Andreas Resch: Joseph Maria Tomasi

JOSEPH MARIA TOMASI
(1649-1713)

KARDINALPRIESTER
DES ORDENS DER REGULARKLERIKER
DER THEATINER

Heilig: 12. Oktober 1986
Fest: 1. Januar

JOSEPH MARIA TOMASI wurde am 12. September 1649 als ältester Sohn von Giulio Tomasi und Rosalia Traina, Fürsten von Lampedusa und Herzöge von Palma di Montechiaro, geboren. Bei der Taufe erhielt er den Namen Joseph.

Sein Leben im vornehmen Elternhaus war von Anfang an vor allem auf eine christliche Erziehung und humanistische Ausbildung ausgerichtet. Daher wurde er sowohl in den klassischen als auch in modernen Sprachen, vor allem Spanisch, unterwiesen, weil ihn die Familie bereits für den Hof in Madrid ausersehen hatte, zumal er von seinem Vater, was die Adelstitel anbelangte, den Titel eines „spanischen Granden“ erben sollte. Schon bald aber spürte Joseph den Ruf zu einem Leben der Vollkommenheit. Auch andere Mitglieder der Familie hatten sich Christus geweiht. Sein Onkel Carlo, ein Theatiner, war der Bekannteste. Von seinen nächsten Angehörigen legten die Mutter und vier Schwestern im Benediktinerkloster von Palma di Montechiaro die Ordensgelübde ab. Seine Schwester Domenica prophezeite ihm, dass auch er zu den Theatinern gehen würde.

Tatsächlich machte sich Tomasi von Palma di Montechiaro aus nach Palermo auf, um dort im Haus der Theatiner, St. Joseph, anzuklopfen. Der Obere nahm in auf, händigte ihm nach damaliger Praxis das Ordenskleid aus und wies ihm ein Zimmer im Gästebereich zu, wo er seinen Eintritt in das Noviziat abwarten sollte. Nach Beendigung der Probezeit wurde er schließlich am 24. März 1665 zum Noviziat zugelassen. Nachdem er dann nach Abschluss des Noviziats durch einen notariellen Akt zugunsten seines Bruders auf die ihm laut Erbe zustehende Regentschaft und ein riesiges Vermögen verzichtet hatte, wurde er in den 1524 vom hl. Kajetan von Thiene gegründeten Orden der Regularkleriker der Theatiner aufgenommen und legte am 25. März 1666 die Profess ab.

Der Norm des 1610 erlassenen und 1618 wieder bestätigten Kapiteldekrets entsprechend widmete sich Joseph ausschließlich der Rhetorik, den humanistischen Studien sowie der griechischen und hebräischen Sprache. Aufgrund eines hartnäckigen Leidens war er gezwungen, seine Studien zu unterbrechen und sich zur Erholung auf das Landgut von Palma zurückzuziehen. Zwischen Ende 1667 und Anfang 1668 wurde Tomasi zwecks Fortsetzung der philosophischen Studien nach Messina versetzt. Gleichzeitig vervollkommnete er sein Griechisch so weit, dass er sich dessen sowohl beim Beten der Oration als auch beim Verfassen seiner viel bewunderten Abhandlungen bedienen konnte. Von Messina wurde er nach Ferrara, dann nach Bologna und schließlich nach Modena geschickt. Nach Abschluss der philosophischen Studien ging Tomasi 1670 zum Studium der Theologie nach Rom, wo er zunächst im Konvent Sant’Andrea della Valle und anschließend im Konvent von Monte Cavallo am Quirinal wohnte, dem Sitz des Generalats der Theatiner.

