Andreas Resch: Josef Baldo


JOSEF BALDO
(1843-1915)

PRIESTER UND GRÜNDER
DER KONGREGATION
DER KLEINEN TÖCHTER
DES HL. JOSEPH

Selig: 31. Oktober 1989
Fest: 24. Oktober

JOSEF BALDO wurde am 19. Februar 1843 als sechstes von neun Kindern des Bauern Angelo Baldo und der Hebamme Ippolita Casa in Puegnago in der Provinz Brescia, Diözese Verona, Italien, geboren und auf den Namen Josef Daniel getauft.

Seine erste Erziehung erhielt er zu Hause von seiner Mutter. Von lebhaftem Temperament und starkem Charakter setzte er unter ihrer Anleitung mit Entschiedenheit alles daran, in der Barmherzigkeit zu wachsen und übte sich schon von klein auf in den menschlichen und christlichen Tugenden. Er pflegte einen klaren und strengen Lebensstil, Gebet, Studium, Arbeit – , dem er bis zu seinem Tod treu blieb. Als er, noch im Kindesalter, seine Mutter wissen ließ, dass er Priester werden wolle, warnte ihn diese: „Es gibt zwei Sorten von Priestern – das musst du dir immer vor Augen halten! Entweder es ist einer ein guter Priester oder gar keiner!“ Diese Warnung der Mutter begleitete ihn ein Leben lang.

Nach Abschluss der Grundschule in Puegnago wechselte Josef 1852 an die Schule in Salò, um dort seine Studien fortzusetzen und sich auf das Gymnasium vorzubereiten.
Am 7. Dezember 1858 trat er in das bischöfliche Seminar von Verona ein, wo er sofort durch Fleiß, unermüdlichen Einsatz und Lernerfolg auffiel. Am 30. März 1862 wurde er zu den niederen Weihen zugelassen; am 12. März 1864 erfolgte die Weihe zum Subdiakon und am 11. März 1865 zum Diakon. Am 15. August 1865 schließlich, zum Fest Maria Himmelfahrt, empfing er mit erst 22 Jahren per Indult des Hl. Stuhls die Priesterweihe. Seine erste Messe feierte Baldo in seinem Heimatdorf Puegnago. Gleich darauf wurde er als Kaplan in die Vorstadtpfarre von Montorio am Stadtrand von Verona entsandt, wo er ein Jahr blieb. Bereits 1866 nämlich berief ihn der Bischof als Vizeregens des zum Diözesanseminar gehörigen bischöflichen Kollegs, wo er sich elf Jahre hindurch als ein fähiger und geschätzter Erzieher erwies. Er führte eine Reihe von Verbesserungen ein und sanierte die Finanzen, wobei er auf die ihm persönlich zugestandenen Annehmlichkeiten verzichetete. Er ließ in die Verwaltung des Kollegs auch den Erlös aus seinen Publikationen einfließen: Il convittore nelle meditazioni eterne (1875; Der Zögling in der ewigen Betrachtung) und Manuale di devozione pel convittore del collegio-convitto vescovile di Verona (1877; Andachtsbuch für den Zögling des bischöflichen Kollegs von Verona). Das Ausbildungssystem wurde von ihm dahingehend geändert, dass die Erfüllung der Bedürfnisse der ihm anvertrauten Jugendlichen mit der erforderlichen Disziplin Hand in Hand ging. Die elf Jahre, in denen Baldo im Kolleg für die Erziehung verantwortlich war, werden als das goldene Zeitalter des renommierten Instituts betrachtet. Durch umsichtige Anwendung des Präventivsystems von Johannes Bosco gelang es ihm, Ausbildung und Erziehung, Wahrheitserkenntnis und Liebe zum Guten, Wissenschaft und Frömmigkeit sowie persönliche Bedürfnisse und Bestrebungen und die Zusammenarbeit zum Wohl der Allgemeinheit zu harmonisieren. Für seine Studenten verfasste Baldo die Neue Disziplinarordnung, die vom Bischof für geeignet befunden wurde, „die Jugendlichen charakterlich zu formen und aus ihnen zufriedene junge Männer zu machen, die religiös gebildet waren und für Vaterland, Gesellschaft und Familie nicht nur eine Zier, sondern auch von großem Nutzen“ sein würden. Es fehlte aber auch nicht an Kritik von Seiten des neuen Rektors, der Baldos Erziehungsmethoden als zu wenig rigoros einstufte, womit der nötige Respekt vor einer eisernen Disziplin nicht gewährleistet sei.

