Andreas Resch: Juan Diego Cuauhtlatoatzin

JUAN DIEGO
CUAUHTLATOATZIN
(1474-1548)

DER GESANDTE UNSERER
LIEBEN FRAU VON GUADALUPE

Heilig: 31. Juli 2002
Fest: 9. Dezember

JUAN DIEGO CUAUHTLATOATZIN vom Stamme der Chichimecas wurde um 1474 in Cuauhtitlán, 20 km nördlich von Tenochtitlán (heute Mexiko-Stadt), geboren. Sein Geburtsname war Cuauhtlatoatzin, welcher mit „der wie ein Adler spricht“ übersetzt werden kann, ist doch der Adler das Symbol des Evangelisten Johannes. Das zeigt, wie die spanischen Missionare versuchten, das Christentum zu „inkulturieren“, indem sie, soweit möglich, auch den konvertierten Indios christliche Namen mit einem symbolischen Gehalt analog ihren ursprünglichen Namen verliehen. Nach dem bedeutendsten biografischen Dokument des Heiligen, dem von dem Historiker Fernando de Alva Ixlilxochtl verfassten „Nican Motecpana“, war Diego ein „macehual“, ein „armer Indio“, ein Mann des Volkes, ein kleiner Bauer in einem kleinen Dorf: ein unbedeutendes Etwas in der komplexen und hierarchisch geordneten aztekischen Gesellschaft. Das heißt, dass er zwar zur zahlenmäßig starken Unterschicht des Aztekenreiches gehörte, aber kein Sklave war.

1524, drei Jahre nach der Eroberung Mexikos, kamen die ersten Franziskaner-Missionare in das Land, darunter P. Peter da Gand, von dem Diego laut Zeugenaussagen die Grundlagen der christlichen Lehre vermittelt bekam. Im Alter von 50 Jahren wurde er 1524 auf den christlichen Namen Juan Diego getauft, zusammen mit seiner Frau Malintzin, die ihrerseits den Namen Maria Luzia annahm. Nach den „Informaciones Guadalupanas“ von 1666, die auf den ersten kirchlichen Untersuchungen im Hinblick auf die Ereignisse von Guadalupe beruhen, scheint es, dass Juan Diego bereits vor seiner Bekehrung ein religiöser, sehr zurückgezogener und meditativer Mann war. So ging er die 20 km von seinem Haus nach Tenochtitlán zu Fuß zur Katechese.

Eine Predigt des Franziskaners Toribio de Benevento, den Eingeborenen als „Motolinia“ (der Arme) bekannt, bewog ihn zu einer christlichen Ehe. Von da an bis zum Tode seiner Frau im Jahre 1529 führte Juan ein Leben voller Verantwortung für die Familie. Nachdem seine Frau gestorben war, zog er zu einem Onkel nach Tolpetlac, nur vierzehn Kilometer von Tenochtitlán entfernt, wo er jeden Samstag und Sonntag barfuß den Katechismusunterricht und die Messe in Santa Maria besuchte. Aus diesem Grund nannte man ihn den „Pilger“. Seine Zeit war aufgeteilt zwischen Feldarbeit und religiösen Übungen. Sein Leben verlief mehr oder weniger wie das seiner Landsleute – bis zu jenem Morgen des 9. Dezember 1531.

