Andreas Resch: Magdalena von Canossa

MAGDALENA
VON CANOSSA
(1774-1835)

GRÜNDERIN
DER CANOSSIANERINNEN
UND CANOSSIANER
SÖHNE UND TÖCHTER
DER NÄCHSTENLIEBE

Heilig: 2. Oktober 1988
Fest: 10. April

MAGDALENA VON CANOSSA wurde am 1. März 1774 als Tochter des Marchese Ottavio di Canossa und der ungarischen Gräfin Teresa Szluha in Verona, Italien, geboren. Bei der Taufe erhielt sie den Namen Magdalena Gabriela. Die ersten Jahre ihres Lebens verbrachte sie im Schoß der reichen Adelsfamilie, wurde jedoch schon bald mit ziemlich schmerzhaften Erlebnissen konfrontiert.

Mit fünf Jahren verlor sie 1779 den Vater, der bei einem Ausflug in die Lessinischen Alpen von plötzlicher Übelkeit befallen wurde. Zwei Jahre später, 1781, starb die Mutter, die inzwischen mit dem Marchese Odoardo Zanetti von Mantua eine zweite Ehe eingegangen war. Magdalena war nun allein mit vier Geschwistern. Ihr Onkel gab sie fortan in die Obhut der französischen Gouvernante Françoise Capron, die das Mädchen nicht so recht verstand, und so ertrug Magdalena sechs Jahre hindurch ein Leben, in dem sie viel zu leiden hatte.

Mit 15 Jahren wurde sie von einer mysteriösen Krankheit heimgesucht, die von den Ärzten nicht diagnostiziert werden konnte und einen tödlichen Verlauf zu nehmen schien. Nachdem die Krise überwunden war, artete die Erkrankung zunächst in ein schmerzhaftes Ischias aus und dann in die Pocken, sodass Magdalenas ganzer Körper von Pusteln übersät war. Zur gleichen Zeit schrieb sie: „Da ich mich in meiner Absicht, Jungfrau zu bleiben, durch und durch gestärkt fühlte, versuchte ich auf jede nur erdenkliche Weise, Nächstenliebe zu üben. Ich glaubte aber, es sei mir beschieden, Nonne zu werden, obwohl ich, außer meinem Beichtvater, niemandem davon erzählte – aus Angst, es zu bereuen.“ Ihren Verwandten, die befürchteten, dass ihr Gesicht aufgrund der Krankheit für immer entstellt würde, erwiderte sie später gelassen: „Ich brauche niemandem zu gefallen; ich gehe ins Kloster.“

Mit 17 Jahren trat sie im Oktober 1791 in den Karmel ein – zuerst in das Kloster der hl. Theresia in Verona, dann in das Kloster der Unbeschuhten Karmelitinnen vornehmer Herkunft in Conegliano (Treviso), das sie bereits nach drei Tagen wieder verließ. Sie fühlte sich erdrückt von dem Gedanken an das Gitter und davon, sich nicht unmittelbar mit Werken der Nächstenliebe beschäftigen zu können.

Wieder zu Hause, übernahm sie die Leitung des herrschaftlichen Hauses und die Sorge für ihre jüngeren Schwestern Rosa und Eleonora. Es waren schwierige Zeiten. Die Auswirkungen der Französischen Revolution machten sich auch in Verona bemerkbar und Magdalena musste mit ihren Geschwistern nach Venedig flüchten, wo sie etwa zwei Jahre als Flüchtling lebte. Als sie zurückkehrte, hatte sie das Gefühl, dass sich die Menschen völlig verändert hatten. Was ihr besonders auffiel, waren Anzeichen des moralischen Verfalls, und vor allem in den Vierteln am Stadtrand herrschten unsägliches Leid und Elend.