Vom Wunsch getragen, seine pastoralen Aktivitäten auszuweiten, erhielt Baldo nach entsprechendem Ansuchen vom Bischof am 16. August 1877 die ca. 25 km südöstlich von Verona gelegene Pfarre Ronco an der Etsch, ein riesiges Agrarzentrum in der Veroneser Tiefebene, dessen Bewohner aus Tagelöhnern in Abhängigkeit einiger weniger Großgrundbesitzer bestanden, völlig ungebildet waren und von einer antiklerikalen Clique beherrscht wurden. So wurde in der Pfarre alles Religiöse dem Spott ausgesetzt und am Karfreitag gab man sich sogar der Völlerei hin. Baldos Vorgänger war nicht zufällig von vier Männern attackiert worden, die ihn mit dem Umbringen bedrohten.

Angesichts dieser Umstände hielt es Don Baldo für ratsam, Vorsicht walten zu lassen. Um etwaigen feindseligen Angriffen auszuweichen, wählte er für seinen Einzug in die Pfarre eine Nebenstraße, die sog. Bassa, wobei ihm auch das nebelige Wetter gelegen kam. Es war der Abend des 17. November 1877. Tatsächlich hatte „sich eine Gruppe von Aufrührern, als sie erfuhren, dass Don Baldo sich anschickte, in Ronco als Pfarrer einzuziehen, entlang der Straße auf die Lauer gelegt, um ihn einzuschüchtern und zur Umkehr zu zwingen“. Es gab keine Gläubigen, die ihn in Empfang nahmen; seine Ankunft in Ronco vollzog sich lediglich unter dem Schutz des Nebels. Am darauf folgenden Morgen, den 18. November, erfuhr Don Baldo jedoch die Genugtuung, die Kirche Santa Maria übervoll mit Gläubigen zu sehen. Er stellte sich dem Volk als Pfarrer vor und präsentierte aufrichtig und mutig sein hingebungsvolles Programm: „Ich bin euer Pfarrer! D. h., ich werde ganz für euch da sein. Von jetzt an habt ihr einen neuen Besitz, ein neues Herz, an das ihr euch wenden könnt, eine neue Seele, die aus absoluter Pflicht für euch beten, leiden und mit dem Tode ringen wird müssen.“ An diesem Programm hielt er die 38 Jahre seines Priesteramtes fest.

Die Situation in Ronco erwies sich als geradezu katastrophal: das religiöse Leben war mehr als lasch, die Kirche in einem verwahrlosten Zustand, und die Bevölkerung lebte – mit Ausnahme einiger wohlhabender Familien im Zentrum des Ortes – in völliger Armut. Krankheit, Ignoranz und Ausbeutung waren die endemischen Plagen. Don Baldo machte sich unverzüglich an die Arbeit und stellte die Eucharistie in das Zentrum seines spirituellen Lebens und seiner pastoralen Tätigkeit. Er trug zur Verbesserung der religiösen Praxis bei. 1878 führte er das Gebetsapostolat ein und begann mit der Unterweisung in der christlichen Lehre. Zu diesem Zweck nahm er 1879 eine Neuordnung der Bruderschaft vom Allerheiligsten Altarsakrament vor, setzte die vierzigstündige Anbetung ein und forcierte die Wiederbelebung der Gesellschaft von der Christlichen Lehre. Um die Laien zur Mitarbeit zu bewegen, gründete er 1882 das Pfarrkomitee der Männer und die Vereinigung christlicher Mütter. Nach der Organisation der Männer und Frauen kümmerte er sich in gleicher Weise um die Jugend und gründete zu diesem Zweck 1882 das Oratorium für Mädchen, „um die jugendlichen Seelen zu überreicher Barmherzigkeit, zur Tugend und zur Hingabe an die Allerheiligste Jungfrau“ zu erziehen; 1885 folgte das Oratorium für Knaben.

