Andreas Resch: Ludwig von Casoria Palmentieri


LUDWIG VON CASORIA PALMENTIERI
(Archangelus)
(1814-1885)

PROFESSPRIESTER
DES ORDENS DER MINDERBRÜDER (FRANZISKANER)

GRÜNDER
DER KONGR. DER BARMHERZ. BRÜDER („GRAUE BRÜDER“)
UND DER ELISABETHINEN („GRAUE SCHWESTERN“)

Selig: 18. April 1993
Heilig: 23. November 2014
Fest: 30. März

LUDWIG VON CASORIA PALMENTIERI wurde am 11. März 1814 in Casoria, in der Nähe von Neapel, als drittes Kind des Weinhändlers Vincenzo Palmentieri und der Candida Zenga – beide überzeugte Christen – geboren und am darauffolgenden Tag auf den Namen Archangelus getauft. Der Kleine wuchs im Kreis der Familie heran und besuchte die dortige Dorfschule. Im Hinblick auf seine Zukunft gingen die Meinungen der Eltern schon bald auseinander. Während die Mutter wollte, dass er Priester werde und eine humanistisch-religiöse Ausbildung einschlage, wünschte sich der Vater einen Tischler. Zunächst behielt er auch die Oberhand und schickte Ludwig zum Erlernen des Handwerks nach Neapel.

Nachdem dieser für kurze Zeit als Tischler gearbeitet hatte, holte ihn seine Priesterberufung ein und er begann wieder zu studieren, wenngleich er sich wegen der Armut seiner Familie für den Ordensstand entscheiden musste. Am 17. Juni 1832 trat Ludwig bei den Minderbrüdern der neapolitanischen Provinz in das Kloster von S. Giovanni del Palco in Taurano (Avellino) ein. Nach der Zulassung zum Noviziat erhielt er den Namen Bruder Ludwig von Casoria. Seine philosophischen und theologischen Studien absolvierte er in verschiedenen Klöstern der Provinz. Am 12. März 1834 legte er die Ordensprofess ab und am 4. Juni 1837 wurde er in Neapel zum Priester geweiht. Er widmete sich daraufhin vor allem dem Studium der Chemie, der Mathematik und der Physik. Da er sich als äußerst talentiert erwies, wurde er 1841 mit dem Philosophie- und Mathematikunterricht betraut und erfüllte außerdem noch die Aufgaben als Gärtner, als Definitor und als Vikar seiner Provinz.

Mit kaum 33 Jahren packte ihn jedoch eine unerklärliche Unruhe. Diese legte sich erst 1847, als die Gnade auf ihn herabkam. Während er in der Kirche von S. Giuseppe dei Ruffi vor dem Allerheiligsten Altarsakrament betete, verlor er das Bewusstsein und fiel ohnmächtig zu Boden. „Läuterung“ nannte P. Ludwig später das in jenem Augenblick in ihm vollzogene Geheimnis, als er vom Licht der Liebe des Herrn erfüllt wurde. Er wies ihm einen neuen Weg, den des Dienstes an den Armen und Kranken.

Ein „neuer Mensch“ geworden, stellte er fortan alle anderen Interessen hintan und nahm seine Arbeit in der Krankenpflege auf. In seiner Klosterzelle von S. Pietro ad Aram in Neapel richtete er eine Apotheke für die kranken Mitbrüder ein. Anschließend erwarb er in Scudillo di Capodimonte in Neapel eine Villa namens „La Palma“, die er für die kranken Brüder der gesamten Franziskanerprovinz strenger Observanz zu einer Krankenstation ausbaute. Darüber hinaus setzte er sich für die Verbreitung des Dritten Ordens im Königreich Neapel ein und wirkte als barmherziger Samariter in allen erdenklichen Notsituationen.

1854 legte ihm der Genueser Priester Giovanni Battista Olivieri nahe, sich für den Freikauf und die christliche Erziehung der versklavten Negerkinder einzusetzen, dem er begeistert zustimmte. Noch im gleichen Jahr, am 11. November, nahm er die ersten zwei farbigen Kinder auf, die sich unter seiner Führung zufriedenstellend entwickelten. Diese erste positive Erfahrung veranlasste Ludwig, die Entsendung von Missionaren, Priestern und Laien nach Afrika ins Auge zu fassen, die unter den Eingeborenen selbst angeworben werden sollten. Alles in allem handelte es sich schon damals um jenes großzügig angelegte apostolische Programm, das sein späterer Freund und Mitarbeiter Daniel Comboni in dem Satz zusammenfasste: „Afrika muss Afrika bekehren.“ Ferdinand II., König beider Sizilien, approbierte die Initiative am 20. Februar 1856 und unterstellte sie königlichem Protektorat. Im August desselben Jahres tummelten sich in „La Palma“ bereits neun farbige Kinder. Am 9. Februar 1857 erhielt Palmentieri von König Ferdinand die nötige Summe für den Loskauf weiterer 12 Kinder. Nachdem die Übergabeschwierigkeiten beseitigt waren, schiffte er sich am 9. April in Richung Kairo ein. Nach Neapel zurückgekehrt, stellte er dem König die freigekauften Kinder vor.

Diese neue Art von Missionsarbeit verlangte nach Sponsoren und Mitarbeitern. P. Ludwig unterbreitete seinen Plan daher zunächst dem Orden und erhielt am 16. März 1858 die Approbation des Generalministers Venanzio da Celano sowie des Generaldefinitors. Der Approbation seitens des Ordens, des Königs und des Ministers folgte jene durch die Glaubenskongregation.