Sie trat nun in die Spitalsbruderschaft ein, die sich um die Armen und Kranken kümmerte, widmete sich dann aber auf Empfehlung des Bischofs vornehmlich der Erziehung verlassener Mädchen. Gemeinsam mit einigen Gefährtinnen eröffnete sie ein kleines Heim, in dem sie von 1801 an die ersten Mädchen aufnahm; die kleine Schar wurde in der Folge mehrmals verlegt. Nachdem sie dann 1803 eine passende Unterkunft gefunden hatte, eröffnete sie in der Nähe von San Zeno eine Schule der Nächstenliebe, wo sie sich 1805 selbst niederlassen wollte. Schließlich gab sie jedoch dem Druck des Onkels nach und kehrte wieder zu ihrer Familie zurück. Drei Jahre später, 1808, erhielt sie von Napoleon, der ihre Arbeit bewunderte, das aufgelassene Kloster der Augustinerinnen von den hll. Joseph und Fidentius, „zum Zweck der Errichtung eines Zentrums der Nächstenliebe“, in dem sie auch eine Schule einrichtete. Magdalena verließ daraufhin am 8. Mai 1808 heimlich und einfach gewandet den Palast Canossa, um mit den Lehrerinnen und Schülerinnen ihr neues Quartier zu beziehen, wobei sie aber die Leitung ihrer Altersgenossin Leopoldine Naudet anvertraute, die diese bis 1816 innehatte. Die Schule wurde von den Frauen und Mädchen des größtenteils von derbem Volk bewohnten Viertels geradezu gestürmt, dessen Gesicht sich dank des Eifers und der unermüdlichen Nächstenliebe der adeligen Lehrerin und ihrer Gefährtinnen innerhalb kurzer Zeit vollständig wandelte. „Die Nächstenliebe ist ein Feuer, das immer mehr um sich greift“, pflegte Magdalena zu sagen.

Dies war der Grundstein der künftigen Kongregation der Töchter der Nächstenliebe (Abb.), der Magdalena in Venedig ihre endgültige Form gab, wohin sie 1810 von ihren Brüdern, den Grafen Antonio Angelo und Marcantonio Cavanis, eingeladen wurde, die 1802 in der Lagunenstadt eine Schule der Nächstenliebe für Knaben errichtet hatten und gerade dabei waren, eine solche auch für Mädchen ins Leben zu rufen. Als Gast von Donna Loredana Tron-Priuli half sie bei der Ausbildung der ersten Lehrerinnen für die Mädchen und bei der Gestaltung der Schule, die am 2. Juni 1810 eröffnet wurde. Dies verpflichtete sie, auch in den Folgejahren nach Venedig zu kommen, und führte schließlich dazu, dass sie dort gemeinsam mit zwei Gefährtinnen Quartier bezog – zunächst, am 1. August 1812, gleichsam zur Probe, in einem zu diesem Zweck gemieteten Privathaus. Hier begann sie mit der Abfassung der Regeln ihres Instituts, nach denen sie schon vor deren Niederschrift gelebt hatte. Am 13. Oktober 1813 nahm sie dann das alte Kloster S. Lucia in Besitz. Sie musste damals – nicht zuletzt wegen der antinapoleonischen Militärblockade von Oktober 1813 bis Juli 1814 – länger in Venedig bleiben. Bei dieser Gelegenheit begann sie mit der Aufzeichnung ihres geistigen Vermächtnisses, dessen Original später verloren ging.

Nach der Befreiung von Papst Pius VII. aus dem Exil am 15. März 1814, dachte man an die Approbation des Instituts. Zwischen Herbst 1814 und dem Frühjahr 1815 schrieb Magdalena die ersten Regeln für dessen Gründung. Um Pius VII. das Institut zur Approbation vorzuschlagen, kam es zur Begegnung mit dem Papst in Piacenza, wo dieser auf seiner Rückreise von Fontainebleau Station machte.

In der Zwischenzeit verließ Leopoldine Naudet am 12. November 1816 das Kloster von Verona, um sich mit ihren Gefährtinnen im ehemaligen Konvent der Theresianerinnen in Cittadella niederzulassen und dort dem neuen Institut der Schwestern von der Heiligen Familie Leben einzuhauchen, das am 9. November 1816 in Verona gegründet worden war, während am 4. November der Spiritual der Kommunität, der hl. Gaspare Bertoni, die Kongregation von den Heiligen Stigmen Unseres Herrn Jesus Christus ins Leben rief.

Nachdem sich die beiden Gruppen, die von 1808 bis 1816 in Gemeinschaft lebten, auf diese Weise getrennt hatten, begannen Canossa und ihre Gefährtinnen (damals etwa 20) ein selbständiges Ordensleben, das von Pius VII. mit dem Decretum laudis vom 20. November 1816 approbiert wurde. Von diesem Datum an setzte Magdalena ihr Leben zunehmend mit dem des Instituts gleich, welches – nach Approbation auch per kaiserlichem Dekret am 18.02.1919 – nach und nach die Anerkennung der Bischöfe der einzelnen Diözesen erhielt.

