvikt für Frauen nach Odessa geschickt. Drei Jahre später kehrte sie wieder nach Hause zurück, wo sie dem Vater in der Gutsverwaltung behilflich war, da sich ihr Wunsch, ein Ordensleben zu beginnen, nicht sofort verwirklichen ließ, zumal es in der Umgebung keine Klöster gab; aber auch, weil der Vater, mit dem sie sich sehr verbunden fühlte, darüber nicht erfreut war und ihr, als er schwer erkrankte, das Versprechen abrang, eine Familie zu gründen.

Getreu diesem Versprechen wählte sie – schön, reich, intelligent und mit einem ganz speziellen Charme gesegnet – den eifrigsten der Bewerber, Karl Darowski, Gutsbesitzer aus Podolia, zum Ehemann. Der anberaumte Hochzeitstermin musste allerdings um fast ein Jahr verschoben werden, weil Marcellina auf ihre Entscheidung hin mit einer schmerzhaften Lähmung des Beines und einer starken Allgemeinschwächung des Organismus reagierte, sodass man sie in Lebensgefahr wähnte. Die Bewohner des Landgutes von Szulaki beteten, unabhängig von ihrem religiösen Bekenntnis, inbrünstig um die Genesung der geliebten „Herrin“. Jahre später erinnerte sich Marcellina an die langen Wochen der Krankheit als eine Zeit der besonderen Einheit mit Gott.

Nachdem sie sich erholt hatte, wurde am 2. Oktober 1849 – aus Gehorsam – die Hochzeit mit Karl Darowski gefeiert. Der damalige Gemütszustand Marcellinas wird durch ein späteres Bekenntnis beleuchtet, in dem sie sagt: „Ich habe das Gelübde gemacht, dass ich das Wörtchen „ich“ vergessen werde, und wenn meine Gefühle und Gedanken von da an einem einzigen Menschen gehören sollen, so werde ich mich dem fügen, wobei ich, trotz allem, in Gott für Gott lebe.“ Marcellina war in der Tat eine vorbildliche Frau. Der Ehe entsprangen zwei Kinder, Josef und Karolina. Nach drei Jahren starb ihr Mann an Typhus und einige Monate später auch der kleine Josef. Die doppelte Trauer ließ Marcellina, wie sie in ihrer Autobiografie bekennt, mit ganzer Deutlichkeit spüren, dass das Ordensleben ihre endgültige Bestimmung war: „Dass ich ein weltliches Leben führe, lag nicht im Plan Gottes, meine wahre Berufung war seit jeher das gottgeweihte Leben im Ordensstand.“

Als Witwe von 25 Jahren gelobte sie der Jungfrau Maria, „nie mehr irgendeinem Geschöpf zu gehören“, und sie reiste ins Ausland, nach Berlin und Paris. Am 11. April kam sie zur Erholung nach Rom. Dort lernte sie 1854 Josefa Karska kennen, mit der sie enge freundschaftliche Bande knüpfte, und unterstellte sich der spirituellen Führung des Resurrektionisten Hieronymus Kaysiewicz, der im Begriff war, mit Josefa ein religiöses Institut zu gründen. Am 12. Mai 1854 legte Marcellina während der Eucharistiefeier vor ihrem Beichtvater und Spiritual, P. Kaysiewicz, privat die Gelübde der Keuschheit und des Gehorsams ab.

Marcellinas Situation gestaltete sich immer schwieriger, da sie einerseits an ihre Gelübde gebunden war und gleichzeitig in Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber ihrer Tochter Karolina in einer Umgebung leben musste, in der man für Religion wenig übrighatte. Anlässlich eines zweiten Aufenthalts in Rom 1857/58 intensivierte sie ihre Verbindung zu Karska und dem neuen Institut. Wieder zu Hause, ordnete sie die Erbschaftsangelegenheiten so, dass die Zukunft ihrer Tochter gesichert war.

Inzwischen verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Josefa Karska, die der aufkeimenden Kongregation der Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis der Allerseligsten Jungfrau Maria (Abb.), einem Gemeinschaftswerk von ihr und Darowska, als Oberin vorstand. Karska starb nach schwerem Leiden am 11. Oktober 1860. Darowska, von P. Kaysiewicz zu ihrer Nachfolgerin berufen, legte am 3. Januar 1861 in Rom öffentlich die ewigen Gelübde ab und übernahm das Amt der Oberin der anfänglich nur aus vier Schwestern bestehenden Gemeinschaft. Die Anstrengungen von Mutter Darowska konzentrierten sich auf die Entsendung der ersten Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis nach Polen. Dies war nur in jene Gebiete möglich, die unter österreichischer Oberhoheit standen, wo die unterjochten Nationen ein Minimum an Freiheit genossen. Als Sitz wurde Jazłowiec in der Diözese Lemberg gewählt. Im November 1861 kehrte Darowksa nach Hause zurück, um ihren kranken Eltern bis zu ihrem Tod beizustehen. Der Vater starb am 8. Dezember 1861, die Mutter am 21. März 1862. Nachdem sie den Grund für die Errichtung des ersten Klosters ausgesucht hatte, ging Darowska nach Einschreibung ihrer Tochter in das Kolleg „Sacre Coeur“ in Poznań im Oktober 1862 wieder nach Rom und nahm dort am darauffolgenden 1. November das Ordenskleid. 1863 transferierte sie die Kommunität in den Poniatowski-Palast nach Jazłowiec, der zur Wiege der Kongregation wurde. Am 22. Mai erhielt diese das Decretum Laudis und bereits am 1. November desselben Jahres wurde in Jazłowiec eine Mittelschule mit Mädcheninternat eröffnet, die sich innerhalb weniger Jahre zu einem wichtigen Zentrum des spirituellen und kulturellen Lebens entwickelte. Am 1. Januar 1864 folgte eine Gratis-Volksschule für die Kinder aus den umliegenden Dörfern. Bald darauf eröffnete das Institut weitere Volksschulen sowie die ersten Ausbildungsstätten für die Töchter von Grundbesitzern und höhergestellten Persönlichkeiten.

