Andreas Resch: Josef Bilczewski

JOSEF BILCZEWSKI
(1860-1923)

ERZBISCHOF VON LEMBERG

Selig: 26. Juni 2001
Heilig: 23. Oktober 2005
Fest: 20. März

JOSEF BILCZEWSKI wurde am 26. April 1860 in Wilamowice, Polen, als erstes von neun Kindern des Franz Biba und der Anna Fajkisz geboren. Bei der Taufe drei Tage später erhielt er den Namen Josef. Seine Kindheit verbrachte er im Kreis der Familie. Drei Jahre besuchte er die Volksschule in seinem Heimatdorf, das vierte und letzte Jahr in Kęty, wobei er von Beginn seiner Ausbildung an große Freude am Lernen zeigte. Während der Ferien half er den Eltern bei der Feldarbeit.

Nach Abschluss der Volksschule 1872 schickten die Eltern Josef an das Gymnasium in der nahegelegenen Stadt Wadowice, wo er sich mit großem Einsatz dem Studium widmete und beste Resultate erzielte. Nach Ablegen der Reifeprüfung trat er im August 1880 in das Seminar von Krakau ein; im Jahr darauf erhielt er das Sakrament der Firmung. Als Seminarist studierte er Philosophie und Theologie an der Jagiellonischen Universität in Krakau. Sofern es ihm die Zeit erlaubte, besuchte er zur Vertiefung seiner kulturellen Interessen aber auch andere Vorlesungen.

Am 6. Juli 1884 wurde Bilczewski von Kardinal A. Dunajewski in der Jesuitenkirche von Krakau zum Priester geweiht. Nach seiner Ernennung zum Pfarrvikar von Mogiɫa (1884-1885) setzte er sein Spezialstudium in Theologie an der Jagiellonischen Universität fort. 1885 schickte ihn der Bischof von Krakau für weitere Studien nach Wien, wo er am 18. Oktober desselben Jahres mit der Arbeit Deus est Creator mundi das Doktorat in Theologie erwarb. Daraufhin spezialisierte er sich noch in dogmatischer Theologie und christlicher Archäologie an der Gregoriana in Rom und am Katholischen Institut in Paris. Im Juni 1888 kehrte er wieder in seine Diözese zurück, wo er sich der Seelsorge widmete und sich auf die Habilitation vorbereitete.

Trotz der aufreibenden Arbeit als Pfarrkaplan in Kęty und Krakau habilitierte sich Bilczewski 1890 an der Jagiellonischen Universität in Dogmatik mit einer Arbeit zum Thema Die christliche Archäologie: Gegenüberstellung zur Geschichte der Kirche und des Dogmas. Nach Veröffentlichung der Arbeit erhielt er vom Fakultätsrat der Theologie in Krakau einen Lehrauftrag als Dozent. Am 14. Juni 1891 wurde Bilczewski zum außerordentlichen Professor für spezielle Dogmatik an der Universität „Johann Kasimir“ in Lemberg ernannt; nur zwei Jahre später folgte die Ernennung zum ordentlichen Professor. Bilczewski intensivierte seine wissenschaftliche Arbeit, vor allem auf dem von ihm bevorzugten Gebiet der christlichen Archäologie. Nach Erhalt einer Studienförderung seitens der Regierung kehrte er gegen Ende 1894 nach Rom zurück, um in den römischen Katakomben weitere archäologische Forschungen durchzuführen, die er in der Arbeit Die Eucharistie im Licht der ältesten ikonografischen und epigrafischen Schriften zusammenfasste, welche 1898 in Krakau veröffentlicht wurde. Im gleichen Jahr wurde er Dekan der Theologischen Fakultät der Universität von Lemberg und 1900 Rektor der Universität.

Nach dem Tod des lateinischen Erzbischofs von Lemberg, Severin Morawski, wurde Bilcezwski von Kaiser Franz Josef I. Papst Leo XIII. als Nachfolger vorgeschlagen und am 17. Dezember 1900 vom Hl. Vater zum lateinischen Erzbischof von Lemberg ernannt. Am 20. Januar 1901 erhielt er die Bischofsweihe und nahm die Diözese in Besitz, wobei er sich von Anfang an der damit übernommenen Verantwortung und zugleich seiner menschlichen Grenzen zutiefst bewusst war. Er bat daher seine Freunde um Unterstützung: „Gott ist mein Zeuge, dass ich heute, nachdem ich zu solch hohem Dienst berufen wurde, nichts anderes wünsche, als ein guter Bischof zu sein. Doch vom Wunsch zur Tat ist es ein weiter Weg. Daher bitte ich um das tägliche Gebet nach meinen Intentionen.“

Bei Inbesitznahme der Erzdiözese erstellte Bilczewski ein detailliertes pastorales Programm mit folgenden wesentlichen Punkten:

