Andreas Resch: Krispin von Viterbo, Peter Fioretti

KRISPIN VON VITERBO
(Peter Fioretti)
(1668-1750)

PROFESSBRUDER
DES ORDENS DER MINDERBRÜDER KAPUZINER

Heilig: 20. Juni 1982
Fest: 19. Mai

KRISPIN (Peter) FIORETTI wurde am 13. November 1668 als Sohn der Eheleute Ubaldo Fioretti und Marzia Antoni in Viterbo, Italien, geboren und zwei Tage später, am 15. November, auf den Namen Peter getauft. Der Vater, der die verwitwete Marzia geheiratet hatte, die eine Tochter in die Ehe mitbrachte, war Handwerker und starb, als Peter noch ganz klein war; Marzia wurde somit zum zweiten Mal Witwe. Die Vaterrolle übernahm fortan Francesco, ein Onkel väterlicherseits, der dem Jungen den Schulbesuch bei den Jesuiten ermöglichte, um ihn anschließend als Lehrling in seiner Schusterwerkstatt anzustellen. Die Mutter, eine sehr gläubige Frau, erzog Peter nicht nur zu einem frommen Leben, sondern lehrte ihn vor allem einen lebendigen Dialog mit der Gottesmutter. Als er ca. fünf Jahre alt war, stellte sie ihn anlässlich eines Besuches im Heiligtum von Quercia der Jungfrau mit den Worten vor: „Schau, sie ist deine Mutter und Herrin; liebe und ehre sie künftig als solche!“ Zudem hielt sie Peter samstags zum Fasten an und ermunterte ihn zum Kirchenbesuch. Das Fasten trug allerdings nicht gerade zu seiner Kräftigung bei. Dies wiederum veranlasste den Onkel zu Vorwürfen gegenüber Marzia: „Du kennst dich vielleicht mit Hühnern aus, aber mit Kindern kannst du nicht umgehen! Siehst du denn nicht, dass Peter nicht wächst, weil er nichts isst?!“ Fortan kümmerte er sich um die Mahlzeiten für den Jungen; Peter aber blieb immer derselbe, klein und mager, und das sein ganzes Leben lang. In der Schusterwerkstatt des Onkels arbeitete er bis zu seinem 25. Lebensjahr. Und er war wohl ein wenig mehr als bloß ein intelligenter, fleißiger und aufrichtiger Lehrling.

Als er eines Tages während einer großen Dürreperiode eine Bußprozession durch die Straßen von Viterbo ziehen sah, die um Regen betete, beeindruckte ihn die Frömmigkeit einer Gruppe von Kapuziner-Novizen, die vom Konvent auf dem Palanzana herunterkamen, und er beschloss, Kapuziner zu werden. Am 22. Juli 1693 – Fioretti war damals bereits 25 Jahre alt – trat er in eben diesen Konvent ein, nahm den Habit und nannte sich von nun an Bruder Krispin, wobei er sowohl den Widerstand seiner Angehörigen als auch die Schwierigkeiten, die ihm die Oberen machten, meisterte. Bewusst entschied er sich für den Laienstand, um den hl. Felix von Cantalice (ca. 1515 –1587) nachzuahmen. Nach Abschluss des Noviziats legte er die Ordensgelübde ab und wurde daraufhin von den Oberen in verschiedene Klöster Latiums versetzt (Tolfa, Rom, Albano, Monterotondo). Dort erfüllte er in Gehorsam die unterschiedlichsten Aufgaben, die ihm zugeteilt wurden, und hinterließ allerorts den Eindruck eines Heiligen.

