Andreas Resch: Katharina Jarrige


KATHARINA JARRIGE
(1754-1836)

LAIENSCHWESTER
DES DRITTEN ORDENS DES HL. DOMINIKUS

Selig: 24. November 1996 Fest: 4. Juli

KATHARINA JARRIGE wurde am 4. Oktober 1754 in der Ortschaft Doumis, Pfarrei Chalvignac, Cantal (oder Auvergne), Frankreich, als letztes von sieben Kindern der armen Bauersleute Pierre Jarrige und Maria Célarier geboren und bald darauf auf den Namen Katharina getauft. Die Bewohner kannten sie als „Catinon-Menette“, „Katharina, die kleine Nonne“. Der Vater, seit 1745 Pächter, musste, während Katharina heranwuchs, dreimal umziehen.
Als Kind lebte Katharina das Leben eines kleinen Mädchens auf dem Lande; der Schulbesuch blieb ihr wie vielen anderen versagt. So erschöpfte sich ihre Bildung in Bauernweisheiten, die sie sich durch Erfahrung, Belehrung durch die Alten, den Kontakt mit der Natur und das Studium des Katechismus aneignete. Dennoch konnte sie lesen. Ihre Jugend, die sie mit Arbeiten auf dem Feld und zu Hause verbrachte, war arm, aber glücklich. Die Armut war es auch, die ihre Eltern dazu veranlasste, sie ab dem neunten Lebensjahr als Haushaltshilfe in Dienst zu schicken, und die Familien waren mit ihrer Arbeit durchweg zufrieden. Nach der Erstkommunion mit 12 Jahren, auf die sich Katharina sorgfältig vorbereitet hatte, wurde sie ernster und eifriger im Gebet. Am 22. Dezember 1767 starb die Mutter im Alter von nur 47 Jahren. Dies war ein schwerer Schlag für die ganze Familie, der in Katharina jedoch eine starken, mutigen Geist formte. Als junges Mädchen erlernte sie das Handwerk der Spitzenmacherin und mit ihrem fröhlichen Naturell begeisterte sie sich besonders für das Tanzen. „Ich bin überall hingegangen, wo es eine Abendveranstaltung, ein Tanzvergnügen oder Musik gab.“

Als ihr bewusst wurde, dass der Herr sie dazu ausersehen hatte, einzig ihm zu dienen, verzichtete sie auf diese Art von Unterhaltung, um sich ganz in den Dienst am Nächsten zu stellen. Spätestens von 1778 an wohnte sie gemeinsam mit zwei Schwestern in Mauriac. Sie schrieb sich in den Dritten Orden des hl. Dominikus ein und wurde so zu einer „menette“, einer kleinen Nonne, mit dem Gelübde der Keuschheit, lebte aber weiterhin mitten unter ihren Leuten. Zum Vorbild an Heiligkeit und tätiger Liebe erkor sie sich die hl. Katharina von Siena, deren Charisma ihr ganzes Leben inspirieren sollte. Um ihren neuen Bestrebungen eine konkrete Gestalt zu geben, widmete sich Katharina umgehend mit Feuereifer den Armen und Kranken, um ihnen Trost zu spenden, sowie dem letzten Dienst an den Verstorbenen, sodass sie, wie erwähnt, schon bald unter dem Namen Catinon-Menette bekannt wurde, was in der lokalen Umgangssprache soviel bedeutete wie „Katarina, die kleine Nonne“.

