Andreas Resch: Josephina Vannini


JOSEPHINA VANNINI
(Judith)
(1859-1911)

GRÜNDERIN
DER KONGREGATION DER TÖCHTER DES
HL. KAMILLUS

Heilig: 13. Oktober 2019
Fest: 23. Februar

JOSEPHINA VANNINI wurde am 7. August 1859 als Tochter von Angelo Vannini und Annuntiata Papi in Rom geboren und auf den Namen Judith getauft. Ihre Kindheit verbrachte sie im Kreis der Familie, wurde allerdings schon in ganz jungen Jahren zur Vollwaise. Am 18. August 1863 verschied der Vater, der im Dienst eines vornehmen Sommergastes in Ariccia stand, ganz plötzlich an einer schweren Krankheit. Am 11. Mai 1865 ging die Mutter – nachdem sie jemanden gefunden hatte, der ihre drei minderjährigen Kinder versorgen konnte – eine zweite Ehe ein. Am 6. November 1866 starb auch sie und die Familie löste sich auf. Von den drei Geschwistern fanden Julia und Judith Aufnahme in zwei unterschiedlichen Frauenhilfswerken, während ihr Bruder August bei Gioachino Papi, einem Onkel mütterlicherseits, Unterschlupf fand. Judith kam noch im November 1866 in das „Conservatorio Torlonia“ in der Via Sant’Onofrio, wo sie bis 1880 ihre Jugendjahre verbrachte. Dort erhielt sie unter der Anleitung und dem Schutz der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul gemeinsam mit vielen anderen Waisenmädchen Unterricht in Italienisch, Französisch, Gesang, Hauswirtschaft, Sticken und Vorbereitung der Aussteuer. Daran angeschlossen waren auch die Schulen bis zur 5. Klasse Volksschule. Die Monate Juli bis September verbrachten die Kinder in der Villa Torlonia in Castelgandolfo. Am 19. März 1873 empfing Judith die Firmung und die Erstkommunion. Von diesem Augenblick an vernahm sie ganz deutlich den Ruf zum Ordensstand und niemand sollte das junge Mädchen mehr von diesem Ideal abbringen – auch nicht ihr Bruder August, der in kritischen Momenten gemeinsamer Erfahrung versuchte, seine Schwester auf Gefühlsebene in die Familiensphäre einzuführen, um sie der Einsamkeit und der Ungewissheit zu entreißen.

Am 3. März 1883, im Alter von 24 Jahren, trat Vannini in das Postulat der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul im Mutterhaus von Siena ein, wo sie am 20. September 1884 das Ordenskleid erhielt. Plötzlich auftretende gesundheitliche Beschwerden ließen sie jedoch nach und nach zu der Überzeugung gelangen, dass dies nicht der für sie vorgesehene Weg war. Am 25. Juni 1988 wurde sie daher definitiv aus dem Institut entlassen mit der niederschmetternden Begründung, es mangle ihr an Heiligkeit, sie sei übler Gesinnung und von Lauterkeit könne bei ihr keine Rede sein. Trotz dieses negativen Urteils wurde der jungen Postulantin in ihrem tiefsten Wesen auch etwas Positives zuerkannt, nämlich eine solide Liebe zum Nächsten sowie Willensstärke.

Judith kehrte nach Rom zurück, wo sie bei den Schwestern vom Allerhlst. Altarsakrament von Valence Aufnahme fand und ein beispielhaftes Leben führte. Weder trat auch nur ein einziges Wort der Klage über die Situation, in der sie sich befand, über ihre Lippen noch äußerte sie sich jemals negativ über diejenigen, die dafür verantwortlich waren. Im Gegenteil: sie dachte unentwegt an die Barmherzigen Schwestern und, um den Kontakt mit ihnen herzustellen, bat sie die Schwestern des „Conservatorio“, ihr dabei zu helfen, dort wieder Aufnahme zu finden, wenn auch nur als Hilfsschwester oder als niedrige Angestellte. So wurde sie schließlich als „junge Lehrkraft für die Sekundarstufe“ in Portici aufgenommen. Doch gelang es ihr auch diesmal nicht, ihren Traum zu verwirklichen und in der Schwesterngemeinschaft Fuß zu fassen, auch nicht im Angestelltenverhältnis. Sie fühlte sich einsam und verlassen. Aus dieser schmerzlichen Erfahrung des Alleinseins reifte in ihr die Berufung zum Dienst an den Leidenden.

Wieder in Rom, traf Judith am 9. Oktober 1891 zufällig P. Luigi Tezza, den Generalprokurator des Krankenpflegeordens der Kamillianer, der im Haus der Schwestern Unserer Lieben Frau vom Abendmahl einen Exerzitienkurs hielt. Sie erzählte ihm von ihrer Berufung zum Ordensleben und von den vielen Schwierigkeiten mit den Barmherzigen Schwestern, zu denen sie trotz des besonderen Naheverhältnisses letztlich keinen Zugang finden konnte. Obwohl sie beschlossen hatte, sich Gott im Ordensstand zu weihen, konnte sie sich für keine Kongregation entscheiden. P. Tezza machte ihr verschiedene Vorschläge und bot ihr dabei sogar seine Unterstützung an. Gegen jeden Vorschlag hatte sie etwas einzuwenden, so dass der gute Pater schließlich augenzwinkernd meinte: „Wie ich sehe, meine Tochter, habt Ihr die Absicht, eine Gemeinschaft nach Eurem Geschmack zu gründen. Seid Ihr etwa ganz zufällig zur Gründerin berufen?“ Vannini wehrte lächelnd ab.

