Andreas Resch: Liberatus Weiss und Gefährten


PROFESSPRIESTER DES
ORDENS DER MINDERBRÜDER
(FRANZISKANER)

MÄRTYRER
(† 1716)

Selig: 20. November 1988
Fest: 3. März

Die Minderbrüder hatten schon seit geraumer Zeit beabsichtigt, mit der Kirche von Abessinien in Dialog zu treten, deren Ursprünge sich bis zum Apostel Matthäus zurückverfolgen lassen, historisch gesehen aber im 4. Jh. angesiedelt sind, als in dieser Region eine Vereinigung aus kleinen Gruppen von Brüdern gegründet wurde, die bereit waren, sich in den Dienst der Armen und Kranken zu stellen und die Anhänger der dortigen christlichen Kirchen dabei zu unterstützen, auf dem Weg der Rechtgläubigkeit die volle Einheit mit Rom wiederzufinden. Diese Hoffnung hatte jedoch Generationen von Minderbrüdern das Leben gekostet und zu einem wiederholten leidvollen Exodus unzähliger verfolgter Katholiken geführt. Als sich seitens der politischen Kräfte Abessiniens eine versöhnliche Haltung abzeichnete und in der Sorge um die vielen katholischen Flüchtlinge, die ihren Glauben durch die Muslime bedroht sahen, beschloss der Hl. Stuhl 1697, die Mission in Äthiopien wiederaufzunehmen. Umgehend stellte sich dafür der Orden der Minderbrüder zur Verfügung und forderte aus den verschiedenen Provinzen Missionare an. Unter jenen, die der Einladung Folge leisteten, befanden sich die Patres Liberatus Weiss aus Österreich, Samuel Marzorati aus der Lombardei und Michael Pius Fasoli aus Piemont.

LIBERATUS WEISS (Johann Lorenz) wurde am 4. Januar 1675 in Konnersreuth, Diözese Regensburg, in Bayern, Deutschland, geboren und auf den Namen Johann Lorenz getauft. Mit 18 Jahren ersuchte er um Aufnahme bei den Franziskanern im benachbarten Eger. Am 7. Oktober 1693 begann er unter dem Namen Liberatus das Noviziat im Kloster der Minderbrüder in Graz, Österreich. Nach Abschluss der philosophischen und theologischen Studien wurde er am 14. September 1698 in Wien zum Priester geweiht. Die Ausübung seines Priesteramtes begann im Kloster von Langenlois, von wo aus er 1703 in den Konvent nach Graz versetzt wurde; dort verbrachte er ein Jahr als Prediger. Als der Generalkommissar des Ordens, P. Antonius von Palermo, die Provinzen dazu aufrief, auf Wunsch des äthiopischen Königs geeignete Missionare für dessen Land bereitzustellen, meldete sich, ohne zu zögern, P. Liberatus Weiss; sein Angebot wurde von der Glaubenskongregation angenommen.

SAMUEL MARZORATI (Antonius Franziskus) wurde am 10. September 1670 in Biumo Inferiore, Provinz Varese, Lombardei, in Italien geboren, ganz in der Nähe des Franziskanerklosters Maria Verkündigung, was auf seine Berufung entscheidenden Einfluss hatte. Im Alter von 22 Jahren begann er am 5. März 1692 unter dem Namen Samuel in Lugano das Noviziat und wurde nach Beendigung des Philosophie­- und Theologiestudiums zum Priester geweiht. Unmittelbar darauf begann er sich auf die Mission vorzubereiten und studierte im Franziskanerkolleg von San Peter in Montorio in Rom Medizin und Chirurgie. 1701 reiste er in die Mission nach Äthiopien und wurde ein Mitstreiter von P. Liberatus Weiss.

MICHAEL PIUS FASOLI wurde am 3. Mai 1676 in Zerbo nahe Pavia geboren. Aus seinem religiösen Leben sind nur wenige Daten bekannt; sicher aber ist, dass er in der damaligen Provinz von San Diego in Insubria im Piemont in den Orden der Minderbrüder eintrat. Kaum zum Priester geweiht, ersuchte er darum, in die Mission nach Äthiopien reisen zu dürfen, wo er die Misserfolge und Hoffnungen der Patres Weiss und Marzorati teilen sollte.

Weiss, Marzorati und Fasoli gehörten zu den ersten, die sich für die Mission meldeten; sie reisten jedoch nicht gemeinsam. P. Weiss seines Zeichens „Bildhauer und Maler“, sowie P. Michael Pius, „Mathematiker, Uhrmacher und Glockengießer“, wurden für Äthiopien bestimmt. P. Marzoratis Einsatz, der wie die anderen seine seelsorgliche Ausbildung in dem schon erwähnten Missionskollegium von S. Peter in Montorio in Rom erhielt, wo er Sprachen studierte und einen Lehrgang in Medizin mit „Praktikum“ im Hospital S. Spirito absolvierte, war hingegen für die Insel Socotra im Indischen Ozean vorgesehen.