„– Aufstockung und optimale Schulung des Klerus. Dazu sollen die Gläubigen um das Gebet für Priesterberufe und um die Gnade für eine gute Ausbildung der Seminaristen ersucht werden;
– Ausbildung von Priestern für die Diözese mit den verschiedensten wissenschaftlichen Spezialisierungen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sowohl in der Pastoral als auch als Prediger eine entsprechende Stellung zu bekleiden;
– eine Verbesserung der Kenntnisse des Katechismus; Weckung des Wunsches bei Klerus und Volk, die Kenntnis der Glaubenswahrheiten zu vertiefen;
– Förderung der Kenntnis, Liebe und Verehrung im Hinblick auf Jesus im Allerheiligsten Altarsakrament als Quelle der Tugend und sozialer Gerechtigkeit;
– Weckung einer großen Sympathie für den Heiligen Stuhl sowie die Förderung der Kenntnisse hinsichtlich der katholischen Kirche;
– die Schaffung und Entfaltung sozialer Tätigkeit und Organisation innerhalb der Diözese nach den Anweisungen von Papst Leo XIII.;
– die Errichtung von Kirchen und die schnellstmögliche Schaffung neuer Pfarreien;
– häufiger Besuch der Diözese; sich mit lebendigen und herzlichen Worten an das Volk zu wenden und zu versuchen, die Situation der Pfarren aus der Nähe kennenzulernen; jede Abordnung mit Wohlwollen zu empfangen, damit alle die Möglichkeit erhalten, ihren Erzbischof kennenzulernen und ihm ihre Herzen zu öffnen;
– so oft als möglich den Klerus zu Exerzitien zu versammeln, damit das göttliche Feuer nie verlösche, sowie Unterweisung durch Beispiel und Wort;
– Gründung einer katholischen Zeitung für Intellektuelle sowie einer Wochenzeitung für Arbeiter und Landbevölkerung.“

Die Verwirklichung eines derart umfangreichen Programms erforderte mehr als totale Hingabe, denn Bilczewskis bischöflicher Auftrag erwies sich aufgrund interner Probleme, wegen des Ersten Weltkriegs und des Krieges von 1920 als äußerst schwierig. Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges ließ er sich nicht einmal von den Russen einschüchtern und versuchte trotz angeschlagener Gesundheit mit seinem ganzen Mut, den Menschen in der Erzdiözese zu helfen, indem er den Gläubigen aller katholischen Riten seinen spirituellen Beistand zusicherte. Für die gesamte Bevölkerung von Lemberg, für die katholische wie für die orthodoxe und jüdische, war Bilczewski ein fester Bezugspunkt, der sie gegen die Grausamkeiten des Krieges, des Hungers und der Verfolgung verteidigte.

Nach Rückkehr der Österreicher 1915 widersetzte er sich mutig den Verfolgungen der Bewohner von Lemberg, die der Kollaboration mit der russischen Regierung beschuldigt wurden. Viele rettete er vor Gefängnis und Tod, indem er bei den lokalen Behörden in Lemberg und Wien vorsprach.

Während des polnisch-ukrainischen Krieges (1918/19) bemühte sich Bilczewski um Beilegung des Bruderzwists, der unnötiges Blutvergießen verursachte. Bei der Besetzung der Erzdiözese durch die Bolschewiken 1920 blieb er in Lemberg und versuchte sowohl den Klerus als auch die Einwohner zu ermuntern und zu unterstützen. Nach Kriegsende setzte er, trotz fortschreitender perniziöser Anämie (Leukämie), alle seine Möglichkeiten ein, um das kirchliche Leben in seiner Diözese wiederherzustellen, indem er zu Frieden und Versöhnung aufrief.

In der Tat zeichnete sich Erzbischof Bilczewski stets durch große Herzensgüte aus. Das Wohlwollen und Mitfühlen, die Bescheidenheit und Hingabe, die Arbeitsamkeit und der pastorale Eifer, die seiner unendlichen Liebe zu Gott und dem Nächsten entsprangen, wurden von seiner Gewissensverantwortung gespeist. Immer wieder sagte er: „Ein reines Gewissen ist der größte Schatz, der vornehmste Lohn unserer Bemühungen.“ Gerade wegen dieser Haltung wird er als ein unermüdlicher apostolischer Arbeiter voll der Liebe zu Gott, zum Nächsten und zur Heimat bezeichnet. Seine außergewöhnlichen Verdienste und sein umfassendes Wissen bewirkten, dass sich sein Name unauslöschlich in die Seele der polnischen Nation eingeprägt hat, die ihn als einen ihrer größten spirituellen Führer betrachtet und unter großer Bewunderung in eine Reihe mit den verdienstvollsten Söhnen Polens stellt. Bilczewski genoss generell große Wertschätzung bei den Menschen, unabhängig von deren Konfession, Ritus und Nationalität.

Mitte Januar 1923 begab sich Bilczewski auf das Krankenlager, von dem er sich nicht mehr erhob. Am 20. März desselben Jahres starb er, gestärkt durch die Sakramente, im Alter von 63 Jahren nach einem Gott und dem Nächsten geweihten, arbeitsamen und heiligmäßigen Leben. Beerdigt wurde er, seinem Wunsch entsprechend, auf dem Friedhof von Janów in Lemberg (Lviv), der auch „der Friedhof der Armen“ genannt wird. Er wollte unter jenen ruhen, für die er immer Vater und Beschützer gewesen war.

Am 26. Juni 2001 wurde Josef Bilczewski von Papst Johannes Paul II. in Lemberg, Ukraine, seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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