Im Oktober 1709 wurde Bruder Krispin nach Orvieto geschickt, wo er, abgesehen von zwei Kurzaufenthalten in Bassano (1715) und Rom (1744), etwa 40 Jahre blieb. Hier arbeitete er als Krankenpfleger, Koch und Gärtner. Anfang 1710 machte er sich nach Orvieto auf, um für seine Mitbrüder Brot, Wein und Öl zu erbitten. Da der Konvent von Orvieto weit entfernt lag und der Weg dorthin sehr beschwerlich war, verfügte der Bettelmönch über ein kleines Hospiz innerhalb der Stadtmauern. Die meiste Zeit verbrachte er so mitten unter den Menschen, mit denen er gemeinsam den Messen beiwohnte, die Predigten hörte und an den Beerdigungen und besonderen Feierlichkeiten, die man in den verschiedenen Kirchen der Stadt abzuhalten pflegte, teilnahm. Alle kannten ihn und er kannte sie. Und sein Gruß lautete stets „Addio, santarello“, sodass jeder sich für seinen ganz speziellen Freund hielt. Dennoch war er „der Einsiedler in der Stadt“ und es kam nicht selten vor, dass ihn sein Begleiter erst am Mantel zupfen musste, damit er auf jemandes Gruß reagierte. Im Konvent verlor er darüber nie auch nur ein einziges Wort.

Bevor Bruder Krispin das Hospiz verließ, sang er immer das Ave Maris Stella und machte sich dann, den Rosenkranz in Händen, ans Almosensammeln, was meist nicht lange dauerte, weil er nur um das Notwendigste bat. Oft wurde ihm mehr angeboten, als er benötigte, woraufhin er dankend abwinkte: „Gib es dorthin, im Moment brauche ich es nicht, ich nehme es ein andermal mit!“ So blieb ihm immer noch Zeit, die Kranken und Gefangenen zu besuchen. Zu seinem Begleiter meinte er: „Und? Haben wir uns denn nicht auch um die Armen zu kümmern?“

In der Tat bewirkte sein Tun, wenn es ums Helfen ging, Unglaubliches, um Frieden, Gerechtigkeit und ein ruhiges Gewissen hervorzubringen. Niemand entging seiner Aufmerksamkeit: Künstler, Handelstreibende, Polizisten (damals „sbirre“ genannt), Gefangene, Waisen, Kranke, Bauern, alleinstehende Mütter, Ordensleute, ausgesetzte Kinder, verarmte Familien, Menschen, die die Ungewissheit zur Verzweiflung getrieben hatte. Um diesen und anderen Widrigkeiten Abhilfe zu schaffen, bediente sich Bruder Krispin seiner Tasche und seines guten Herzens. Kranken- und Gefangenenbesuche gehörten zu seiner täglichen Beschäftigung. Er tröstete diese und jene und das nicht nur durch Worte. Man achtete sehr darauf, was er zu einem Kranken sagte: „Freund, du hast gewonnen“, kündigte dessen Heilung an; wenn er hingegen mahnte: „Empfehlen wir uns dem Herrn!“, so hieß das, sich auf den Tod vorzubereiten. Aufgrund dieser fast schon prophetischen Aussagen wurde er als Thaumaturg angesehen, als einer, der Wunder wirkte, wie Heilungen oder die Vermehrung von Wein, Mehl und Brot.

Nicht selten leistete Krispin aber auch konkrete Hilfe. Selbst seinem Begleiter war es ein Rätsel, wie gut er über die Kranken und deren Zustand informiert war. Einmal sagte er zu dem Bruder, der mit ihm unterwegs war: „Gehen wir eine kranke alte Frau besuchen, die hier in der Nähe wohnt“, und er brachte ihr Fleisch, Zwieback und Bäckereien mit, die er von den Nonnen bekommen hatte. Wenn Mitbrüder erkrankten, wollte er, dass sie anstatt in das Krankenzimmer in sein Hospiz gebracht wurden, wo er sie mit der allergrößten Sorgfalt pflegte. Lange Zeit hindurch besuchte und half er einem kranken Ordensmann aus einer anderen Gemeinschaft, den seine Mitbrüder völlig vernachlässigten. Den Nonnen schärfte er die Pflege der kranken Mitschwestern ein, indem er ihnen kundtat, dass dies wichtiger sei als ihre Frömmigkeitsübungen.

