Andreas Resch: Josef Freinademetz

JOSEF FREINADEMETZ
(1852-1908)

PROFESSPRIESTER
DER GESELLSCHAFT DES
GÖTTLICHEN WORTES (SVD)

Heilig: 5. Oktober 2003
Fest: 28. Januar

JOSEF FREINADEMETZ wurde am 15. April 1852 als viertes von dreizehn Kindern der Eheleute Johannes Matthias Freinademetz und Anna Maria Algrang in Oies, einem aus fünf Häusern bestehenden Weiler in Val Badia, Provinz Bozen, Südtirol (damals Österreich, heute Italien) geboren und noch am gleichen Tag in der Pfarrkirche von Badia auf den Namen Josef getauft. Von den dreizehn Kindern starben vier bereits im zarten Kindesalter. Von seiner Familie, arbeitsamen und ehrlichen Bauern, erbte Josef einen einfachen, starken und fest im Alltagsleben verwurzelten Glauben sowie einen unbändigen Fleiß.

Die ersten zwei Jahre Grundschule in Badia waren auf Ladinisch; mit zehn Jahren ging er dann nach Brixen, wo er die zwei letzten Jahre Volksschule in deutscher Sprache und das klassische Lyzeum besuchte. 1872 trat Josef in das Große Diözesanseminar in Brixen ein, wo er die Philosophie- und Theologiestudien absolvierte. In dieser Zeit der Ausbildung begann er ernsthaft über eine missionarische Tätigkeit nachzudenken. Am 25. Juli 1875 wurde Freinademetz zum Priester geweiht und der Pfarrei St. Martin in Badia zugeschrieben, seiner ersten Wirkungsstätte. Bescheiden, strebsam, sehr menschlich, offen und ehrlich, gewann er sofort die Herzen aller.

Nach kaum zwei Jahren Dienst als Kaplan in St. Martin wandte er sich an P. Arnold Janssen, den Gründer und Rektor des jungen Missionsinstituts der Steyler Missionare, gegründet am 8. September 1875. Er ersuchte um Aufnahme als Missionsanwärter in das Missionshaus von Steyl in Holland. Janssen, der sich auf der Rückkehr aus Rom befand, traf sich mit Kaplan Freinademetz in Brixen, wo beide vom dortigen Diözesanbischof, Msgr. Vinzenz Gasser, empfangen wurden. Freinademetz bat darum, von seinem Wirken in der Diözese entbunden zu werden, um in die junge Missionskongregation einzutreten. Die Antwort Bischof Gassers ist eine Erwähnung wert: „Der Bischof von Brixen sagt nein, der katholische Bischof aber sagt ja. Gehen Sie, mein getreuer Freinademetz, und werden Sie ein tüchtiger Missionar!“ Am 11. August 1878 verabschiedete sich dieser in seiner Predigt von der Pfarre St. Martin und reiste nach Holland, wo er noch im gleichen Monat in dem bescheidenen Haus in Steyl ankam, das P. Janssen für die Steyler Missionare der ersten Stunde erworben hatte. Freinademetz blieb dort nur kurz, denn schon bald erhielt er die Erlaubnis, nach China auszureisen. Am 2. März 1879 bekamen er und der bayrische Pater Johannes Baptist Anzer vom Apostolischen Nuntius in Holland das Missionskreuz. Noch am gleichen Tag verließen sie Steyl und legten fünf Wochen später in Hongkong an, wo Msgr. Raimondi vom Institut für Auslandsmissionen (PIME) die beiden ersten Missionare empfing.

Nach zwei Jahren wies die Kongregation Propaganda Fide den zwei Missionaren des Göttlichen Wortes den südlichen Teil der Provinz Shantung zu, der 12 Mio. Einwohner zählte, von denen jedoch nur 158 getauft waren. P. Josef wollte die chinesische Sprache bis zur Perfektion erlernen; vor allem aber versuchte er die Herzen der Leute zu berühren. „…Ich liebe China und die Chinesen und würde tausendmal mein Leben für sie geben“, schrieb er. „Jetzt, wo ich mit der Sprache nicht mehr so viele Schwierigkeiten habe und die Menschen und deren Bräuche kenne, sehe ich China als meine Heimat an, als mein Schlachtfeld, auf dem ich sterben möchte.“

Die Arbeit war ziemlich aufreibend: ausgedehnte Reisen, Begegnungen mit Banditen, die ihm alles raubten. P. Freinademetz wurde beauftragt, in Gebieten, die noch völlig heidnisch waren, die ersten Gemeinden aufzubauen. Bei seiner ersten Verkündigungsarbeit setzte er Katechumenen und Neugetaufte ein. Kaum war eine Gemeinde errichtet, kam die Anordnung des Bischofs: „Lassen Sie alles sein und gehen Sie woandershin, um neue Gemeinden aufzubauen!“ Damals begriff Freinademetz die bedeutende Rolle, die den eingesetzten Laien, vor allem den Katecheten, bei der Neuevangelisierung zukam. Er wollte, dass sie fest im Glauben und untadelig im Verhalten seien – echte Beispiele inmitten des Volkes. Für sie bereitete er ein katechetisches Handbuch in chinesischer Sprache vor.

Freinademetz und Bischof Msgr. Anzer lag nämlich am Herzen, dass jede Gemeinde feste Fundamente habe, und so versuchten sie von Anfang an, einen chinesischen Klerus heran- und auszubilden. Der Anfang wurde in der Zentralstation Puoli gesetzt, aus der später Thomas Tien, Steyler Missionar und der erste chinesische Kardinal, hervorgehen sollte. Etwas, das P. Freinademetz stets im Blick hatte, war die spirituelle Ausbildung der Missionare, die „Seelenpflege für die Seelenpfleger“, wie er es nannte. Bei diesem Einsatz wurde er auch durch die verantwortungsvollen Ämter, die er bekleidete, begünstigt: Missionsadministrator, Rektor des Seminars, Spiritual der ersten Gruppe chinesischer Priester und Provinzial. Nicht weniger Bedeutung schrieb er einer zeitgemäßen theologischen und pastoralen Ausbildung der Missionare zu. „Der Fortschritt der Missionare bedeutet den Fortschritt der Mission“, pflegte er zu sagen.