Mit Einzel- und Gruppenexerzitien leistete Darowska ihren ganz persönlichen Beitrag sowohl für die Jugendlichen als auch für die Erwachsenen und besonders für die Frauen. Mit Erlaubnis des Hl. Stuhls vermittelte sie Grundkenntnisse in Religion, wobei sie (in Abhebung zu den staatlichen Schulen) für die verschiedenen Kategorien eigene Methoden, Programme und Handbücher erarbeitete und in der privaten Klosterdruckerei herausgab. Die Lösung der sozialen Frage lag für Darowska in der Absicherung eines angemessenen Einkommens und der Möglichkeit, den Menschen eine redliche Arbeit zu verschaffen.

Neben diesem äußerst fruchtbaren Einsatz im Rahmen christlicher Bildungsarbeit hatte sich Darowska auch um die Formalitäten mit Blick auf die Anerkennung des Instituts zu kümmern und brachte so 1872 die „Regel“ zu einem Abschluss. Gerade in dieser sensiblen Zeit wurde sie am 26. Februar 1873 mit dem plötzlichen Tod ihres Spirituals, P. Kaysewicz, konfrontiert. Neben dem Empfinden, damit zu einer Waise geworden zu sein, machten sich bei ihr jetzt auch die Auswirkungen langjähriger Anstrengungen bemerkbar. Sie litt häufig unter Kreislaufstörungen sowie unter heftigen Kopfschmerzen, die sie in ihrer normalen Aktivität sehr beeinträchtigten.

Inzwischen ersuchten die Resurrektionisten Darowska, nach Rom zu kommen, da Aussicht auf die endgültige Anerkennung der Kongregation und die provisorische Approbation der „Regel“ von 1872 bestand. Aus Rom brachte sie dann das am 22. Juli 1874 ausgestellte Dekret des Hl. Stuhls über die Anerkennung der Kongregation mit, während „ihre Regel“ und die Konstitutionen zu weiteren Korrekturen an die bischöfliche Kurie von Lemberg retourniert wurden. Das erste Kapitel der Kongregation vom 27. Dezember 1874 bis 5. Januar 1875 sollte einen Schlussstrich unter die zehnjährige Gestehungszeit ziehen, doch bedurfte es in Wahrheit noch weiterer 12 Jahre, um die endgültige Approbation der Konstitutionen zu erlangen. Diese Verzögerung ging auf das Konto einiger Resurrektionisten, die im Kapitel von 1880 die von den Schwestern 1872 angenommenen Konstitutionen ablehnten, was die äußere Zusammenarbeit zwischen den beiden Kongregationen beendete.

Die definitive Trennung von den Resurrektionisten und die verzögerte Approbation der Konstitutionen war für Darowska eine sehr bittere Erfahrung; ebenso der Vorwurf, dass sie ihre Kongregation verbissen verteidigen würde, wobei sie fast als Häretikerin, Träumerin und Rebellin der kirchlichen Autorität gegenüber hingestellt wurde. Darowska schwieg in der Überzeugung, dass das Kreuz der Kuss der Liebe Gottes ist.

Nach Liberalisierung der politischen Lage entstanden auf den von Russland dominierten Gebieten geheime Schulen in Szymanów bei Warschau und in Słonim. Neben den von ihnen geleiteten Schulen gründeten die Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis auch jeweils Gratis-Volksschulen für die Menschen vor Ort.

Marcellina Darowska starb am 5. Januar 1911 in Jazłowiec. Sie hinterließ sechs Häuser und 350 Schwestern, die heute auch in Weißrussland und in der Ukraine tätig sind. Ihr Leichnam wurde im Klostergarten beerdigt und dann nach Zgromadzenie Sióstr Niepokalanek, Jazłowiec, r-n. Burczaki, obl. Tarnopolskie, Ukraine, überführt.

Am 6. Oktober 1996 wurde Maria Marcellina Darowska von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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