Die Sorge Bruder Krispins für die Kranken und die Gefangenen ging weit über ein tröstendes Wort oder ein Stück Brot hinaus. Vor allem in Jahren der Hungersnot sammelte er in den Häusern bestimmter Leute eine Menge an Getreide und andere Grundnahrungsmittel, um diese unter den Armen zu verteilen, und schickte sie höchstpersönlich mit einer Empfehlung zu ihnen. Auch von auswärts trafen Spenden ein. Bruder Krispin schlug man nichts ab, was menschenmöglich war.

Gleichzeitig erwies sich Krispin als ein gediegener und weiser Berater. Er hatte nicht nur von Jugend an studiert, sondern las, meditierte, hörte Predigten und verfügte, neben einem aufgeschlossenen und wachen Geist, über ein eisernes Gedächtnis, sodass er eine Predigt wortwörtlich wiederholen konnte. Alle liebten das Gespräch mit ihm, Adelige wie Gelehrte, angefangen von Papst Klemens XI., und schätzten seinen Rat. Er fühlte sich als Missionar vor allem den Unwissenden gegenüber (hatte er doch darum gebeten, ihn zu den Ungläubigen zu schicken). Die Pfarrer im Umfeld von Orvieto nannten ihn den „Apostel und Missionar“ der Berge, da er auf seinen Bettelgängen durch ihre Ortschaften die Jugend und die armen Bauern mit großem Erfolg in die wichtigsten Geheimnisse des Glaubens und in die christliche Lehre einführte und sie fortwährend das Gleiche wiederholen ließ, bis er sicher war, dass sie es verstanden hatten.

Trotz der vielen Beweise an Ehrerbietung und Zuneigung blieben auch Bruder Krispin Anfeindungen, Demütigungen, Unverständnis und Opfer nicht erspart. Und das war bei einem Ordensmann wie ihm nicht anders zu erwarten. Sein konsequenter Einsatz bei der Verwirklichung des christlichen Ideals stellte ihn nämlich nicht nur in das Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern bescherte ihm auch ständige Konflikte mit seinem Umfeld. Bruder Krispin duldete keine kalkulierten Geschenke, halben Sachen, Kompromisse und Vorbehalte in seinem Leben. Er lehnte es von der ersten Stunde an ab, den Weg der Mittelmäßigkeit zu beschreiten, und identifizierte sich voll und ganz mit dem christlichen Radikalismus. Seine Worte genügten: „Lasst uns Gott aus ganzem Herzen lieben!“ „Alles müssen wir aus Liebe zu Gott tun!“ Einem Mitbruder vertraute er an: „Wenn du deine Seele retten willst, musst du Folgendes beachten: alle lieben, über alle nur Gutes sprechen und allen Gutes tun!“

Nachdem er im Winter 1747/48 schwer erkrankt war, verließ er am 13. Mai 1748 den Konvent von Orvieto in Richtung Rom. Nach seiner Abreise fand P. Guardian an der Tür in seiner Zelle eine „Liste mit allen Sammelorten“ des Konvents. Und ganz unten standen die gut gemeinten Worte: „Lebe gesund und halte dich von der Sünde fern!“

Als ihn zwei Jahre später der Krankenpfleger wissen ließ, dass er nicht mehr lange zu leben habe, versicherte er diesem, dass er ganz bestimmt nicht am 18. Mai sterben werde, „um das Fest des heiligen Felix nicht zu stören“. Und tatsächlich ereilte ihn der Tod erst tags darauf, am 19. Mai 1750. Seine sterblichen Überreste ruhen in einer Kappelle der Kirche von der Unbefleckten Empfängnis in der Via Vittorio Veneto in Rom.

Am 7. September 1806 wurde Krispin von Viterbo von Papst Pius VII. seliggesprochen und am 20. Juni 1982 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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