JOSEPH TOVINI
(1841-1897)
ADVOKAT
Selig: 20. September 1998
Fest: 16. Januar
JOSEPH TOVINI urde am 14. März 1841 als erstes von sieben Kindern des Moses Tovini und der Rosa Malaguzzi in Cividate Camuno, Brescia, Italien, geboren. Bei der Taufe erhielt er den Namen Joseph. Die erste Erziehung bekam er in der Familie, die, noch unter jansenistischem Einfluss stehend, besonders streng war. Zur dort erfahrenen Härte gesellte sich die eiserne Disziplin in der Volksschule, die er zuerst im Heimatdorf und dann in Breno besuchte. 1852 trat er gemeinsam mit seinem Bruder Stefan in das Gemeindekolleg von Lovere ein, wo er den späteren Nobelpreisträger Camillo Golgi (1843-1926) und den Seligen Innozenz von Berzo (1844-1890) als Mitschüler hatte. Nach Abschluss der ersten Klasse Lyzeum wurde er unentgeltlich in das Kolleg „N. Mazza“ für arme Jugendliche in Verona aufgenommen und damit vor der Gefahr eines Studienabbruchs aufgrund der tristen wirtschaftlichen Verhältnisse zu Hause bewahrt. Hier beendete er das Lyzeum und lernte den Priester, künftigen Missionar und mittlerweile heiliggesprochenen Bischof (1831-1881) Daniel Comboni kennen, dessen Apostolat er sich anschließen wollte. Als Erstgeborener musste er jedoch nach dem Tod des Vaters 1959 für fünf kleinere Geschwister sorgen; das jüngste Kind war inzwischen verstorben. Er gab daher seinen Plan, Missionar zu werden, auf, machte 1860 das Abitur, schrieb sich für die Jahre 1860-1864 als Privatstudent in die Juristische Fakultät der Universität Pavia ein und arbeitete gleichzeitig in einer Rechtsanwaltskanzlei in Verona, während er weiterhin als Gast im Institut Mazza logierte, das ihm nicht nur Unterkunft gewährte, sondern ihm auch die Praktikantenstelle in der erwähnten Kanzlei vermittelte.
Gegen Ende des Studiums, am 31. März 1865, starb auch die Mutter. Am 7. August desselben Jahres promovierte Tovini an der Universität von Pavia und bereitete sich in den Folgemonaten bei einem Rechtsanwalt und einem Notariat in Lovere auf den Beruf vor. Gleichzeitig übernahm er die heiklen Ämter eines Vizedirektors und Dozenten im Gemeindekolleg der Heimatstadt – eine Aufgabe, die er zwei Jahre hindurch zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllte. Er unterschied sich von den anderen, weil er als Einziger vor und nach dem Unterricht betete und jeden Sonntag zur Kommunion ging.
1867 übersiedelte Tovini nach Brescia, zuerst in die Locanda Bignotti, ein Pensionat für junge katholische Studenten, das kurz zuvor von Don Pietro Capretti eröffnet worden war, und dann, nachdem er 1868 die Zulassung als Rechtsanwalt erhalten hatte, zum Advokaten Giordano Corbolani. Hier begegnete er Emilia, der 16-jährigen Tochter des Advokaten, die er schließlich heiratete.
Von 1871 bis 1874 war Tovini Bürgermeister von Cividate und förderte zahlreiche Initiativen für das Gemeinwohl, wobei er vor allem die Schuldenlast der Gemeinde abbaute. Gleichzeitig gründete und förderte er 1872 zusammen mit anderen die Bank von Vallecamonica, deren Statuten er verfasste. Auf diese Zeit gehen auch seine Studien und Projekte für eine Eisenbahn zurück, die Brescia mit Edolo verbinden sollte – eine sehr wichtige Verbindung zur Verbesserung der Wirtschaft des Tales, doch wurde sie erst nach seinem Tod gebaut.
Am 6. Januar 1875 heiratete Tovini Emilia Corbolani, die er, wie schon erwähnt, seit 1868 kannte. Die Ehe wurde mit zehn Kindern gesegnet, von denen einer Jesuit und zwei Ordensschwestern wurden. Trotz der vielen Verpflichtungen war er ein fürsorglicher und liebevoller Vater und ein umsichtiger Erzieher. Gleichzeitig zogen seine öffentlichen Initiativen immer weitere Kreise.
1877 trug Tovini auf Anregung von Don Pietro Capretti in entscheidender Weise zur Gründung der Tageszeitung Il Cittadino di Brescia bei, die vom 13. April 1878 an erschien, wobei er die administrative und organisatorische Leitung innehatte. Ebenfalls 1878 nahm er aktiv an der Bildung des Diözesankomitees für Kongressarbeit teil, zu dessen Präsident er ernannt wurde. Von diesem Zeitpunkt an erlangte seine Rolle bei den in der Diözese lancierten Aktivitäten und Initiativen besondere Bedeutung.
Als Präsident des Diözesankomitees bereiste er die gesamte Provinz, um die 145 Pfarrkomitees anzuspornen. Von 1879 an war er unter jenen Katholiken, die für die Kommunalwahlen kandidierten; er wurde wiederholt zum Provinzrat für den Bezirk Bisogne und von 1882 an zum Gemeinderat von Brescia gewählt. In diesen Funktionen, die Tovini bis zu seinem Tod kontinuierlich ausübte, setzte er sich für den Bau der Eisenbahn nach Camuno, die Errichtung von Heimen, die Korrektur der Waldsteuer, gegen die Verschwendungen des Teatro Grande und die Aufhebung des Instituts der Büßerinnen sowie für die Wiedereröffnung des Kollegs „Luzzago“ und die Wieder-Indienststellung der Schwestern in der Irrenanstalt der Gemeinde ein.
