Andreas Resch: Josef von Anchieta

JOSEF VON ANCHIETA
(1534-1597)

PROFESSPRIESTER
DER
GESELLSCHAFT JESU

Selig: 22. Juni 1980
Heilig: 3. April 2014
Fest: 9. Juni

JOSEF VON ANCHIETA wurde am 19. März 1534 in San Cristobal de la Laguna auf der Insel Teneriffa (Spanische Kanaren) geboren und am darauf­folgenden 7. April getauft. Sein Vater, Juan Lopez, entstammte der baskischen Adelsfamilie Anchieta, die in einem antiken Palast in der Ortschaft Urrestilla, unweit von Azpeitia, wohnte. Die Mutter, Mencia Diaz de Clavijo y Llarena, Nachfahrin eines der Eroberer der Kanaren, kam hingegen aus Teneriffa. Aus der Jugendzeit des Seligen ist lediglich bekannt, dass er seine ersten Schuljahre in seiner Heimatstadt verbrachte. 1548, im Alter von ca. 14 Jahren, wurde er eingeladen, seine Studien an der berühmten Universität von Coimbra fortzuset­zen. Auch wenn er dort erst Portugiesisch lernen musste, avancierte der junge Student aufgrund seiner hohen Intelligenz und seines vorbildlichen, wenn auch etwas melancholischen Charakters schon bald zum Klassenprimus.

Beeindruckt von den Berichten des hl. Franz Xaver über das Apostolat und unter Anleitung von Pater Simon Rodrigues, einem der ersten Gefährten des hl. Ignatius und Gründer der portugiesischen Ordensprovinz, trat von Anchieta am 1. Mai 1551 mit 17 Jahren in das Noviziat der Gesellschaft Jesu in Coimbra ein. Zu Beginn seines Philosophiestudiums wurde er von akuten Bein- und Rü­ckenschmerzen geplagt, die von einer umgestürzten Leiter herrührten. Die Ärz­te verordneten ihm viel Ruhe und rieten zu einem Aufenthalt in den überseei­schen Besitzungen, was zur damaligen Zeit nichts Ungewöhnliches war. So kam es, dass er zur Erholung nach Brasilien geschickt wurde. Nach seiner Einschif­fung am 8. Mai 1553 erreichte der Jesuitenkleriker am 13. Juli desselben Jah­res Bahia de Todos os Santos, wo er vier Monate zubrachte, um sich zu akklima­tisieren und einem Mitbruder bei der Unterweisung der Kinder der Kolonisato­ren in Latein zu helfen. Gleichzeitig nutzte er jede Gelegenheit, um die Eingebo­renen zu besuchen und deren Sprache Tupi-Guarini (auch als „Gemeinsprache“ bezeichnet) zu erlernen. Im Oktober 1553 wurde er nach Sao Vinzenz eingela­den, wo er am Vorweihnachtsabend desselben Jahres eintraf. In den ersten Ta­gen des neuen Jahres setzten Bruder Anchieta und einige seiner Gefährten die Reise nach Piratininga fort. Nach ihrer Ankunft am 24. Januar 1554 bezogen sie eine armselige Hütte, die der Indianerhäuptling Tibirica dort für sie errich­tet hatte. Da tags darauf das Fest Pauli Bekehrung war, wurde die neue Behau­sung dem Völkerapostel geweiht. Aus dieser ursprünglich bescheidenen Nieder­lassung ging später die Metropole Sao Paul hervor, die den Seligen Josef von Anchieta zu ihren Gründern zählt.

In der Mission von Piratininga verbrachte der Selige zehn Jahre. Er unter­richtete seine jungen Mitbrüder in Latein und Logik und half bei der schuli­schen und religiösen Ausbildung der jungen Europäer und der „Mamelucken“ (wie die Kinder aus Mischehen von Europäern und Eingeborenen genannt wur­den). Gleichzeitig kümmerte er sich um die jungen Tupi, lernte deren Sprache und erstellte die berühmte Arte de Grammatica da Lingoa mais usada na costado Brasil (die älteste Grammatik der Sprache der Tupi-Indianer), die vielen Ge­nerationen von Studenten unschätzbare Dienste leistete. Im Jahre 1876 veröf­fentlichte sogar das renommierte Verlagshaus Teubner in Leipzig eine Neuaus­gabe.

Im Jahre 1563 wurde von Anchieta, wenngleich noch in Ausbildung, vom Provinzial Manoel de Nobrega zu dessen engstem Mitarbeiter bestellt, weshalb er die Schule verließ. Ihre erste gemeinsame Mission galt der Befriedung der wilden Tamoyos, die – aufgewiegelt von den französischen Hugenotten und mit Waffen ausgestattet – die Mission von Sao Vinzenz umlagerten, welche einem derartigen Angriff nicht standgehalten hätte. Während der langwierigen Ver­handlungen wurde von Anchieta fünf Monate lang in Itaperoig als Geisel gehal­ten, während der Provinzial nach Sao Vinzenz zurückkehrte, um den Frieden zwischen Tamoyos und Portugiesen vorzubereiten. Dem Zorn einiger kannibali­scher Indianerhäuptlinge, die ihm nach dem Leben trachteten, wiederholt entronnen, wirkte von Anchieta tausendfach zum materiellen und geistigen Wohl des Stammes der Tamoyos und gewann so deren Vertrauen. In dieser Si­tuation verfasste er zudem noch sein berühmtes lateinisches Gedicht De Beata Virgine Dei Mater Maria. Da er kein Papier zur Verfügung hatte, schrieb er die Distichen in den Ufersand und lernte sie auswendig, um sie später zu Papier zu bringen.

