Andreas Resch: Josef Gérard

JOSEF GÉRARD
(1831-1914)

PRIESTER
DER KONGREGATION DER MISSIONARE OBLATEN
DER UNBEFL. JUNGFRAU MARIA

Selig: 15. September 1988
Fest: 29. Mai

JOSEF GÉRARD wurde am 12. März 1831 in Bouxières-aux-Chênes, Diözese Nancy, Frankreich, als erstes von fünf Kindern der armen Bauersleute Jean Gérard und Ursula Stofflet geboren. Von seiner Familie erhielt er eine solide christliche Erziehung und die nötige Abhärtung für das karge Leben am Land.

Josef besuchte die von den Schwestern der Christlichen Lehre geleitete Gemeindeschule von Bouxières. Sein Pfarrer, Abbé Cayens, ehemals Missionar in Algerien, bereitete ihn auf die Erstkommunion vor und erzählte ihm fast ebenso begeistert von Algerien wie von der Eucharistie. Der Erstkommuniontag, der 2. Februar 1842, war für Josef schließlich der schönste Tag in seinem Leben, wie aus einem Brief vom 31. Januar 1913 hervorgeht: „Heute jährt sich wiederum der schönste Tag meines Lebens… Ich hätte mir gewünscht, dass dieser Tag nie zu Ende geht, dass er ewig dauern möge.“

Einige Zeit später, wahrscheinlich aber schon gleich nach der Erstkommunion, brachte der Pfarrer, der in dem Jungen eine natürliche Veranlagung zum Priesterberuf bemerkte, Josef die ersten Lateinkenntnisse bei und führte ihn auch in die übrigen Fächer des Kleinen Seminars ein. Am 22. Oktober 1844 trat Josef dann, dank der finanziellen Unterstützung eines großzügigen Gönners, in das Kleine Seminar von Pont-à-Mousson ein. Von dort wechselte er im Oktober 1849 in das Große Seminar von Nancy. Er war ein sehr gewissenhafter Schüler und widmete sich eifrig den Studien der Philosophie und Theologie. Gleichzeitig schmiedete er Pläne im Blick auf ein Ordensleben und ein Missionsapostolat in der Kongregation der Missionare Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria.

Gérard hatte nämlich bereits während seines Aufenthalts im Kleinen Seminar von Pont-à-Mousson Gelegenheit gehabt, einige Patres der Kongregation kennen zu lernen, die dort von ihrer Missionstätigkeit bei den Indianern Amerikas und den Inuit Kanadas berichteten. Diese Begegnung hatte bei ihm, damals Schüler der dritten Gymnasialklasse, große Begeisterung ausgelöst. Vermutlich nahm er die Osterferien 1851 zum Anlass, um das Seminar zu verlassen und Oblate der Unbefleckten Jungfrau Maria zu werden.

Nach einem Besuch bei seiner Familie in Bouxières trat Gérard am 9. Mai 1851 in das Noviziat der Oblaten in Notre-Dame de l‘Ossier bei Grenoble ein, wo er ein neues Leben anfing. Im Januar 1852 schrieb der Novizenmeister über ihn: „Es ist beeindruckend, wie dieser Junge von der Gnade geführt wird. Ich bin überzeugt, dass er den ganzen Tag Gottes Gegenwart im Blick hat. Seine Bescheidenheit und Frömmigkeit sind außergewöhnlich. Er ist hilfsbereit, tut Buße, ist liebenswürdig und immer fröhlich. Man braucht ihn nur in der Kirche zu sehen und schon fühlt man sich Gott näher.“ Nach Beendigung des Noviziats und Ablegen der Ewigen Profess am 10. Mai 1852 wurde Gérard zur Fortsetzung seiner Theologiestudien in das Große Seminar nach Marseille geschickt. Aufgrund der dringlichen Anforderungen, die das neue Apostolat, mit dem das Institut der Oblaten in Südafrika von der Kirche damals betraut wurde, mit sich brachte, war es ihm nicht möglich, seinen Aufenthalt in Marseille zu verlängern. Der hl. Charles-Joseph-Eugène de Mazenod, Bischof von Marseille sowie Gründer und Generaloberer der Missionare Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria, entsandte ihn nach der Diakonatsweihe am 3. April 1853 in die Mission nach Natal in Südafrika. Im Mai 1853 verließ Gérard gemeinsam mit P. Barret und Br. Bernard Frankreich, um nicht mehr wiederzukehren. Nach Überqueren des Mittelmeeres wurde das Schiff, anstatt an der Küste Afrikas entlangzusegeln, durch Gegenwind an das andere Ufer des Atlantiks bis nach Rio de Janeiro getragen. Von dort brachte ein anderes Schiff die Missionare zur Insel Mauritius, wo P. Gérard Gelegenheit hatte, P. Jakob Desiderius Laval kennen zu lernen. Lavals missionarische Tätigkeit machte großen Eindruck auf ihn. Dessen Wirken als Apostel bei den Basuto sollte ihm in ewiger Erinnerung bleiben. Nach mehrmonatigem Aufenthalt verließen die Missionare Mauritius und erreichten am 21. Januar 1854 Port Natal (Durban).