Die Patres Weiss und Fasoli sowie weitere Missionare verließen unter Leitung des apostolischen Präfekten Josef von Jerusalem am 14. Januar 1705 Kairo, um über den Nil in das Missionsgebiet zu gelangen. Nach einer abenteuerlichen Reise („Man könnte sagen, in Ägypten haben wir Fasching gefeiert und in der Wüste die Fastenzeit“, schrieb P. Michael Pius in der Chronik), erreichten sie am 27. Juni Debba und trafen auf die Soldaten, die gegen den König von Sennaar rebelliert hatten. Wegen des Aufstandes konnten die Missionare ihre Reise nicht fortsetzen und so ließen sie sich, um den Schikanen der Soldaten zu entgehen, in dem Städtchen Ailefun nieder, das aufgrund der Anwesenheit des Asketen Idris Wad Ardab († 1655) jedem, der dort hinkam, Immunität gewährte. Sie blieben bis zum März 1708, als sie vom König nach Sennaar beordert wurden, dem es gelungen war, den Aufstand niederzuschlagen, und der der medizinischen Behandlung durch P. Josef von Jerusalem bedurfte. Die Missionare waren mittlerweile nur noch zu dritt, nämlich Josef von Jerusalem, Liberatus Weiss und Michael Pius; die übrigen waren entweder tot oder nach Ägypten zurückgekehrt. Am 29. Mai starb auch P. Josef von Jerusalem; die beiden verbliebenen Missionare wurden vollkommen ausgeraubt und am 30. Juni 1710 nach Ägypten zurückgeschickt.

Inzwischen waren 1706 P. Samuel Marzorati und zwei Mitbrüder in Socotra eingetroffen. Sie gaben an, für den jemenitischen König Heilkräuter sammeln zu wollen, und wurden daher freundlich aufgenommen. Es gelang ihnen aber nicht, über die auf der von Franz Xaver missionierten Insel lebenden Christen etwas in Erfahrung zu bringen, weshalb sie praktisch umgehend wieder abreisten. In Moka legte P. Samuel einen Zwischenstopp ein, um den Christen zur Seite zu stehen. Da er die Einsamkeit nicht ertragen konnte, reiste er nach Kairo, wo er nach Überleben einer Schiffskatastrophe 1711 eintraf.

Nach dem Scheitern der Nilreise unternahm die Glaubenskongregation im gleichen Jahr noch einen Versuch, in Äthiopien Fuß zu fassen, vor allem auch, weil die Einladung des Königs an den Papst, Franziskanermissionare in sein Reich zu entsenden, noch aufrecht war. Am 20. April 1711 wurde P. Liberatus Weiss zum apostolischen Präfekten der neuen Mission ernannt; ihm zur Seite standen P. Michael Pius, der die Reise der Missionare von 1704 bis zum 1. Oktober 1706 beschrieb, sowie Samuel Marzorati, der vor kurzem von der Insel Socotra zurückgekehrt war. Am 3. November 1711 verließen die drei Kairo und gelangten über Suez-Gidda, wo ihr Schiff in Flammen aufging, am 18./19. April 1712 nach Massawa. Von dort aus kamen sie dank der Hilfe des Mönchs Abba Mazmori am 20. Juli in die äthiopische Hauptstadt Gondar. Sie wurden vom König zwar freundlich aufgenommen, doch ersuchte sie dieser aufgrund der allgemeinen Lage in seinem Reich und wegen der seit der Dominanz der Portugiesen herrschenden starken Aversion gegen die Europäer, weder zu predigen noch religiöse Themen anzuschneiden und sich auch nicht als „römisch“ zu deklarieren. So lebten die Missionare praktisch im Untergrund und warteten auf bessere Zeiten. Sie widmeten sich inzwischen der Erlernung der Sprache und der Krankenpflege. Um Sympathien zu gewinnen, übten sie darüber hinaus die im Missionskolleg von Rom erlernten „Berufe“ – Bildhauerei, Malerei und Medizin – aus. Ihre missionarische Tätigkeit spielte sich völlig im Verborgenen ab. Offiziell galten sie als Händler und Freiberufler aus Europa. Es gab aber auch Augenblicke der Hoffnung, wie aus dem letzten Brief von P. Weiss hervorgeht: „Jetzt, wo meine Gefährten und ich langsam anfangen, in der Sprache der Leute hier zu reden, kommen auch immer mehr Schüler und Katechumenen. Und je länger wir bleiben, umso mehr von ihnen werden kommen. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass sich Mutter Kirche mit mir über eine große Zahl von Seelen wird freuen können.“

In der Zwischenzeit kursierten in der Bevölkerung Gerüchte über die Missionare und deren Religion, und die politische Lage der Nation änderte sich. Die Angriffe gegen den König wuchsen sich zu einer Revolte aus, und so schickte er – um den Grund für die Auseinandersetzungen zu beseitigen – die Missionare im September 1715 in die Provinz Tigre. Bald darauf erkrankte König Justos, woraufhin seine Gegner am 25. Februar 1716 den Sohn des verstorbenen Königs Iyasu (1682-1706), David, krönten. Die Missionare wurden nach Gondar zurückbeordert; man entdeckte nun, dass sie Ordensleute waren und machte ihnen den Prozess. Auf die typische Anschuldigung der koptisch-abessinischen Kirche, welche die Gottmenschheit Christi leugnete, antworteten sie ohne Vorbehalte: „Wir bekennen uns zur zweifachen Natur Christi und werden dies bis zum letzten Blutstropfen tun; niemals werden wir uns so wie ihr nur zu der einen bekennen.“ Man verurteilte sie daraufhin zum Tod durch Steinigung. Am 3. März 1716 riss man ihnen die Kleider vom Leib, schleppte sie an den Fuß des Amba Abò und steinigte sie. Ihre Körper befinden sich nach wie vor dort.

Am 20. November 1988 wurden Liberatus Weiss, Samuel Marzorati und Michael Pius Fasoli von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1986 – 1990. Innsbruck: Resch, 2005 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 2). XIII, 298 S., 69 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-076-X, Ln, EUR 25.70 [D], 26.52 [A]

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