Andreas Resch: Josephine Bakhita

JOSEPHINE BAKHITA
(1869-1947)

PROFESS-SCHWESTER
DES INSTITUTS DER
TÖCHTER DER NÄCHSTENLIEBE
(CANOSSIANERINNEN)

Heilig: 1. Oktober 2000
Fest: 8. Februar

JOSEPHINE BAKHITA wurde um 1869 in der Nähe von Jebel Agilere im Nordosten von Nyala, einem Städtchen in Süd-Darfur im Sudan, als Tochter einer wohlhabenden Familie geboren, die der Negridengruppe der Dagiù angehörte. Diese waren zwar dem Namen nach Muslime, in Wahrheit aber Animisten. Der genaue Ort und die Identität ihrer Eltern lassen sich nicht bestimmen. Sie selbst sagte nämlich immer, dass sie nicht wisse, wo und wann genau sie geboren sei und dass sie ihren Namen zwei Räubern verdanke, die sie entführt hatten. Außerdem erzählte sie, dass ihr Vater irgendein Vize war und die Mutter die Bauern bei der Arbeit beaufsichtigte, auch dass sie wohlhabend waren, dass sie sie liebten und dass sie ehrliche Leute waren.

Die traurigen Umstände ihrer Entführung im Alter von ca. sieben Jahren und der nachfolgende Versklavung werden von einem Zeugen so beschrieben:
„Bakhita war mit einer Gefährtin auf die Wiese gegangen, um Blumen zu pflücken. Plötzlich bemerkten sie zwei in Tücher gehüllte Personen, die Bakhita als Araber bezeichnete. Sie schienen sehr müde zu sein. Die beiden sagten zu ihrer Gefährtin, sie solle zur Hütte zurückkehren, Bakhita würde gleich nachkommen. Bakhita selbst forderten sie auf, ans andere Ende des Feldes zu gehen, um das Bündel zu holen, das sie, wie sie sagten, dort vergessen hätten. Die beiden Mädchen gehorchten. Während Bakhita nach dem Bündel suchte, streiften die beiden die Hecke entlang und blieben ihr dicht auf den Fersen. Während sie dann einer an den Armen festhielt, bedrohte sie der andere von vorne mit dem Messer. Das Mädchen war so erschrocken, dass es keinen Laut hervorbrachte. Sie schleppten Bakhita mit sich fort, schlugen und misshandelten sie. Immer wieder wand sie sich und versuchte loszukommen. So gingen sie, ohne Rast zu machen, etwa einen Tag lang des Weges… Dabei fragten sie die beiden nach ihrem Namen. Die Kleine wollte antworten, konnte aber nicht. Der Schrecken, die Schmerzen und die Müdigkeit hatten sie der Erinnerung beraubt. Von diesem Augenblick wusste sie nicht mehr, wie sie hieß. So gaben ihr die Entführer ironischerweise den Namen Bakhita, „Glückliche“.

Die beiden Räuber zwangen Bakhita einen langen Fußmarsch auf, um sie an Orte zu führen, wo sich normalerweise die Sklavenhändler trafen. Sie sperrten sie mutterseelenallein in eine Art Schweinstall, ohne Fester und mit niederer Decke, bis sich „eines Morgens die Tür des Gefängnisses öffnete und der Besitzer mit einem Sklavenhändler über den Kaufpreis des Mädchens verhandelte, nachdem sie Zähne und körperliche Verfassung geprüft hatten. So wurde Bakhita an den Händler verkauft, der sie ganz nach seinem Geschmack befand. Sie wurde der Karawane anderer Sklaven angeschlossen und musste sich auf den Weg begeben…Die Reise dauerte mehrere Tage, Bakhita zufolge acht Tage. Mit jeder Ortschaft wuchs die Karawane, weil die Händler bei den Räubern einkauften. Schließlich hielten sie in einem Dorf.“ Sie wurden dann zum Sklavenmarkt gebracht, wobei Bakhita stets darauf hoffte, ihre Schwester wiederzufinden, die bereits vor ihr entführt worden war.