Gleichzeitig kümmerte er sich um sozial-humanitäre Angelegenheiten. So versammelte er 1882 in einer frommen Vereinigung, genannt „Mägde der Nächstenliebe von der Mutter der Immerwährenden Hilfe“, Frauen für die unentgeltliche Hauskrankenpflege. Außer an die Alten und Kranken dachte er auch an die Kinder, für die er ein Heim errichtete, in dem sie kostenlos unterkamen. Ferner gründete er die Arbeitsschule und das Pfarrgymnasium. Der schlechten Presse setzte er eine Leihbücherei entgegen.

1884 rief Baldo die Arbeitergesellschaft der Wechselseitigen Versicherung ins Leben, um die Armen vor den wucherischen Spekulationen der Reichen zu schützen. Am 1. Mai 1888 konnte er schließlich das kleine Spital „Haus Hippolyta“ eröffnen, in dem mittellose Patienten und alleinstehende Alte aufgenommen wurden. 1893 wurde ein Asyl für die betagten Armen des Ortes und der Umgebung eingerichtet. 1894 gründete er die „Katholische Bauernkasse“ für Anleihen und Depots zu günstigen Zinsen.

In seiner aufmerksamen Sorge für seine Schäflein entging ihm auch nicht das schwierige Problem der Auswanderung – ein echtes Übel in der Gesellschaft von damals. Ein sicheres Zeugnis dafür ist sein „Dekalog des Emigranten“. Dieser war in gewissem Sinne der weise und behutsame Vorläufer der Enzyklika Rerum Novarum, den Baldo zur „Magna Charta“ seiner sozialen Tätigkeit machte.

Um den Bedürfnissen seiner Not leidenden Pfarrkinder in möglichst angemessener Weise gerecht zu werden, hatte er 1893 die Barmherzigen Schwestern von Verona in die Leitung des Hauses Hippolyta berufen. Diese wurden jedoch nach einem Jahr wieder abgezogen, um sich um eine neue Frauenvereinigung in Ronco zu kümmern, was Don Baldo zur Gründung einer neuen Kongregation veranlasste. Am 13. Oktober 1894 fanden sich bereits einige junge Frauen für das Postulat, und am 21. November 1894 wurde die Kongregation der Kleinen Töchter des hl. Joseph (Abb.) gegründet. Am 26. April 1897 erfolgte die erste Einkleidung und am 25. Juni legten sieben Schwestern ihre Ordensprofess ab. Damit war das neue Institut, an dem Clementine Hippolyta Forante (1864 – 1928) als Mitbegründerin beteiligt war, kanonisch errichtet. Der Zweck der Gemeinschaft, die am 10. Februar 1913 das Decretum laude erhielt, besteht im Dienst an den Alten und Kranken sowie in der Erziehung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen.

Nach unermüdlichem Einsatz und fast zweijähriger Krankheit starb Don Baldo am 24. Oktober 1915, reich an Tugenden und Verdiensten, im Ruf der Heiligkeit. Seine sterblichen Überreste ruhen in der Kapelle des Mutterhauses der Kleinen Töchter des hl. Joseph in Ronco an der Etsch, Italien.

Am 31. Oktober 1989 wurde Josef Baldo von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1986 – 1990. Innsbruck: Resch, 2005 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 2). XIII, 298 S., 69 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-076-X, Ln, EUR 25.70 [D], 26.52 [A]

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