Sechzig Jahre hindurch, bis zum 82 Lebensjahr, war ihr Alltag von den Armen, Kranken und Waisen bestimmt. Während sich Katharina ihren Unterhalt mit der für Frauen aus der Auvergne typischen Arbeit als Spitzenklöpplerin verdiente, verbrachte sie den Rest des Tages mit Almosensammeln bei den Reichen für ihre Schützlinge in der Umgebung von Mauriac. Viele Jahre hindurch mussten die Bürger alle ihren Beitrag leisten. In ihrer Schürze hatte Katharina zwei große Taschen, in denen sie den Erlös ihrer Betteltätigkeit verstaute. Wenn sie ein Haus betrat, so deutete sie jeweils lächelnd auf ihre Taschen, die sie weit offenhielt, und meinte in ihrer schelmischen Art: „Nur hinein damit!“ oder „Guten Tag, mein Herr, ich bin’s wieder! Nur keine Sorge!“ Das war ihr ganzes Gespräch. Den Rest konnte man sich zusammenreimen. Zuweilen machte eine Frau auch ihrem Ärger Luft, doch „menette“ ließ sich nicht einschüchtern. Sie lächelte unentwegt und verharrte auf ihrem Platz. Und sie bekam immer etwas. Dann und wann machte sie ein ernstes Gesicht, wurde wütend und übertönte ihr Gegenüber: „Ihr da! Edle Dame, edler Herr! Ihr habt alles, was Ihr braucht – Geld, Weißbrot, guten Wein und eine warme Stube! Aber Ihr kümmert euch kaum um jene, die vor Hunger oder Kälte sterben. So geht das nicht… Avanti! Zeigt her Eure Großzügigkeit, ich werd’s nicht verschmähen!“ Und selbst die verhärtetsten Gemüter ließen sich von Katharinas Lächeln erweichen. Auf diese Weise kamen jene, denen es an Vielem mangelte, zu Würsten, Obst, Kleidung und Schuhwerk.

Wenn sie einer Waise oder sonst einem armen Kind begegnete, mit zerrissenem Gewand und am ganzen Körper zitternd, nahm sie es an der Hand und brachte es in ihr Haus oder zu mildtätigen Personen, wo es sich wärmen konnte, zu essen bekam und Katharina ihm die Kleider flickte. Und bevor sie es nach Hause schickte, gab sie ihm noch mit, was sie hatte: Brot, ein Hemd, Schuhe.
Bei den Kranken versah sie die Rolle einer Krankenschwester und geistlichen Begleiterin, denn ihr lag die Heilung von Leib und Seele gleichermaßen am Herzen. Man ließ sie rufen, wenn ein Kranker auf dem Sterbebett gegen Gott oder die Kirche rebellierte. Sie machte sich umgehend auf den Weg und jenen, die sie fragten, wohin sie gehe, antwortete sie, vor sich hinträllernd: „Ich gehe, um die Antifon zu bringen“, was soviel heißen sollte wie: „Ich gehe, um mit diesem Mann, dieser Frau vom lieben Gott zu sprechen, zu versuchen, ihre Herzen zu öffnen, sie zum Glauben zu führen.“

Während der Revolution (1789 – 1799) litt sie sehr unter dem Riss des Schismas, der von der Zivilkonstitution des Klerus ausging. Es gab zwei Kirchen in Frankreich. Katharina bedauerte es, mit ansehen zu müssen, wie die Unterdrückung des gottgeweihten Lebens, des Ordenslebens, per Gesetz legitimiert wurde. Sie litt unter der Entchristlichung durch die Schreckensherrschaft und den ungerechten Verfolgungen des romtreuen Klerus. In all dieser Pein erkannte sie, dass das Überleben der Kirche selbst, die Fortsetzung der Verkündigung des Evangeliums in der Kirche Christi auf dem Spiel stand. Wie ihre Patronin Katharina von Siena bekannte sie mutig ihren Glauben und ihre Liebe zu Christus, zur Kirche und zu den Priestern.
Das wilde Geschrei in den Straßen von Mauriac zerriss ihr das Herz: „Es lebe die Freiheit! Tod den Aristokraten! Nieder mit den Priestern und den Adeligen!“ Die Heiligen, die den Orten ihre Namen gegeben hatten, waren bereits verbannt. Man sagte nicht mehr: das Dorf Saint-Martin, sondern einfach Martin.