Nachdem endlich Frieden eingekehrt war, konnte von Anchieta nach Sao Vi­cente und somit nach Sao Paul zurückkehren, wo er sich unermüdlich um die Opfer der Pockenepidemie kümmerte, von der die einheimische Bevölkerung in der Umgebung von Sao Paul in den Jahren 1563/64 dezimiert wurde. Wäh­rend dieses Einsatzes erreichte ihn unversehens der Befehl, den Provinzial zu begleiten, um ihm bei den Verhandlungen mit den Eingeborenen und Portugie­sen beizustehen, die aufgrund der jüngsten Erfahrungen mit den Tamoyos be­fürchteten, ganz Brasilien an Frankreich und dessen Verbündete zu verlieren. Am 19. März 1564 verließen die beiden Jesuiten an Bord einer Brigantine Sao Vinzenz und wohnten fortan allen Verhandlungen bei, die im März 1565 zur Gründung der Stadt San Sebastian, dem heutigen Rio de Janeiro, führten. Am 31. März 1565 schiffte sich von Anchieta nach Bahia ein mit dem Auftrag, dem Generalgouverneur über den Ausgang der Expedition zu berichten und vor al­lem um seine Studien abzuschließen. Im Jahre 1566 schließlich wurde er in der Kathedrale von Bahia zum Priester geweiht.

1567 kehrte er nach Rio de Janeiro zurück und wurde noch im gleichen Jahr zum Superior der Häuser der Gesellschaft Jesu in Sao Vinzenz und Sao Paul gewählt. Zehn Jahre später, nach Ablegung der vier feierlichen Gelübde, wurde er am 8. April 1577 zum Provinzial von Brasilien bestellt, ein Amt, das er von 1577 bis 1587 bekleidete.

Diese Jahre bildeten den Höhepunkt seiner Tätigkeit, gekennzeichnet von ei­ner immer tieferen Versenkung in das Gebet und die Gemeinschaft mit Gott. In hoher Verantwortung absolvierte von Anchieta seine Visitationen bei den Mit­brüdern in den verschiedenen Häusern und legte dabei Entfernungen von meh­reren 1000 km zurück, was durch den Umstand erschwert wurde, dass er sich aufgrund seines gekrümmten Rückgrats kaum im Sattel halten konnte. Doch lehnte er es ab, sich wie die Granden von den Sklaven in einer Hängematte transportieren zu lassen. Unaufhörlich ermutigte er seine Untergebenen, er­griff die verschiedensten Initiativen und unternahm zahlreiche Exkursionen in die Urwälder auf der Suche nach Eingeborenen, zu denen das Evangelium noch nicht vorgedrungen war. Auf diese Weise wurde Pater von Anchieta zur Seele und zur treibenden Kraft der gesamten missionarischen Arbeit, weshalb sein Ruf die Zeiten überdauerte und er als „der heilige Apostel Brasiliens“ bezeich­net wurde.

Die Erinnerung an ihn bezieht sich vor allem auf die umsichtigen und weisen Reformen des Bildungssystems in den brasilianischen Missionarskollegien, auf die Vervollkommnung des Systems der so genannten aldeias (Dorfgemeinschaf­ten) und auf die unermüdlichen Bemühungen zur Verbesserung des Religions­unterrichts für die Indianer, wozu er durch sein berühmtes Werk Doutrina Christãa, Mysterios da Fe, dispostos a modo de diálogo em benefício dos índios wesentlich beitrug. Gleichzeitig wird er als Begründer der brasilianischen Lite­raturgeschichte angesehen, als Mann der Tugend und Hingabe und sogar als Wundertäter, der Macht über die Naturkräfte besaß.

1587 wurde von Anchieta aus dem Amt des Provinzials entlassen, da er vor­zeitig gealtert und seine Kraft erschöpft schien und man daher an sein baldiges Ableben glaubte. Nachdem er sich wieder erholt hatte, wurde er zum Superior der Mission des Hl. Geistes bestellt. Dort verbrachte er die zehn letzten Jahre seines Lebens, wobei er sich mit ganzer Hingabe den ihm anvertrauten Seelen widmete.

Neben dieser umfassenden Pastoraltätigkeit Pater von Anchietas ist auch sein Beitrag zum kulturellen Erbe Brasiliens nicht zu vergessen. Seine Poesien, Brie­fe, Beschreibungen von Naturschönheiten, seine Predigten, die einmalige Bei­spiele der geistlichen Rhetorik des 16. Jahrhunderts darstellen, seine unver­gleichlichen Gedichte in lateinischer Sprache — De gestis Mendi de Saa, praesidis Brasiliae und De Beata Virgine Dei Mater Maria — füllen an die 12 Bände der Ausgabe seines Gesamtwerks.

Pater Josef von Anchieta starb im 63. Lebensjahr am 9. Juni 1597 in Reritiba, das ihm zu Ehren heute den Namen Anchieta trägt.
Seine sterblichen Über­reste werden in verschiedenen Kirchen und Kollegs der Gesellschaft Jesu in Brasilien verehrt.

Am 22. Juni 1980 wurde Josef von Anchieta von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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