Andreas Resch: Joseph-Marie Cassant

JOSEPH-MARIE CASSANT
(1878-1903)

PROFESSPRIESTER DES
ORDENS DER REFORMIERTEN
ZISTERZIENSER (TRAPPISTEN)

Selig: 3. Oktober 2004
Fest: 17. Juni

JOSEPH-MARIE CASSANT wurde am 6. März 1878 in Casseneuil im Département Lot-et-Garonne (Diözese Agen), Frankreich, als Sohn des Holzfällers Pierre Cassant und der Marie Chanié geboren, die bereits einen neunjährigen Sohn hatten. Bei der Taufe am darauffolgenden Tag erhielt er den Namen Peter Joseph.
Seine Kindheit verbrachte er im Schoß der Familie. Peter hatte schon als Kind einen starken Hang zur Frömmigkeit und versuchte bewusst in Übereinstimmung mit dem zu leben, was später sein Motto werden sollte: „Alles für Jesus.“ Seine Studien absolvierte er am Institut der Christlichen Schulbrüder des hl. Johannes Baptist de La Salle in seinem Heimatdorf Casseneuil, wobei er aufgrund seines mangelhaften Gedächtnisses zunehmend auf Schwierigkeiten stieß. In der Familie und im Pensionat erhielt er eine solide christliche Erziehung und nach und nach entstand in ihm der tiefe Wunsch, Priester zu werden. Der Pfarrer, Don Filhol, der den Knaben sehr schätzte, stellte ihm beim Studium einen Kaplan zur Seite, doch blieb Peter das Kleine Seminar aufgrund seines schwachen Gedächtnisses versagt. Er aber gab sich dem Schweigen, der Sammlung und dem Gebet hin. Don Filhol legte ihm daher die Trappisten nahe, was der damals Sechzehnjährige, ohne zu zögern, annahm. Msgr. Filhol erklärte die Situation des Jungen dem Novizenmeister, P. André Malet. Dieser empfand Peter als schüchtern und ängstlich und suchte bei sich nach einem aufbauenden Wort. „Nur Mut!“ sagte er, „ich werde dir helfen, Jesus zu lieben“. Diese Worte bildeten das Herz der Beziehung zwischen dem Meister und seinem künftigen Novizen wie auch das Herz der gesamten Berufung Peters.

So trat Peter nach einer Zeit im Pfarrhaus am 5. Dezember 1894 in die Zisterzienserabtei Sainte-Marie du Désert in der Diözese Toulouse ein. P. André Malet war es gegeben, die Nöte der Seelen zu erfassen und auf sehr menschliche Weise darauf zu antworten, wobei er sein Wohlwollen kundtat. Nach damaligem Brauch fand die Einkleidung von Peter einen Monat später statt; dabei nahm er den Namen Joseph-Marie an. Da er ein großer Schweiger und ein begeisterter Beter war, hatte er nunmehr das Empfinden, jenen Ort gefunden zu haben, den er suchte. In seinem Tagebuch schreibt er: „Nur aus Gehorsam etwas tun… Die Regel genau befolgen… Lieber bereit sein zu sterben, als nur den geringsten Punkt der Regel zu missachten… heilige Märtyrer, erfleht mir die Gnade, Märtyrer zu sein, aus Gehorsam meinen Konstitutionen gegenüber.“ Mehr als einmal verlor er sich in seinem nervösen und hoch emotionalen Temperament, da er unter seiner Untauglichkeit zur Arbeit litt, wo man sich von ihm mehr Initiative erwartete. Doch mit Feinfühligkeit versuchte der Novizenmeister dem Jungen zu helfen, seine ständige Angst zu überwinden, die Ursache vieler Fragen war, und mehr von der Liebe als von der Angst zu leben. „Manchmal reichte allein seine Anwesenheit aus, dass ich mich beruhigte“, sagte Joseph-Marie über ihn während des Noviziats. Auch die Mitbrüder des Klosters kamen dem Neuling wohlwollend entgegen. Einer der Mitbrüder bezeugt: „Er war einfältig wie eine Taube, weder ein Denker noch ein Nörgler. Er war immer zufrieden und das machte die Schönheit seines Antlitzes aus. Alle liebten und schätzten ihn. Und er hatte stets ein Lächeln auf den Lippen.“