P. Tezza hingegen erfasste intuitiv die Situation der jungen Frau und lud sie ein, zusammen mit ihm seinen Plan zu verwirklichen: die Gründung eines weiblichen Zweiges der Kammilianer, der sich vor allem um die Kranken kümmern sollte. Von dem Augenblick an begriff Judith die ihr zugedachte Aufgabe innerhalb der Kirche. „Bevor ich P. Tezza begegnet bin, fühlte ich mich allein, von allen verlassen, und fand weder Ruhe noch Frieden. Von dem Tag an, als ich das Glück hatte, mit ihm sprechen zu dürfen, und er mich einlud, für die Gründung der Töchter des hl. Kamillus zu arbeiten, legte sich ein unendlicher Friede über meine Seele und mein Herz war so leicht wie nie zuvor.“

Am 15. Januar 1892 wurden Vannini und zwei weitere Frauen die ersten Postulantinnen einer neuen Kongregation. Am darauffolgenden 2. Februar überreichte der Generalsuperior, P. Giovanni Mattis, assistiert vom Generalprokurator, P. Luigi Tezza, den drei Frauen im Magdalenenhaus in Rom, im Sterbezimmer des hl. Kamillus, das Skapulier der Kamillianer-Terziarinnen mit dem roten Kreuz, womit sie in den Krankenpflegeorden eingegliedert wurden. Dies war die Geburtsstunde der Kongregation der Töchter des hl. Kamillus (Abb.), als deren Gründer auch heute noch P. Tezza und Vannini gelten. Einen Monat später erhielt Judith das Ordenskleid und ihren neuen Namen Maria Josephina. Das Gemeinschaftsleben entwickelte sich zufriedenstellend. Am 8. September 1892 zählte die Gruppe neun Mitglieder, davon 6 Schwestern und 3 Postulantinnen; Anfang Oktober gesellten sich noch weitere Postulantinnen zu ihnen.
Im darauffolgenden Jahr, am 19. März 1893, legte Josephina privat die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams sowie der Bereitschaft zum Dienst an den Kranken auch unter Lebensgefahr ab (Gelübde der Kamillianer) und wurde zur Oberin ernannt. Am 19. August des Jahres kam es in Cremona zur ersten Gründung außerhalb Roms. Dies war vom Institut aus gesehen äußerst mutig und riskant, weil die Gemeinschaft nur wenige Mitglieder zählte und sich noch in der Aufbauphase befand. Ebenfalls 1893 wurden die Regeln und Konstitutionen der Töchter des hl. Kamillus, Terziarinnen des Catalogus Religiosorum CC.RR., gedruckt. Ziel des Instituts ist „das Streben nach Vollkommenheit durch Ausübung der Evangelischen Räte und von Werken der Barmherzigkeit vor allem gegenüber den armen Kranken, zu deren Unterstützung sich die Mitglieder durch ein spezielles und ewiges Gelübde verpflichten“.

Am 24. Januar 1894 wurde die neue Ordensgemeinschaft von Kardinalvikar Lucido Maria Parocchi zum geistlichen Konservatorium erhoben, das dem Diözesanbischof unterstand, und Sr. Josephina zu deren Oberin bestimmt. Am 8. Dezember 1895 erfolgte, ebenfalls durch Kardinal Parocchi, die Zulassung zu den ewigen Gelübden. Zu Beginn des Exerzitienkurses wurden in geheimer Abstimmung die Wahlen durchgeführt und Vannini offiziell zur Generaloberin ernannt.

Am 3. Mai 1908 erfolgte ihre Wiederwahl, wie aus den Akten des II. Generalkapitels hervorgeht. Die Situation des geistlichen Konservatoriums präsentierte sich vom organisatorischen Blickwinkel aus so gedeihlich und lebendig wie kaum je zuvor. Der Segen, der von der Präsenz der Töchter des hl. Kamillus ausging, war offensichtlich, weshalb ihr Wirken zunehmend gefragt war.

Mit dem Dekret vom 21. Juni 1909 wurden die „Regeln und Konstitutionen der Töchter des hl. Kamillus“ von Kardinalvikar Pietro Respighi anerkannt und das geistliche Konservatorium zur Kongregation diözesanen Rechts erhoben. Die Gemeinschaft zählte damals bereits 124 Mitglieder sowie 16 Häuser in Italien, Frankreich, Belgien und Argentinien. Die päpstliche Approbation erfolgte 1931.

Von August 1910 an begannen die letzten Monate im Leben Vanninis. Nachdem sie sich nach Genua begeben hatte, um von dort aus per Schiff zum ersten Besuch der Häuser in Übersee aufzubrechen, zwang sie ein extremer Erschöpfungszustand zur Rückkehr nach Rom. Es schien, als würden einige Tage Ruhe ihre physischen Konditionen verbessern, doch geschah nichts dergleichen. Im Gegenteil: ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. In der Nacht des 23. Februar 1911 starb Maria Josephina Vannini im Alter von 52 Jahren im Kreis ihrer Mitschwestern in Rom.

Die sterblichen Überreste ruhen in der Kirche des Generalatshauses des Instituts „Figlie di San Camillo“ in Grottaferrata, via Anagnina, 18.

Am 13. Oktober 2019 wurde Maria Josephina Vannini von Papst Franziskus heiliggesprochen, nachdem Papst Johannes Paul II. sie am 16. Oktober 1994 seliggesprochen hatte.