Schon bald bot „La Palma“ nicht mehr genügend Platz für die vielen farbigen Jungen, die dort beheimatet waren. Nachdem dies dem König von Neapel, Franz II., zu Ohren gekommen war, stellte er Palmentieri ein ganzes Gebäude zur Verfügung.

Den gleichen Plan fasste P. Ludwig auch für die farbigen Mädchen ins Auge, die er loskaufen und in einem Missionskorps organisieren wollte. Bei diesem Vorhaben unterstützte ihn Sr. Anna Maria Fiorelli Lapini, die Gründerin der Stigmatinerinnen. Das entsprechende Kolleg entstand in Neapel, in Capodimonte, am 10. Mai 1859. Dort befanden sich 12 farbige Mädchen und gleichzeitig wurden auch arme Mädchen aus der Stadt unterrichtet.

Mit dem Fall der Borbonen 1860, deren Wohlwollen und Protektion P. Ludwig zugute gekommen waren, teilte er Pius IX. seine Besorgnis hinsichtlich der Effizienz seiner Arbeit mit. Der Unterstützung des Papstes aufs Neue versichert, führte er nicht nur seine karitative Tätigkeit fort, sondern beteiligte sich auch aktiv am Versöhnungswerk zwischen den Siegern und den Anhängern des alten Regimes.

Darum bemüht, nicht nur materielle Bedürfnisse zu befriedigen, zeigte P. Ludwig auch große Aufgeschlossenheit gegenüber der spirituellen Armut. Um den Katholizismus gegen die Angriffe des liberalen Indifferentismus zu verteidigen, gründete er 1864 in Neapel eine „Akademie für Religion und Wissenschaften“, der auch bekannte Schriftsteller beitraten. Mit einem ähnlichen Programm rief er noch im gleichen Jahr die Zeitschrift La Carità ins Leben. Zur Verbreitung des katholischen Unterrichts unter den Jugendlichen aus den wohlhabenden Schichten gründete er 1866, wenige Monate vor der Aufhebung der religiösen Orden, das Kolleg „La Carità“, an dem der junge Benedetto Croce studierte. Neben diesen großherzigen Versuchen im kulturellen und erzieherischen Bereich (wenngleich diese keine dauerhaften Resultate zeitigten) sind ferner zu nennen: die Veröffentlichung von vier weiteren Zeitschriften, die Herausgabe sämtlicher Werke des hl. Bonaventura in italienischer Sprache, eine vollständige Taschenbuchausgabe der Bibel sowie die Gründung von Druckereien und Musikkapellen. Schließlich regte er auch noch die künftige katholische Universität Italiens an.

Darüber hinaus förderte Palmentieri zahlreiche Wohltätigkeitswerke zugunsten von Waisenkindern, Taubstummen, Rachitikern sowie Leidenden und Bedürftigen im Allgemeinen und gründete verschiedene Waisenhäuser, Internate, Schulen, Spitäler und Altersheime. Seine Mitarbeiter waren vor allem Franziskaner-Terziaren, von denen er sich wünschte, dass sie sich aktiv für die gute Sache engagierten. So pflegte er zu sagen: „Ohne ein Werk der Nächstenliebe ist der Dritte Orden für mich ohne Bedeutung.“ Einige seiner edlen Helfer traten dann in die beiden von ihm gegründeten Gemeinschaften ein: die Kongregation der Barmherzigen Brüder, genannt die „Grauen Brüder“, 1859 und die Kongregation der Elisabethinen, genannt „Graue Schwestern“, 1862.

Schließlich erhielt P. Ludwig von der Glaubenskongregation die Erlaubnis, dem Franziskanerorden die Missionierung von Zentralafrika zu übertragen (1861) und als Stützpunkt für seine Missionare die Afrika-Station von Scellal zu errichten, in die er selbst einzog. Am 12. November 1865 schiffte er sich gemeinsam mit Daniel Comboni in Triest nach Alexandria in Ägypten ein, wo er am 18. November ankam. Am darauf folgenden 6. Januar traf er in Scellal ein und begann dort unter den Eingeborenen unverzüglich mit seinem Apostolat der Nächstenliebe. Bei ihm befanden sich drei Afrikaner, ein Neupriester und zwei Laien, die im Kolleg in Neapel ausgebildet worden waren. Das neue Haus beheimatete ein Spital, einen Arbeitsraum für Handwerker und Künstler sowie eine Schule für Arabisch und Italienisch. Nach dieser Gründung, von der man sich in Wahrheit nichts versprach, kehrte er noch 1866 nach Neapel zurück. Tatsächlich war er am 2. April 1867 gezwungen, das Haus wieder an die Glaubenskongregation abzutreten. Trotz dieses Misserfolgs setzte er seine Arbeit mit den farbigen Kindern fort.

Schließlich kümmerte sich Palmentieri noch um die religiöse Bildung der Bevölkerung im Süden, indem er eine Gruppe von Missionaren organisierte, um in den am meisten vernachlässigten Regionen Süditaliens das Evangelium zu verkünden.

Während er noch darüber nachsann, den Grauen Brüdern die Erziehung der farbigen Kinder anzuvertrauen, ereilte ihn am 30. März 1885 im Marianischen Hospiz in Neapel, dem letzten von ihm gegründeten Werk für betagte Matrosen, der Tod. Es herrschte allgemein große Trauer. In diesem Marianischen Hospiz in der Via Posilippo, 24, das seinen Namen trägt und von den Grauen Schwestern geleitet wird, ruhen auch seine Gebeine.

Am 18. April 1993 wurde Ludwig von Casoria Palmentieri von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

Resch, Andreas: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]

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