Der erste Apostolische Vikar von Natal, Msgr. G. F. Allard O.M.I., lernte Gérards Qualitäten bald schätzen und schickte ihn zu Exerzitien, um sich auf die Priesterweihe vorzubereiten; diese erfolgte am 19. Februar 1854 in Pietermaritzburg.
Nachdem er einige Monate mit dem Erlernen der englischen und der Zulu-Sprache zugebracht hatte, wurde P. Gérard zusammen mit P. G. Barret im Februar 1855 beauftragt, 50 km südlich von Pietermaritzburg die Mission St-Michel aufzubauen. Nach sieben Jahren erfolgloser Bemühungen schrieb ihm de Mazenod aus Marseille, er solle den Stamm verlassen und in das Landesinnere vordringen. Msgr. Allard und P. Gérard gehorchten. Ende 1861 beschloss Allard, die bei den Zulus gegründete Missionsstation aufzugeben.

Nachdem er von Moshoeshoe und seinem Volk gehört hatte, fasste Allard den Beschluss, diesen in den Bergen im Land der Basuto aufzusuchen. Am 17. Februar 1862 wurden er und P. Gérard bei Moshoeshoe mit der Bitte vorstellig, sich in seinem Land niederlassen zu dürfen. Dieser gab sein Einverständnis und wählte sogar selbst den Platz dafür aus. Die erste Mission wurde „Dorf der Mutter Jesu“ genannt. Später wurde diese Bezeichnung in Roma umgewandelt, weil die Protestanten für die Katholiken im lokalen Sprachgebrauch den Ausdruck „ha Baroma“ verwendeten, was soviel hieß wie „bei denen aus Rom“.
Die ersten Schritte waren sehr beschwerlich. Durch Gebet und unermüdlichen Eifer konnte P. Gérard jedoch schon bald die ersten Früchte ernten. Seine Arbeit galt in erster Linie den Alten und Kranken. Bei Letzteren verbrachte er nächtelang, um sie zum Licht zu führen und ihnen den Trost des Glaubens zu spenden; und als sich der König wegen des Einfalls der Buren in Schwierigkeiten befand, kümmerte sich P. Gérard um die Verwundeten. Der König und das Volk fragten sich, wie es ihm gelungen sei, ohne den geringsten Schaden die feindlichen Linien zu überschreiten. P. Gérard genoss deshalb bei der Bevölkerung großes Vertrauen, aber auch weil an erster Stelle seiner Missionstätigkeit die Liebe stand, noch vor der Verkündigung des Wortes. Und diese Liebe veranlasste ihn, das Leben sowie Freud und Leid der Basuto in einem Maße zu teilen, dass einer ihrer Häuptlinge eines Tages öffentlich erklärte, P. Gérard sei ein echter Basotho.

Die Grundlage seines Apostolats bildete die Unterweisung im Katechismus. An den Sonntagen nach der Eröffnung der ersten Kapelle in Basutoland stellte P. Gérard seine Unterrichtsmethode vor – einfach, aber genau auf die Teilnehmer abgestimmt. Als die Voraussetzungen geschaffen waren, erhielt er Verstärkung aus Frankreich. Die Schwestern der Hl. Familie unterstützten ihn bei seiner Arbeit.
Nach 22 Jahren intensiver Tätigkeit in der Roma-Mission ging P. Gérard daran, im Norden von Lesotho eine neue Missionsstation – Santa Monica – zu errichten, wo er sich am 15. August 1876 niederließ. Die zwanzig Jahre, die er dort verbrachte, waren eine besonders harte und schmerzliche Zeit für ihn. Vom Volk und seinen Führern wurde er praktisch ignoriert und so suchte er die Ursachen für diesen Misserfolg in einem Mangel an persönlichem Mut, Einsatz, Eifer und Heiligkeit. „O Herr“, schrieb er 1879, „hab ein Einsehen mit mir, strafe nicht meinetwegen die armen Heiden. Vergib mir meine Verfehlungen und schenke mir wieder Deine Liebe, die Begeisterung, den Eifer vergangener Zeiten.“ Schließlich kam es zu Bekehrungen und dem inneren Schmerz folgte eine tiefe innere Glückseligkeit.

1897 kehrte P. Gérard nach Roma (Lesotho) zurück und setzte seine Missionsreisen auf seinem treuen Pferd „Artaba“ fort, das sich als kluger Gefährte erwies, weil es sich die Häuser merkte, die zu besuchen waren. Gegen Ende seines Lebens trübte sich Gérards Blick und beugte ihn die Arthrose. 1902 konnte er das goldene Jubiläum seiner Ordensprofess feiern und am 16. April 1914 das diamantene Jubiläum seiner Priesterweihe. Zwei Monate vor seinem Tod hatte P. Gérard die Freude, dem Nachfolger von König Moshoeshoe und dem Gründer der Nation, König Griffith Lerotholi, das Sakrament der Taufe und der Erstkommunion zu spenden.

Mit 83 Jahren, einen Monat vor seinem Tod am 29. Mai 1914, unternahm P. Gérard noch einen Ausritt in die Berge, um seine christlichen Brüder zu besuchen. Bei den Basuto ist P. Gérards Ruf der Heiligkeit und Wundertätigkeit allgemein verbreitet. Sein Grab in der Kirche von der Unbefleckten Empfängnis in Roma, Lesotho, Südafrika, ist das Ziel unzähliger Pilgerströme; sie alle verehren in ihm den Apostel von Basutoland.

Am 15. September 1988 wurde Josef Gérard von Papst Johannes Paul II. in Maséru, Lesotho, Südafrika, seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1986 – 1990. Innsbruck: Resch, 2005 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 2). XIII, 298 S., 69 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-076-X, Ln, EUR 25.70 [D], 26.52 [A]

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