KASPAR BERTONI
(1777-1853)
PRIESTER UND GRÜNDER
DER KONGREGATION DER HL. WUNDMALE UNSERES HERRN
JESUS CHRISTUS
Heilig: 1. November 1989
Fest: 12. Juni
KASPAR BERTONI wurde am 9. Oktober 1777 als erstes Kind des Notars Francesco Luigi Bertoni und der Brunora Ravalli di Sirmione in Verona, Republik Venedig, geboren. Bei der Taufe am darauffolgenden Tag erhielt er den Namen Kaspar Alois Dionysius. Da er nach dem Tod seiner kleinen Schwester das einzige Kind blieb, genoss Kaspar eine vorzügliche Erziehung im Schoß der Familie. Von 1785 bis 1795 besuchte er die Schulen von S. Sebastiano, die nach der Unterdrückung der Jesuiten der Gemeinde zugefallen waren; Unterweisung und Leitung der Marianischen Kongregation oblagen jedoch weiterhin den Jesuiten. Von seinen jesuitischen Lehrern erhielt Bertoni eine echte ignatianische Ausbildung, die durch die Aufnahme in die Marianische Kongregation und die geistliche Führung des unvergleichlichen P. Luigi Fortis, des künftigen Generaloberen der Gesellschaft Jesu, noch weiter vertieft wurde.
Bereits von der mit elf Jahren empfangenen Erstkommunion an zur mystischen Einheit berufen, reifte in Kaspar der Priesterberuf.
Nach höchst erfolgreicher Beendigung der humanistischen Studien beschloss Bertoni mit 18 Jahren, Priester zu werden. Von 1795 bis 1800 besuchte er als Externer die Theologie-Kurse im Diözesanseminar von Verona, wo er in Don Nicola Galvani, Professor für Moraltheologie, seinen Seelenführer fand. Bei der französischen Invasion am 1. Juni 1796 widmete sich Bertoni mit großer Hingabe der Pflege der Kranken und Verwundeten, indem er der „Evangeliumsbruderschaft für die Spitäler“ beitrat, die 1796 von Peter Leonardi gegründet wurde, um sich der Kranken und speziell der Verwundeten der Kriege von Arcole, Rivoli und Caldiero sowie der Aufstände der „Veronesischen Ostern“ von 1797 anzunehmen. Am 31. Dezember 1796 nahm er den Talar, da er sich zum Einsatz für die von den Verderbnissen der Zeit bedrohte Jugend berufen fühlte.
Nach der Priesterweihe am 20. November 1800 wurde Bertoni von seinem Pfarrer von S. Paul in der Berufung zur apostolischen Jugendarbeit bestätigt und mit einer Gruppe von Jugendlichen betraut, die gerade eben zur Erstkommunion zugelassen worden waren. Bertoni richtete seine priesterliche Tätigkeit von Anfang an auf zwei Schienen aus: Einsatz für die Jugendlichen und spirituelle Formung des Klerus im Zusammenhang mit der Wiederentdeckung der Herz Jesu-Verehrung; außerdem vertrat er Standpunkte, die in ähnlicher Form auch vom hl. Alfons von Liguori getragen wurden. Er brachte sich sofort mit all seinen Fähigkeiten in das neue Arbeitsgebiet ein und wurde so zum Vater für viele verlassene junge Menschen, die in jenen unruhigen Zeiten auf sich allein gestellt waren. Am 20. Juni 1802 gründete er für sie ein Oratorium, das er im Stil einer „Marianischen Kohorte“ leitete, wobei er bereits in der Terminologie der Bilder die künftige Organisation der Katholischen Aktion vorwegnahm. Bertoni zielte nämlich auf eine integrale Erziehung des Jugendlichen, im Geistigen durch Frömmigkeit und im Körperlichen durch die im Heim getätigten Leibesübungen, ohne dabei auf den beruflichen Werdegang zu vergessen. Die Bertoni-Oratorien verbreiteten sich in der Stadt und in der Diözese und entpuppten sich als der effizienteste Schutz der Jugend. Als jedoch dieses Werk der Vorsehung bereits in den verschiedensten Pfarreien gefördert wurde, unterdrückte das allgemeine Dekret Napoleons vom 26. Mai 1807 sämtliche Bruderschaften, Kongregationen, Gesellschaften und alle religiösen Laienverbindungen, mit Ausnahme der Bruderschaften des Allerheiligsten Altarsakraments, und so verschob Bertoni die Verwirklichung seiner Pläne vorerst auf bessere Zeiten.