In der Stille der monastischen Tage, in denen man Gefahr läuft, immer wieder mit den eigenen Problemen konfrontiert zu werden, bedrohten zwei Hindernisse die Ausgeglichenheit und den Frieden von Joseph-Marie: eine gesteigerte Emotionalität und eine Neigung zur Eifersucht den Mitbrüdern gegenüber, die er für intelligenter oder tüchtiger hielt als sich selbst. Der Novizenmeister, P. André Halet, der versprochen hatte, ihn Christus lieben zu lehren, übertrug ihm nun seine Verehrung des Heiligen Herzens, „Feuer der Liebe und Symbol der Liebe Gottes zu uns“. Es geht darum, aus Liebe dem Wirken Jesu zu entsprechen, der in uns wohnt. Wie Maria kann der Gläubige dann „den Herrn preisen und jubeln in Gott seinem Erlöser“.

Ein Hang zum Skrupel, gepaart mit dem Wunsch nach „Vollkommenheit“, drohte oft, den Jungen zu lähmen. Dadurch dass er P. André seine Schwierigkeiten, seine Unruhe und Ängste anvertraute, entstand eine echte monastische Freundschaft, bei der der Ältere grenzenlose Geduld, Verständnis und Festigkeit an den Tag legte und sein Schüler Vertrauen und Gelehrigkeit entwickelte. Am Fest des Allerheiligsten Namens Jesu im Jahre 1897 legte Fr. Joseph-Marie seine ersten Gelübde ab.

Nach Erreichen des 21. Lebensjahres stellte sich das Problem des Militärdienstes. Joseph war bei dem Gedanken, mehrere Jahre in einer Kaserne verbringen zu müssen, geradezu terrorisiert. Er kam jedoch in den Genuss einer zeitlichen Verschiebung bis Mai 1899 und wurde schließlich aus gesundheitlichen Gründen im März 1900 endgültig vom Militärdienst befreit. Ein weiterer Alpdruck war für ihn die mögliche Vertreibung eines Großteils der religiösen Orden aus Frankreich im Zuge der antiklerikalen Gesetze. P. André riet ihm zu Vertrauen, Hoffnung und vertrauensvoller Ergebenheit zum Herzen Jesu. Er kam so zum Gehorsam und zu einer totalen Hingabe in die Hände der Oberen, wobei er Jesus in blindem und reinem Glauben und in einfacher und bedingungsloser Liebe anhing und sich dabei durch die normalste religiöse Erfahrung der alltäglichsten Mittel bediente.

Joseph lebte immer in Einheit mit Gott: seine große Zuflucht war das Herz Jesu; er war überzeugt, dass „das Herz Jesu ein Thron der Barmherzigkeit ist und jene, die auf diesem Thron am besten aufgenommen werden, die Armseligen sind“. Unaufhörlich wiederholte er: „Alles für Jesus“, „Alles für Jesus durch Maria.“
Sowohl in seinem Beten als auch in seinem Wollen kämpfte Joseph, um sich voll Vertrauen Jesus hinzugeben, statt einer lähmenden Angst zu unterliegen. Die Pein dauerte während der zeitlichen Gelübde an und bewirkte, dass er innerlich stabiler wurde.