Unter unmenschlicher Behandlung wurde sie von einem Besitzer zum andern weitergereicht und dabei zunehmend größeren Grausamkei­ten und Misshandlungen ausgesetzt. Als sie in der Familie eines türki­schen Generals Dienst tat, wurde sie einer Tätowierung unterzogen, bei der man ihr 114 Einschnitte beibrachte. Anschließend bestreute man die Wunden mit Salz, um ein Abheilen zu verhindern. Durch die Hand ihres Herrn selbst ertrug sie, ohne zu klagen, die erniedrigende Tortur der Quetschung der Brüste.

Zunächst blieb Josephine in El Obeid (Krodofani), dann in Karthum, wo sie 1883 von dem italienischen Konsularagenten Callisto Legnani „erworben“ wurde, „der sie ihrer robusten Konstitution und ihrer Schönheit wegen auswählte. Sie trug einen großen Goldring an der Nase und hatte sehr langes, lockiges Haar. Im Haus des Konsuls wurde sie nicht wie eine Sklavin behandelt, sondern bekleidete die Stellung des Hausmädchens. Mit großer Sorgfalt verrichtete sie die ihr zugewiesenen Aufgaben“. Es war dies das fünfte und letzte Mal, dass Bakhita zum Kauf bzw. Verkauf angeboten worden war. Nach nahezu zehnjährigem Sklavenleben trug sie nun zum ersten Mal ein Kleid.

Zwei Jahre später zwang die politische Situation den Konsul, nach Italien zu gehen. Bakhita ersuchte darum, mit ihm und seinem Freund, einem gewissen Augusto Michieli, mitfahren zu dürfen, was ihr gestattet wurde. Nach ihrer Ankunft in Genua wurde Legnani von Michielis Frau bedrängt, Josephine an sie abzutreten; der Konsul willigte ein und ging nach Padua. Josephine zog mit ihrer neuen Familie nach Mirano Veneto und als die Tochter der Michielis, Mimmina, zur Welt kam, wurde Bakhita deren Kindermädchen und Freundin.
Nach drei Jahren kehrte sie nach Suakin in Afrika zurück, wo die Familie Michieli einen Gastbetrieb besaß. Dort blieb sie neun Monate, bis Frau Michieli sich aus geschäftlichen Gründen entschloss, wieder nach Italien zu gehen, und ihre Tochter und Bakhita mitnahm.

Der Erwerb und die Leitung eines großen Hotels in Suakin am Roten Meer zwangen Frau Michieli, dorthin zu gehen und ihrem Mann zu helfen; hier wiederum die Tochter und Bakhita mitzunehmen, war jedoch zu kostspielig. So beschloss sie, Bakhita in Italien zurückzulassen. Als es dann aber zum Abschied kam, hängte sich das Kind an Bakhitas Hals und protestierte lautstark, dass sie bei ihr bleiben und nicht mit der Mutter wegfahren wolle, weshalb Mimmina und Bakhita schließlich den Canossianerinnen des Instituts der Katechumenen in Ve­nedig anvertraut wurden. Bakhita wollte sofort ihren Gott kennenlernen, und so bereiteten sie die guten Schwestern durch Katechese und ihr Lebenszeugnis auf die Taufkindschaft vor.

Als Frau Michieli aus Afrika zurückkam und ihre Tochter und Bakhita abholen wollte, verteidigte Letztere, wenngleich schweren Herzens, weil sie der Person, der sie so viel verdankte, weh tun musste, ihre Entscheidung, das Institut nie wieder zu verlassen, mit solchem Nachdruck, wie man es von ihr nicht erwartete, so dass alle verblüfft waren. Der königliche Präfekt Italiens, den Frau Michieli, die Bakhita als ihre Sklavin betrachtete, in der Sache angerufen hatte, erklärte diese von jedweder Sklaverei befreit und damit auch frei, ihren Lebensweg selbst zu bestimmen – dies nicht zuletzt auf Ersuchen der Canossianerinnen, die schließlich von ihrer echten Berufung überzeugt waren. Bakhita durfte so in Italien bleiben, weil sie sonst – wie sie sagte – im Fall einer Rückkehr nach Afrika den Herrn nicht mehr lieben könne. Sie gestand, in jener Zeit viel mehr gelitten zu haben als damals nach ihrer Entführung, da sie hin und hergerissen war zwischen Gefühlen der Dankbarkeit für alle Wohltaten, die sie von Frau Michieli empfangen hatte, und ihrer Freundschaft zu deren Tochter. Lediglich der Wunsch, getauft zu werden, gab ihr die Kraft, diese Gefühle zu missachten.