Katharina konnte sich weder damit abfinden noch irgendwelche Kompromisse eingehen. Während sie es ablehnte, den Feiern des sogenannten „konstitutionellen“ Klerus beizuwohnen, setzte sie sich umso mehr für den geheimen Klerus ein, welcher der Römischen Kirche treu geblieben war. Und sie verstand es, dieses schwierige Vorhaben auf hunderfache Weise und mit tausendfacher List durchzusetzen, wobei sie Gefahren auf sich nahm und Ängste überwand. Ihr bevorzugtes Aktionsgebiet war das schluchtenartige Tal von Auze mit seinen Wäldern, ein wildes Fleckchen Erde ohne Verbindungswege. In seine moosbewachsenen, nahezu unzugänglichen Höhlen hatten sich Priester und Ordensleute geflüchtet, die dem auferlegten Eid, sich von der päpstlichen Jurisdiktion loszusagen, nicht Folge geleistet hatten. Ihnen drohte die Todesstrafe, wenn sie nicht das Exil wählten. Die gleiche Strafe galt für all jene, die sie in ihren Häusern aufnahmen oder anderswo versteckten.

Katharina missbilligte formell die Politik der Regierung in Religionsangelegenheiten. Ungefähr neun Jahre lang, von 1790 bis 1799, stellte sie all ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten in den Dienst des sog. abtrünnigen Klerus, vor allem ab Herbst 1792, als die Verfolgungen mit aller Wucht die Gegend von Cantal erreichten. Die Kirche wurde zur „Untergrundkirche“. Die Priester mussten sich verstecken und litten unter Hunger und Kälte. Katharina besorgte ihnen Unterkunft und Nahrung. Außerdem wurden sie von den Gardisten gesucht. Sie entzog sie der Verfolgung, indem sie den Gefahren vorbeugte. Sogar bei der Gendarmerie hatte sie Komplizen: in Pleaux den Gendarmen Jammetton; in Mauriac den Brigadier Barré, der – wenn er Katharina nicht mit Worten warnen konnte – einfach die Spitze seiner Mütze in jene Richtung drehte, in die sich der Suchtrupp bewegte.

Katharina setzte alles auf eine Karte. Eineinhalb Jahre lang versteckte sie zwei Priester in ihrem Haus, beschritt waghalsige Wege, nur um anderen Nahrungsmittel, Kleider und das Notwendigste für die Feier der hl. Messe zu bringen. Davon zeugen heute noch zwei Kelche in Saint-Flour und Mauriac. Nachts kam sie dann zu ihnen, um sie zu Familien zu begleiten, die nach den Sakramenten verlangten. Wir kennen verschiedene Namen von Priestern, deren Schutzengel die unerschrockene Frau war: Roche, der mit ihr eingesperrt wurde, als er noch Kleriker war; Counil und Leymonier, die sich in einem abgelegenen Dorf versteckt hielten, Baldus, der sich weiter außerhalb verbarg; der 28-jährige François Filiol, den Katharina am 14. März 1793 zur Guillotine auf dem Platz von Mauriac begleitete und dessen Blut sie auffing, so wie die ersten Christen das Blut der Märtyrer. Zunächst hatte sie ihn versteckt, doch wurde er von anderen verraten. Katharina selbst wurde im Jahr darauf, 1794, in Aurillac eingekerkert. Sie erschien vor dem Tribunal, wurde jedoch aus Mangel an Beweisen freigelassen. Beschimpfungen und Verhöhnungen aber waren ihre ständigen Begleiter.
Zwischen August 1795 und Januar 1796, in Katharinas intensivster Zeit, wurden 14 Taufen vollzogen und 13 Ehen geschlossen. Für die Täuflinge fungierte sie als Taufpatin, für die Brautleute als Zeugin.
Nach der Revolution wirkte sie noch 36 Jahre zum Wohl der Ärmsten, wozu auch die Gefangenenbetreuung und die Beerdigung der Einsamen und Verlassenen zählte. 22 Jahre arbeitete sie als Krankenschwester im Spital von Mauriac.

Schließlich erlitt ihre Gesundheit einen Einbruch. Die Krankheit währte fünf Tage. Katharina starb am 4. Juli 1836 in Mauriac. Der Leichnam wurde mit dem Habit der Dominikanerinnen bekleidet. Das Grab auf dem Friedhof von Mauriac ist stets gepflegt und trägt reichen Blumenschmuck.

Am 24. November 1996 wurde Katharina Jarrige von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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