Inzwischen begann er sich auch für die weibliche Jugend zu engagieren, wobei er von Anfang an die spirituelle Leitung des Werkes der heiligen Magdalena von Canossa übernahm. Im Mai 1808 wurde er zum Beichtvater der Klause vom hl. Josef bestimmt, wo Canossa gerade im Begriff war, das Institut der Töchter der Nächstenliebe aufzubauen. Hier begegnete er auch der Dienerin Gottes Leopoldina Naudet, die er zu mystischen Höhen und zur Gründung der Schwestern der Heiligen Familie führte.
Für die Weiterbildung des jungen Klerus richtete er in seinem Haus einen „Hauszirkel für kirchliche Studien“ ein, in dem die Gedanken des hl. Thomas und die Morallehre des hl. Alfons von Liguori vertieft werden sollten. 1810 wurde er vom Bischof mit der geistlichen Führung der Kleriker des Seminars beauftragt. Hier begann Bertoni seine Arbeit für eine tiefgehende Erneuerung, die auf der unbedingten Treue zu dem von Napoleon gefangen gehaltenen Papst Pius VII. und auf der vollständigen Befolgung des Evangeliums fußte. Mit dem Predigen von geistlichen Exerzitien, Einkehrtagen, der Errichtung eines Zentrum zur wissenschaftlichen und geistigen Fortbildung der jungen Priester sowie durch Beratungstätigkeit, geistliche Führung und die Auswahl von Berufungen wurde Bertoni zum Lehrmeister des veronesischen Klerus.
Mit dem Sturz Napoleons verspürte man allgemein die Notwendigkeit einer Erneuerung. Bertoni verstand, dass man zur Rückführung der „Herde“ in den „Stall“ diese durch das Predigen von Volksmissionen, in denen die Grundwahrheiten des Glaubens dargelegt wurden, aufrütteln musste. Am 20. Dezember 1817 betraute ihn Pius VII. mit einem klaren Mandat, indem er ihm den Titel eines „Apostolischen Missionars“ verlieh.
Und während die argwöhnische österreichische Regierung diesen speziellen Einsatz verhinderte, hielt Bertoni gelegentlich Predigten und Katechesen, wobei er seine Arbeit auf ein tief verinnerlichtes Leben gründete, das – wie aus seinem „privaten Memorial“ hervorgeht – mit zahlreichen mystischen Gnadengaben gesegnet war. Besagtes Dokument besteht aus wenigen handgeschriebenen Seiten, denen er zwischen dem 1. Juli 1808 und dem 26. Juni 1813 die geheimen Regungen seiner Seele anvertraute: Vorsätze, Gemütszustände, kurze Meditationsnotizen oder die geistlichen Lesungen zum Tag – ausschließlich für den persönlichen Gebrauch bestimmt. So schreibt er am 30. Mai 1812, nach der eindringlichsten mystischen Erfahrung seines Lebens:
„Als ich beim Gebet vor der Messe von einem leichten Schlaf befallen wurde, hörte ich tief in mir den Gekreuzigten sprechen: ,Betrachte dieses mein Herz!‘ Sofort erleuchtete dieses Wort auf wunderbare Weise meinen Verstand, durchflutete mein Herz mit einer plötzlichen und unbändigen Wärme, die sich dann wie der Geist erhob, um den angezeigten lieblichen Gegenstand zu betrachten; ein Schauer durchfuhr meinen Körper und wenngleich ich Augen und Mund geschlossen hatte, war meine Seele hellwach und voll Freude.