Nachdem er im Januar 1672 aufgrund des Ablebens seines Bruders nach Palma di Montechiaro zurückgekehrt war, schloss er in Palermo die theologischen Studien ab und wurde am 23. Dezember 1673 in der Lateranbasilika zum Priester geweiht, um in der Heiligen Nacht in der Kirche S. Silvestro in Monte Cavallo die erste hl. Messe zu feiern. Dort hauste er bis zu seinem Tod in einem einfachen Zimmer, das schließlich in eine (heute nicht mehr bestehende) Kapelle umgewandelt wurde, in welcher der Gründer der Oblaten der Unbefleckten Empfängnis, der hl. Karl von Mazenod, gerne betete und die Messe feierte. Die Oberen bekundeten ihre Wertschätzung, indem sie Tomasi die Ausbildung der Novizen anvertrauten und ihn zum Spiritual der Laienbrüder ernannten. Jeden Sonntag hielt er diesen eine Katechese oder gab ihnen religiöse Unterweisungen. Gleichzeitig wirkte er als eifriger Prediger, Beichtvater, Berater und vor allem Forscher. Seinen von Jugend an erworbenen Kenntnissen in Latein, Griechisch und den modernen Sprachen fügte er noch Hebräisch, Syrisch, Chaldäisch und Arabisch hinzu. Im Geiste des Glaubens vertiefte er sich in das Studium seltener liturgischer Bücher und weitete seinen Interessenbereich auf antike Werke aus: Manuskripte und Kodizes mit biblischen Texten, Traktate und andere Schriften der Väter, Annalen, monastische Chroniken des Mittelalters sowie liturgische Bücher mit vollständigen Originaltexten, ohne dabei allerdings seine innere Lebendigkeit einzubüßen. Im Gegenteil: zur Vertiefung der Spiritualität pilgerte er nach Loreto, dem Heiligtum der Menschwerdung des Wortes. Es war dies die einzige Abwesenheit aus Rom in vierzig Jahren, wenn man von den Erholungszeiten im nahe gelegenen Haus des Ordens in Frascati absieht.

Nach Jahren des Forschens machte sich Tomasi an die ersten Veröffentlichungen: Er erstellte eine Neuausgabe des Speculum des hl. Augustinus (1679). Im Jahr darauf veröffentlichte er die Sakramentalien des sechsten und siebten Jahrhunderts. Nach Zulassung zum Kreis der Gelehrten und zur Bibliothek der Christina Alexandra von Schweden konnte er sich für die Herausgabe seines Hauptwerkes, Codices Sacramentorum nongentis annis vetustiores … (Rom, 1680), der Kodizes aus der Bibliothek Floriacense bedienen. So war er zwischen 1680 und 1683 mit der kritischen Ausgabe des Psalters in zweifacher Version, lateinisch und gallikanisch, mit den Gesängen, Hymnen und Orationen beschäftigt; um jedoch von sich abzulenken, begann er mit Giuseppe Caro, dem Nachnamen seiner Großmutter väterlicherseits zu firmieren. In der Folge widmete er sich der Herausgabe der Antifonari und der Responsoriali Romanae Ecclesiae a. S. Gregorio Magno disposita (1686). Unter dem Schutz von Kardinal Francesco Barberini, damals Erzpriester von St. Peter, unternahm er die kritische Ausgabe der Bibel in zwei Bänden, wobei er den Stand der Kodizes zwischen dem V. und dem XI. Jahrhundert aufzeigte (1688).

1691 ging es an die Antiqui libri Missarum. Tomasi widmete sich dieser Arbeit in der Überzeugung, den Studierenden damit eine nützliche historische Quelle zu erschließen. Tatsächlich wurden die Hinweise der Werke Tomasis großteils von der durch das II. Vatikanische Konzil vorangetriebenen Liturgiereform aufgenommen. Zur Vervollkommnung seiner Kenntnisse in Hebräisch wandte er sich an den Rabbiner Mosé da Cave, der schließlich zum Katholizismus konvertierte, wobei er zum Zeichen des Dankes an Tomasi bei der Taufe den Namen Joseph annahm.