Die Überlieferung von Guadalupe, die bis 1531 zurückgeht, bezeugt, dass der damals 57-jährige Juan Diego in den ersten Dezembertagen des Jahres, während er zu Fuß auf der Straße nach Tlatelolco, einem Vorort von Mexiko-Stadt, 20 km entfernt, unterwegs war, eine Begegnung hatte, die sein Leben völlig veränderte. Es war ein Samstag. Als er die Anhöhe des Hügels Tepeyac erreichte, hörte er einen melodiösen Gesang, wie von seltenen Vogelarten. Verwundert blieb er stehen und fragte sich, ob er vielleicht in das irdische Paradies gelangt war, als der Gesang aufhörte und von der Spitze des Hügels eine Stimme ertönte: „Juantzin, Juan Diegotzin“ (Diminutiv nahuatl von „Juan“ und „Juan Diego“). Er stieg hinan und erblickte oben eine junge Frau in einem Gewand so hell wie die Sonne, und er fiel vor ihr auf die Knie. Da wandte sich die Frau ihm zu und sagte, dass sie „die stets vollkommene Jungfrau Maria, die Mutter des wahren und einzigen Gottes“ sei, und sie trug ihm auf, zum Bischof zu gehen und ihm mitzuteilen, dass sie am Fuße des Hügels die Errichtung einer Kirche wünsche. Juan Diego lief nach Tenochtitlán (Mexiko-Stadt) zum Bischof. Als er nach langem Warten empfangen wurde, berichtete er diesem über die Erscheinung und die Worte der Jungfrau, doch glaubte man ihm nicht. Als er am Abend nach Hause zurückkehrte, begegnete er auf dem Tepeyac neuerlich der Jungfrau Maria, erzählte ihr von seinem Misserfolg und bat sie, ihn von der ihm anvertrauten Aufgabe zu entbinden, da er ihrer unwürdig sei. Die Jungfrau jedoch gab ihm den Auftrag, zum Bischof zurückzukehren und die Aufforderung zu wiederholen.

Am nächsten Morgen, Sonntag, ging Juan Diego nach Messe und Katechese erneut zum Bischof, fiel auf die Knie und wiederholte mit Tränen in den Augen den Wunsch der Madonna. Nachdem ihm der Bischof bezüglich Ort und Umständen der Erscheinung mehrere Fragen gestellt hatte, verlangte er von ihm ein Zeichen; und kaum dass er gegangen war, schickte er ihm einige Diener hinterher, um ihn auszuspionieren, doch verloren ihn diese aus dem Blick, bevor er sich Tepeyac näherte. Während sie nun zum Bischof zurückkehrten und Juan als Lügner und Visionär hinstellten, begegnete dieser abermals der Jungfrau, die ihm versprach, am darauffolgenden Morgen das verlangte Zeichen zu geben. Doch am nächsten Tag konnte Juan Diego nicht zum Hügel kommen, weil sein Onkel Juan Bernardo schwer erkrankt war. Am Abend bat der Onkel den Neffen, am Morgen darauf nach Tlatelolco zu gehen und einen Priester zu holen. Juan Diego verließ das Haus, als es noch dunkel war. Als er in Sichtweite von Tepeyac kam, beschloss er, den Weg zu ändern und den Hügel auf der Ostseite zu umgehen, um eine Begegnung mit der Jungfrau zu vermeiden, da er das ewige Heil des sterbenden Onkels für wichtiger hielt. Die Frau aber war schon vor ihm da und fragte ihn, warum er es so eilig habe. Diego warf sich ihr zu Füßen und bat um Vergebung, dass er die ihm anvertraute Aufgabe beim Bischof wegen der lebensbedrohlichen Erkrankung des Onkels nicht erfüllen könne. Doch die Frau versicherte ihm, dass der Onkel bereits genesen sei, und lud ihn ein, auf den Hügel zu gehen und die Blumen, die er dort finden werde, zu pflücken und mitzunehmen. Juan Diego stieg hinauf und war erstaunt, den Gipfel mit herrlichen „Blumen Kastiliens“ übersät zu sehen. Es war nämlich der 12. Dezember, also bereits Winter; zudem war der Ort, ein ödes und steiniges Gelände, für das Wachstum solcher Blumen nicht geeignet. Juan Diego sammelte sie, hüllte sie in seine Tilma (eine Art Schürze), und brachte sie der Jungfrau, die sie entgegennahm, dann in den Mantel Juan Diegos zurücklegte und zu ihm sagte, er solle sie dem Bischof als Wahrheitsbeweis für die Erscheinung bringen. Juan Diego tat wie ihm geheißen, doch die Diener schenkten im kein Gehör und ließen ihn lange warten; dann fingen sie an, seine Tilma zu inspizieren, und als sie die Blumen sahen, versuchten sie mindestens dreimal, ihm diese zu entreißen, doch umsonst, denn sie schienen fest mit dem Gewebe verbunden. Darüber verwundert, beschlossen sie schließlich, ihn zum Bischof zu führen, dem Diego alles berichtete, was er gesehen hatte; dann öffnete er den Mantel, um ihm die Blumen darzubieten. Kaum waren diese zu Boden gefallen, zeichnete sich vor den Augen aller das geliebte Bild der Vollkommenen Heiligen Jungfrau Maria, der Mutter Gottes, ab – in der Form und Gestalt, wie wir sie heute kennen, so wie sie in ihrem geliebten Haus, der zu Füßen des Tepeyac errichteten Kirche, zu sehen ist und als Jungfrau von Guadalupe angerufen wird.