Es schien, als wollte sich die Seele vom Leibe trennen; als sich der Akt des Hinwendens zu dem, der da sprach, neuerlich vollzog, war da wieder dieser Schauer, gleich dem Empfinden eines süß-schmerzlichen Todes; da die Seele unsicher war, was zu tun sei, schien es doch, dass sie, würde die Sache fortgesetzt, sterben oder zumindest die Verbindung mit dem Körper gelöst und sie so behindert würde; so verharrte sie mit Freude in den Händen des Herrn, wo sie tiefe Ruhe empfand, als ob sie in eben diesem Augenblick gestorben wäre; und plötzlich gewahrte sie sich wieder, wie vorher, im Besitz ihrer Sinne. Die Folge war eine innige Hingabe an das Herz Jesu und ein tiefes Ergriffensein bei der hl. Messe, wo auch die Seele in der hl. Kommunion zarte Tränen fand; hernach große Sammlung und Sanftmut den ganzen Tag über, mit Aufblühen der drei theologischen Tugenden“ (Bertoni 75).
Unter diesen mystischen Erfahrungen ist auch der Ruf zur Gründung einer Ordensgemeinschaft zu nennen, wie in den Aufzeichnungen vom 15. September 1808 zu lesen ist: „Bei einem Besuch am Altar des hl. Ignatius, zusammen mit meinen Gefährten… schien es mir, als wolle er sagen: ,Auf, ihr Soldaten Gottes, umgürtet euch mit Stärke, beweist unverhohlen euren Glauben, die Kraft der Gesundheit, die Klinge des göttlichen Wortes, und kämpft mit der uralten Schlange. Lasst meinen Geist durch euch in euch und anderen wiedererstehen!“ (Bertoni 111; Übers. Red.)
Leider war in jenen Zeiten der Unterdrückung des religiösen Lebens bei jeder Handlung Vorsicht geboten. Daher begann Bertoni sein Projekt im Verborgenen und er nahm von seinem Seelenführer das Angebot an, in einem Lokal neben der aufgehobenen Kirche von den heiligen Stigmen des hl. Franziskus eine Gratisschule zu leiten. So machte er sich am 4. November 1816 mit einigen freiwilligen Gefährten zum Lehrmeister von etwa 50 Jugendlichen und investierte von da an 27 Jahre lang seine ganze Energie in ein Gymnasium, aus dem zahlreiche Priester für die Kirche und mustergültige Bürger für das Vaterland hervorgingen. Gleichzeitig zog er sich mit zwei Gefährten zurück, um insgeheim unter dem Deckmantel der Schule in einem Gemeinschaftsleben strenger Observanz seinen unentgeltlichen Dienst für Kirche und Gesellschaft zu beginnen. Auf dem Programm standen ein intensives kontemplatives Leben und ein umfassendes Apostolat, das – in völligem Einklang mit den Anforderungen der Bischöfe – Jugenderziehung, die Ausbildung des Klerus und die Abhaltung von Volksmissionen umfasste. Auf diese Weise wurde am 4. November 1816 der Grundstein für die „Kongregation der apostolischen Missionare im Dienst der Bischöfe“ gelegt, die nach ihrem Entstehungsort Kongregation der Heiligen Wundmale unseres Herrn Jesus Christus (Stigmatiner) genannt wurde.
Inzwischen musste Bertoni nicht nur der Zeit, sondern auch seiner eigenen Gesundheit Rechnung tragen. Am Tag nach einer Ekstase, die er am 30. Mai 1812 vor dem Kreuz hatte und die den Höhepunkt seines Aufstiegs zu mystischen Höhen darstellt, wurde er von Miliartuberkulose befallen, die ihn an den Rand des Grabes brachte. Er erholte sich fast wie durch ein Wunder, musste jedoch in den restlichen 41 Jahren seines Daseins so viele Rückfälle in Kauf nehmen, dass sein Leben von 1824 an ein von physischen Leiden und Schmerzen gezeichnet war, die er ohne die geringste Klage in vollkommener kindlicher Hingabe an Gott ertrug. Am 10. September 1843 feierte er seine letzte hl. Messe. Da er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, musste er die folgenden zehn Jahre auf den Trost, der ihm so teuer war, verzichten. Vom Krankenlager aus wirkte er jedoch durch seine weisen Ratschläge und das Licht seines Beispiels weiterhin als das Herz der gesamten Stadt, bis zu seinem Tod, der ihn am Sonntag, den 12. Juni 1853, in Verona ereilte.
Seine sterblichen Überreste ruhen in der Chiesa delle Stimmate, via Carlo Montanari, 3, Verona, Italien.
Am 1. November 1975 wurde Kaspar Bertoni von Papst Paul VI. seliggesprochen und am 1. November 1989 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen.
RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]
Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at