Wenngleich er als Oberer viele Ämter innehatte, wollte er im Grunde ein großer Bruder sein, der mehr durch sein Beispiel und sein Leben sprach als durch das Gesetz. Über ihn schrieb Kardinal Tien, der im Seminar einer seiner Schüler war: „…für uns, die wir ihn begleiten durften, war es immer eine außergewöhnliche Erfahrung, ihn beten zu sehen. Das Bild dieses knienden Priesters ist mir unauslöschlich im Gedächtnis geblieben.“

Durch diese innere Kraft bewältigte er die vielen Aufgaben mit Ruhe und Ausdauer. Doch die unaufhörliche Arbeit und die Entbehrungen hinterließen mit den Jahren ihre Spuren an seinem schlanken und robusten Körper. 1898 kam es zu einer Kehlkopferkrankung und die Lungen zeigten eine beginnende Tuberkulose. Auf Drängen des Bischofs und der Mitbrüder ging er für kurze Zeit zur Erholung nach Japan, in die Nähe von Nagasaki. Einigermaßen wiederhergestellt, aber keineswegs völlig gesund, kehrte er dann zurück. Die Gegend, in der er wohnte und behandelt wurde, war die gleiche, in der die Familie des jungen Jun Yamada lebte, der 1987 auf die Fürbitte von Josef Freinademetz von einer „akuten myeloblastischen Leukämie vom Typ M2“ vollständig geheilt wurde.

1900, nach 20 Jahren ununterbrochener Arbeit in China, lud ihn Pater Janssen anlässlich der 25-Jahrfeier zur Gründung der Kongregation nach Steyl ein, um an den Gedächtnisfeierlichkeiten teilzunehmen. Doch Freinademetz lehnte es vornehm, aber entschieden ab, nach Europa zurückzukehren. Es war die Zeit des „Boxeraufstandes“ gegen die Europäer. Er zog es vor, bei seinen christlichen Brüdern zu bleiben und gemeinsam mit ihnen zu leiden. Als die Gefahr am Höhepunkt war und die anderen Missionare sich auf Anordnung der kirchlichen Behörden unter deutschem Schutz in den Hafen von Tsigtau zurückzogen, ließ Pater Freinademetz nach eintägiger Reise den Wagen umkehren und ging mit einem Laienbruder wieder zu seinen Christen in die Station Puoli zurück, wobei er sich der Gefahr, der er sich aussetzte, wohl bewusst war. Später schrieb er: „Euren Bruder Josef hieltet ihr für tot, doch er lebt… es fehlte nur wenig im vergangenen Jahr, und ich wäre aufgebrochen, um zu meinen teuren Eltern zurückzukehren, die nun schon viele Jahre tot sind. Des öfteren wäre ich fast gestorben oder umgebracht worden; einmal musste ich die halbe Nacht auf unbekannten Pfaden flüchten, weil sie schon ganz nah waren, um mich abzuschlachten; ein anderes Mal standen die Soldaten schon bereit, um mich zu töten; der Mandarin bettelte so lange, bis sie mich am Leben ließen“ (Brief vom 6. Juli 1901 an die Brüder und Schwestern). Trotz allem ließ er seine Christen nicht im Stich.

Als Bischof Anzer zu einer Reise nach Europa aufbrach, musste P. Freinademetz die Leitung der Diözese übernehmen. In dieser Zeit kam es zu einer Typhusepidemie und Freinademetz, als guter Hirte, kannte keine Schonung. Unermüdlich setzte er sich ein, ohne Rücksicht auf sich selbst, wurde angesteckt und sein ohnehin schon angeschlagener Organismus noch mehr geschwächt. Unverzüglich zog er sich nach Taikia, den Sitz des Bischofs zurück, wo er am 28. Januar 1908 sein Leben beschloss. Seine letzte Ruhe fand er unter der 12. Kreuzwegstation in Taika (Shantung-Süd). Sein Grab – für die Christen schon bald ein Ort der Verehrung – wurde während der chinesischen Kulturrevolution 1966 verwüstet.

Das Werk von Freinademetz und seinen Mitbrüdern trug Früchte: die anfangs verschwindend kleine Zahl an Christen, nämlich 158, war bei seinem Tod auf 45.000 gestiegen; ebenso die Zahl der Katechumenen. In 1100 Gemeinden waren Gebetszentren und Kirchen errichtet worden. Über 70 Priester und Laienbrüder, ungefähr 40 Schwestern und nahezu 1000 Katechisten waren in der Missionsarbeit tätig. Kardinal Tien meinte dazu 1958 in einem Interview aus Anlass des 50. Todestages von Pater Freinademetz: „Bei allen Christen genoss Pater Freinademetz schon zu Lebzeiten den Ruf der Heiligkeit. Er ist wie Kungdse (Konfuzius), sagten die Chinesen: alles ist gut, alles ist vollkommen an ihm: immer freundlich, bescheiden, demütig! Er sprach gut Chinesisch. Alle, die ihn kannten, waren mehr als beeindruckt und seine Anwesenheit war in gewisser Weise immer ein Trost.“

Am 5. Oktober 2003 wurde Josef Freinademetz von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, nachdem ihn Papst Paul VI. am 19. Oktober 1975 seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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