Angesichts dieses Ereignisses sanken der Bischof und mit ihm alle Anwesenden auf die Knie; dann erhob er sich und bat die Madonna um Verzeihung für seine Ungläubigkeit gegenüber Juan Diego. Am darauffolgenden Tag begleitete Diego den Bischof nach Tepeyac, um ihm die Stelle zu zeigen, an der auf Wunsch der Jungfrau die Kirche gebaut werden sollte. Schließlich kehrte er zum Onkel zurück, um ihm von der Erscheinung zu berichten. Dieser erzählte ihm seinerseits, dass auch ihm zur gleichen Zeit die Frau des Himmels erschienen sei, ihn geheilt und zu ihm gesagt habe, dass sie als Vollkommene Heilige Jungfrau Maria von Guadalupe angerufen werden wolle.

Am 26. Dezember 1531 organisierte der Bischof, Pater Juan de Zumárraga O.F.M., die feierliche Übertragung des Bildes aus der Kathedrale in die am Ort der Erscheinung errichtete Kapelle, heute die Basilika Unserer Lieben Frau von Guadalupe in Mexiko-Stadt. Von diesem Ereignis an änderte Juan Diego sein Leben radikal, indem er sich als Laie vollkommen in den Dienst des Herrn, der Jungfrau und des gläubigen Volkes stellte, mit dessen Evangelisierung er begann. Mit Erlaubnis des Bischofs lebte er als „Eremit“ in einem einfachen Haus, das ihm von seinen Landsleuten neben der Kapelle der Madonna von Guadalupe errichtet wurde. Er hielt die Kapelle sauber, half den Pilgern und führte ein Leben des Gebets; mit dem Einverständnis des Bischofs empfing er dreimal wöchentlich die hl. Kommunion.

So wurde Juan Diego schon zu Lebzeiten als Heiliger betrachtet. Seine Altersgenossen pflegten zu ihren Kindern zu sagen: „Gott gebe es, dass aus dir ein Juan Diego wird!“ Zudem hatte er den Ruf eines Fürsprechers. Die Bewohner von Cuauhtitlán suchten ihn auf, damit er von der Madonna materielle Güter für sie erbitte.

Nach seinem Tod am 30. Mai 1548, im Alter von 74 Jahren, huldigten ihm die Gläubigen nach damaligem Brauch, indem sie sein Bild im Schlafzimmer zusammen mit dem der Madonna von Guadalupe verehrten. Juan Diego wurde in der Kapelle Unserer Lieben Frau von Guadalupe am Fuß des Gnadenbildes bestattet. Später wurden seine sterblichen Überreste im Gehorsam an das Dekret „non cultu“ von Papst Urban VIII. (1623-1644), das jeglichen Kult vor der kirchlichen Approbation verbot, verstreut, um so die Verehrung durch das Volk zu unterbinden, das ihn jedoch in Ehren hielt.

Am 31. Juli 2002 wurde Juan Diego Cuauhtlatoatzin in der Basilika Unser Lieben Frau von Guadalupe in Mexiko-Stadt von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, der ihn am 6. Mai 1990 ebenda seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at