Der ganze Einsatz war von einer ständigen Zwiesprache mit dem Herrn begleitet, um in allem dem göttlichen Willen zu folgen, wie im XV. Kapitel ihrer Erinnerungen zu lesen ist:
„In der üblichen Weise – so schien es mir – wollte mir der Herr zu verstehen geben, dass ich den Gedanken an mein ewiges Heil wie auch das Wohl der Häuser des Instituts Ihm überlassen solle, was für mein Empfinden dann so geschah. Und so warf ich denn auch alle weiteren Sorgen und namentlich all meine Ängste auf Ihn, um allein an die Herrlichkeit Gottes zu denken, wobei es mir vorkam, dass ich weder auf die Versuchungen noch auf die Ängste, die Widerstände oder die Mühen zu achten brauchte, indem ich alles vergaß, oder besser gesagt: über alles hinwegsah, um mich nur mit der Ehre Gottes zu befassen und mich nur um Ihn zu kümmern. Mir war, als gewänne ich dadurch vollkommenen Abstand von allem und jedem der von mir so geliebten Häuser des Instituts; als forderte Er von mir eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber allem und jedem und bewirkte dieselbe.“

Gleichzeitig fühlte sie sich gedrängt, sich aus Liebe zu Christus ganz der Entwicklung des Instituts zu widmen.
So ist bezeugt: „Dieses Empfinden der Liebe Christi zu den Menschen weckte in ihr – abgesehen von dem Schmerz, ihm so wenig entsprochen zu haben, um ihn besser kennen und lieben zu lernen – auch das Bedürfnis, so zu handeln, als würden ihr Land und Leute nichts bedeuten, und sie wünschte sogar, sich in Staub aufzulösen, um sich auf diese Weise über die ganze Welt zu verbreiten, damit Gott erkannt und geliebt würde.“ So hielt sie sich 1828 / 1829 ca. drei Monate in Rom auf, wo sie von Leo XII. die endgültige Approbation der Regeln erhielt.

In den letzten Jahren ihres Lebens widmete sich Canossa dem Aufbau des männlichen Zweiges ihrer Gemeinschaft, den Söhnen der Nächstenliebe (Canossianer), der von ihr geplant war und nach verschiedenen Fehlversuchen zwischen dem 14.04. und dem 23.05.1831 in Venedig bei S. Luca ins Leben gerufen wurde. Dort eröffnete sie in zwei ärmlichen Behausungen das erste Oratorium der Söhne der Nächstenliebe, das sie dem venezianischen Priester Francesco Luzzo anvertraute (gest. 1861 als P. Roberto bei den Unbeschuhten Karmeliten), dem zwei Laien aus Bergamo, Giuseppe Carsana und Benedetto Belloni, zur Seite standen. Das Werk, das auf die Erziehung der armen Jugendlichen der Stadt abzielte, erhielt noch 1831 von Gregor XVI. das Decretum Laudis.

Obwohl Magdalena ihre Kräfte bereits schwinden spürte, pendelte sie weiterhin zwischen den Kommunitäten. In den ersten Monaten des Jahres 1835 hatte sie eine klare Vorahnung ihres nahen Todes. Eigenhändig schrieb sie einen letzten Brief an alle Töchter: „Da ich am Ende meiner Kräfte bin und mich daher in der süßen Verlockung befinde, von diesem Tal der Tränen Abschied zu nehmen… , wünsche ich mir, dass Gott euer Herz mit seiner heiligen und göttlichen Liebe entflammen möge.“

Rastlos bis zum letzten Atemzug, starb Magdalena von Canossa, wie sie vorausgesagt hatte, in Verona am Abend des 10. April 1835, Karfreitag, welcher der Patronin des Instituts, der Schmerzensmutter, geweiht ist. Drei Monate später wurde sie im Mutterhaus der Canossianerinnen, via S. Giuseppe, 15, Verona, Italien, begraben.

Am 7. Dezember 1941 wurde Magdalena Gabriela von Canossa von Pius XII. seliggesprochen und am 2. Oktober 1988 von Papst Joannes Paul II. heiliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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