In der Zwischenzeit beteiligte sich Tomasi – zumindest war dies sein Bemühen – an der Redaktion der Konstitutionen der Benediktinerinnen von Palma, wo eine Tante mütterlicherseits Äbtissin war – eine Gründung, die 1659 von seiner eigenen Familie forciert wurde und in der seine Schwestern die Profess ablegten. Später trat dort auch die Mutter ein. Tomasi befasste sich in Palma auch mit der öffentlichen Unterweisung und förderte das Kommen der Piaristen.

Obwohl er mit ebenso bedeutenden wie gebildeten Persönlichkeiten Umgang hatte, widmete er sich auch der Bildung der einfachen Gläubigen. Für sie verfasste er Vera norma di glorificare Iddio e di far Orazione (Der wahre Weg, Gott zu verherrlichen und zu beten) nach der Lehre der Heiligen Schrift und der heiligen Väter sowie eine kurze Anleitung zur fruchtbaren Teilnahme am heiligen Messopfer, zudem eine Kurzversion ausgewählter Psalmen zur Unterstützung des christlichen Gebets.

Als Tomasi von seinen Mitbrüdern zum Generalkonsultor seines Ordens ernannt wurde, verzichtete er aus Demut schon sehr bald auf dieses Amt, wobei er die vielen Sorgen anführte, die er im Zusammenhang mit den bereits bestehenden Aufgaben zu bewältigen hatte. Seine zahlreichen Veröffentlichungen zur liturgischen Frage, in denen Frömmigkeit mit Wissen einhergeht, waren der Grund, warum ihn einige seiner Zeitgenossen mit dem Namen „König der römischen Liturgiker“ bzw. „Doctor Liturgicus“ belegten.

Tatsächlich wurden nicht wenige Normen, die kraft der Autorität der römischen Päpste und durch die Dokumente des II. Vatikanischen Konzils gutgeheißen wurden und in der Kirche lobenswerterweise heute noch in Gebrauch sind, schon von Tomasi vorgeschlagen und sehnlichst herbeigewünscht. Davon seien genannt: die gegenwärtige Form der Liturgie des Stundengebets; die Unterscheidung und der Gebrauch von Messbuch und Lektionar bei der Eucharistiefeier; verschiedene Normen des Pontificale und des Rituale Romanum; der Gebrauch der Volkssprache, die Tomasi für private Andachten und gemeinschaftliche Gebete der Gläubigen empfahl.

Selbst innerhalb der römischen Kurie war man von ihm angetan. Clemens XI., der ihn sowohl als Wissenschaftler als auch als Priester schätzte, ließ ihm verschiedene Ernennungen zukommen: Konsultor der Indexkongregation und der Ritenkongregation, des Hl. Offiziums, Theologe der Kongregation für Regulardisziplin und der Ablass-Kongregation. Zudem war er Generalkonsultor des Ordens der Theatiner. Sämtliche Aufgaben erfüllte Tomasi mit Kompetenz, Eifer und in Gehorsam.

Am 18. Oktober 1712 ernannte ihn Clemens XI. zum Kardinal. Im Ernennungsschreiben war auch das Gebot des Gehorsams enthalten. Tomasi widersprach nicht. Sein Kardinalsamt währte kaum sieben Monate. Schon bald darauf erkrankte er. Tomasi starb am 1. Januar 1713 und wurde in der Kapelle S. Alessio seiner Titularkirche von San Martino ai Monti begraben. Seine sterblichen Überreste, die 1804 in die Kapelle des. hl. Albert in Ss. Silvestro e Martino ai Monti übertragen wurden, sind heute bei dem ihm gewidmeten Altar in S. Andrea della Valle zur Verehrung ausgestellt. Die Kirche Ss. Silvestro e Martino ai Monti besitzt einige Reliquien, die ähnlich denen des hl. Andrea della Valle in einer Wachsstatue aufbewahrt werden.

Am 29. September 1803 wurde Joseph Maria Tomasi von Papst Pius VII. seliggesprochen und am 12. Oktober 1986 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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