Am 9. Januar 1890 empfing Bakhita im Alter von ca. 20 Jahren die Sakramente der Taufe, der Firmung und der Erstkommunion. Bei der Taufe erhielt sie die Namen Josephine Margarete und Fortunata (arabisch: Bakhita). Sie war glücklich, weil ihr nun die Freiheit der Kinder Gottes zuteil geworden war.

Am 7. Dezember 1893 trat sie in das Noviziat der Canossianerinnen im Haus der Katechumenen in Venedig ein. Am 8. Dezember 1895 nahm sie den Schleier. Gegen Ende des Noviziats bestand sie die Prüfung ihrer Berufung und am 8. Dezember 1896 legte sie im Mutterhaus in Verona die zeitlichen Gelübde ab. Nach Rückkehr in das Katechumenat blieb sie dort bis 1902. Dann wurde sie nach Schio versetzt, wo sie verschiedene Tätigkei­ten als Stickerin, Köchin, Sakristanin und Pförtnerin ausübte. Am 10. August 1927 legte sie in Venedig die Ewige Profess ab, um dann erneut nach Schio zurückzukehren.

Im Herbst 1929 verließ Bakhita auf Wunsch der Generaloberin Schio und ging nach S. Alvise in Venedig. Es war dies ein kurzer Aufenthalt, denn von 1935 an begann eine Reihe von Versetzungen. So kam sie 1936 nach Vimercate in das Noviziat der Canossianerinnen für Auslandsmissionen. Während dieser Zeit dort er­fasste sie der missionarische Eifer, wenngleich sie die Stelle einer Pförtnerin innehatte. 1939 kehrte sie nach Schio zurück. Am 8. Dezember 1943 feierte Bakhita ihr fünfzigjähriges Ordensjubiläum. Ganz Schio nahm an diesem Fest teil.
Bakhita war in der Tat glücklich, Ordensfrau zu sein, und bemühte sich, die Ordensregel bis ins Kleinste einzuhalten, womit sie ihren Mitschwestern ein Vorbild wurde. Sie lebte stets in der Gegenwart Gottes und war sichtbar gesammelt. In allem zeigte sie sich zufrieden, wie die Dinge auch standen. Mit wenigen und einfachen Worten gelang es ihr, zu bewegen und auf Gott zu verweisen. Selbst religiös Ungeübte waren betroffen, wo immer sie auftauchte.

Eines Tages wurde sie von einer komplexen Krankheit befallen, in einer unerbittlichen und progressiven Form. Zum Tode führte schließlich eine doppelseitige Lungenentzündung. Alle Behandlungsversuche waren vergeblich. Mit großer Hingabe empfing sie die Sterbesakramente.

Am 8. Februar 1947 beschloss Bhakita in Schio ihren irdischen Lebensweg im Ruf der Heiligkeit. Ihr schlichtes und bescheidenes Leben war von vielen kleinen Dingen geprägt die ihr zum Weg der Heiligung verholfen hatten, der sich entschieden an den biblischen Seligpreisungen orientierte.

Die Begräbnisfeierlichkeiten fanden am 11. Februar in der Kirche des Instituts unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Der Leichnam wurde im Gemeindefriedhof von Schio beerdigt und am 29. September 1959 in die Kapelle des Instituts der Canossianerinnen von Schio überführt.

Am 1. Oktober 2000 wurde Josephine Bakhita von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, nachdem er sie am 17. Mai 1992 seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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