Im Rahmen der Kongressarbeit und der Katholischen Komitees in Italien bekleidete Tovini folgende Ämter: Präsident des Diözesankomitees von Brescia (1878) und des lombardischen Regionalkomitees (1888); Mitglied des Leitungsrates (1885) und Präsident der dritten Sektion Erziehung und Unterricht (1889), Mitglied des Obersten Rates (1891) und Vizepräsident der Oper (1893) – ein Amt, das er allerdings erst 1895 antrat. Unzählige Initiativen und Einrichtungen, die von ihm in Brescia und in der Lombardei wie auch auf nationaler Ebene inspiriert wurden – im Bereich der Schulen, der Presse, der Geldinstitute, der frommen, karitativen, sozialen Einrichtungen und Hilfswerke – bezogen Anregungen aus der Ausrichtung und den Programmen der Kongresse. Die Sorge um eine verstärkte Anwesenheit der Kirche in der Arbeitswelt veranlasste Tovini von 1881 an zu einer vertieften Werbung für die Gründung katholischer Arbeitervereine. Nachdem er 1881 für eine bestimmte Zeit den Vorsitz des ersten katholischen Abeitervereins von Lovere geführt hatte, gab er selbst den Anstoß für viele weitere, darunter im Valcamonica (1882), Valtrompia (1884), Valsabbia (1885), in Chiari, Palazzolo, Salò, Vestone und Marcheno.
Darüber hinaus unterstützte Tovini zahlreiche soziale Werke, vor allem die Landwirtschaftskassen, wobei er 1885 die Errichtung einer Diözesanunion von Agrargesellschaften und Landwirtschaftskassen vorschlug. Überzeugt von der Notwendigkeit, für die Institutionen und katholischen Initiativen, insbesondere die Bildungs- und Informationseinrichtungen, die volle wirtschaftliche und finanzielle Selbständigkeit zu gewährleisten, gründete er 1888 die Banca S. Paolo in Brescia und 1896 die Banco Ambrosiano in Mailand.
Die Hauptmotivation für seine Initiativen lag jedoch im Erziehungs- und Bildungsbereich. Er war nicht nur ein unermüdlicher Verteidiger des Religionsunterrichts an den Schulen zum Schutz des Glaubens und der Moral der Jugendlichen, sondern auch ein entschiedener Verfechter des Prinzips der Unterrichtsfreiheit, ein Befürworter der freien Schule, in der er unter anderem ein wirksames Instrument sah, die jungen Generationen auch zu Aufgaben ziviler und sozialer Verantwortung heranzubilden.
So gründete Tovini 1882 den Kindergarten des hl. Joseph und das Kolleg Ehrw. A. Luzzago; das Patronat der Studenten bei den Padri della Pace 1889; das Werk zur Erhaltung des Glaubens an den Schulen Italiens 1890. Er erarbeitete das Statut der Versicherungsgesellschaft Bund katholischer Lehrer 1891 und gründete im gleichen Jahr die Zeitschrift Fede e Scuola (Glaube und Schule). 1892 förderte er die Errichtung der Katholischen Universitätszirkel und arbeitete an der Gründung der Union Leo XIII. der Studenten von Brescia mit, woraus später die Federazione Universitaria Cattolica Italiana (FUCI) hervorging. Tovini setzte sich dafür ein, dass die Leitung der Lehrerbildungsanstalt Leo XIII. in Mailand von den Jesuiten übernommen wurde. 1893 gründete er die Fachzeitschrift Scuola Italiana Moderna für Pädagogik und Didaktik sowie die Wochenschrift La Voce del Popolo (Die Stimme des Volkes), das Bulletin der Franziskaner-Tertiaren und Sorrisi e Vagiti di Maria Santissima Bambina zur Unterstützung der Tätigkeit der Barmherzigen Schwestern. 1894 wirkte er an der Errichtung eines Katholischen Studentenheimes in Padua mit und gründete in Cividate bei den Canossianerinnen eine Volksschule. 1896 unterstützte er den Plan der Katholischen Unviversitätsföderation und beim Kongress in Fiesole schlug er erneut das Projekt einer Katholischen Universität in Italien vor. In seiner letzten öffentlichen Rede beim Eucharistischen Kongress in Mailand sprach er schließlich über das Apostolat des Gebets und plädierte – geradezu als persönliches Vermächtnis – in einem leidenschaftlichen Appell für den Empfang der Eucharistie als erhabene und notwendige Hilfestellung bei der christlichen Erziehung der Jugend und für die Rückkehr des Glaubens in den Schulen.
Joseph Tovini starb verfrüht am 16. Januar 1897 in Brescia. Am 10. September 1922 wurde sein Leichnam feierlich in die Kirche S. Luca in Brescia überführt, wo seine sterblichen Überreste heute noch ruhen.
Am 20. September 1998 wurde Joseph Tovini von Papst Johannes Paul II. in Brescia seliggesprochen.
RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]
Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at