Am 24. Mai 1900, Christi Himmelfahrt, legte er die feierliche Profess ab und notierte bei dieser Gelegenheit in seinem persönlichen Heft: „Es ist die Liebe, die stärker bindet als die Gelübde. Ein Leben der Einheit. Liebe als Antwort der Liebe.“ Diese persönliche Liebe Christi erfuhr Joseph vor allem in der Eucharistie: „Die Eucharistie ist die einzige Glückseligkeit hier auf Erden.“

Fortan war sein einziger Wunsch, seine Liebesantwort eucharistisch geben zu können, indem er sich in vollkommener Identifikation mit Christus diesem im Opfer der heiligen Messe als Priester anbot. Die Vorbereitung auf das Priestertum war jedoch alles andere als leicht. Wie schon früher war seine schulische Erfahrung im Fach Philosophie von einem unermüdlichen Einsatz und gleichzeitig enttäuschenden Resultaten gekennzeichnet. Auch die Kurse in Theologie, die von einem verständnislosen Mitbruder gehalten wurden, trugen dazu bei, dass der junge Mönch eine weitere für seine große Sensibilität sehr schmerzliche Schmach erdulden musste. In allen Schwierigkeiten fand er Halt bei dem in der Eucharistie gegenwärtigen Christus, „der einzigen Glückseligkeit auf Erden“.

Zu diesen intellektuellen Problemen, die in besonderer Weise während des Studiums zum Priestertum auftauchten, gesellten sich eine angeschlagene Gesundheit und ein geringer Sinn für das Praktische – Quelle ständiger Demütigungen. Dies bewirkte in ihm sehr starke Versuchungen der Entmutigung, die er kraft des Gebetes und der Gnade des Gehorsams überwand. Er machte das Gelübde, bei Strafe der Todsünde, sich nie entmutigen zu lassen. Er schrieb: „Durch unermüdliche Arbeit und mit Hilfe des Gebets lassen sich alle Schwierigkeiten überwinden.“

Zweifellos „prädestinierten“ ihn die vielen Jahre früheren Versagens dazu, in der Folge nur geringe Resultate zu erzielen. Schon seit langem hatte er von sich die Vorstellung verinnerlicht, der „Langsamste von allen“ zu sein, und dieser Gedanke begleitete alle seine Bemühungen, die es ihm nicht erlaubten, das von ihm letztlich Erreichte auch tatsächlich anzuerkennen. Außer der Frömmigkeit, die ihn veranlasste, die Barmherzigkeit Gottes als die einzige Verantwortliche für seine Priesterweihe zu sehen, lastete auf ihm ein ganzes Leben geringer Selbstachtung.

Nachdem er die Prüfungen in befriedigender Weise abgeschlossen hatte, war ihm schließlich die große Freude gegönnt, am 12. Oktober 1902 zum Priester geweiht zu werden. Nun aber waren sich alle bewusst, dass die Priesterweihe Josephs die Teilhabe am Tod Jesu bedeutete. Er selbst betete von jenem Tag an, die ‚Gnade erhalten zu dürfen, in Frieden zu sterben‘, „und deshalb bitte ich darum, immer stärker vereint mit den Herzen Jesu zu leben, bis zu dem Punkt, an dem ich von seiner Liebe vollkommen absorbiert werde“. Am Tag nach der Feier schickte der Abt Joseph in Begleitung von Bruder Emile heim nach Casseneuil, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich von den letzten Anstrengungen zu erholen. Am 2. Dezember kehrte er nach Sainte-Marie du Désert zurück und versuchte, wieder in das tägliche Gemeinschaftsleben einzutreten, doch wurde er gleich in das Krankenzimmer verlegt. Hier verbrachte er die letzten Monate seines Lebens in einer Art Sammlung: „Wenn ich nicht mehr in der Lage sein werde, die Messe zu feiern, möge Gott Gnade walten lassen und mich von dieser Welt holen.“

Am 31. Mai 1903 feierte er seine letzte Messe und am 1. Juni empfing er die Krankensalbung. In den frühen Morgenstunden des 17. Juni 1903, während P. André ein private Messe nach der Intention seines Freundes feierte, kehrte Joseph nach dem Empfang der Kommunion in das Haus des Herrn zurück. Er wurde noch am gleichen Tag im Hof der Abtei Sainte-Marie du Désert, Bellegarde Ste Marie, Haute-Garonne, Frankreich, beerdigt.

Am 3. Oktober 2004 wurde Joseph-Marie Cassant von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at