Andreas Resch: Johannes Calabria

JOHANNES CALABRIA
(1873-1954)

PRIESTER UND GRÜNDER
DER KONGREGATION
DER ARMEN DIENER
UND DER ARMEN DIENERINNEN
DER GÖTTLICHEN VORSEHUNG

Heilig: 18. April 1999
Fest: 4. Dezember

JOHANNES CALABRIA wurde am 8. Oktober 1873 als Sohn von Luigi Calabria und Angela Foschio in Verona, Italien, gebo­ren und am darauffolgenden 1. November auf den Namen Johannes getauft. Der Vater war Flickschuster, die Mutter arbeitete als Hausangestellte und war zudem eine tiefgläubige Frau. Ihr und der Betreuerin im Kindergarten ist es zu verdanken, dass Johannes von frühester Kindheit an ein tiefes Vertrauen in die göttliche Vorsehung fasste. Er lebte nämlich von klein auf in großer Armut. Am 29. Mai 1882 empfing er im Alter von neun Jahren die Erstkommunion und das Sakrament der Firmung. Mit dem Tod des Vaters am 28. Februar 1886 verschlechterte sich die Lage der Familie so sehr, dass er die Volksschule unterbrechen musste, um sich als Hausknecht zu verdingen. In dieser Zeit zeigten sich bei ihm die ersten Anzeichen einer Priesterberufung. Don Pietro Scapini, Kirchenrektor von San Lorenzo und Professor im Seminar, wurde auf Johannes aufmerksam und bereitete ihn privat auf die Aufnahmesprüfung für das Lyzeum vor, welche er am 10. November 1892 bestand. Da er mittellos war, besuchte er das Seminar von Verona als Externer, stets ermuntert und unterstützt durch Don Scapinis Großzügigkeit. Nach zwei Jahren musste er die Studien für zwei Jahre Militärdienst (1894 bis 1896) am Militärspital von Verona unterbrechen. Diese Erfahrung gab ihm Gelegenheit, seine Nächstenliebe kundzutun. Er war bereit, die niedrigsten und riskantesten Dienste zu verrichten, z. B. die Typhuskranken zu pflegen, bis er selbst angesteckt wurde.

Nach seinem Abschied vom Militär nahm Calabria die Gymnasialstudien wieder auf, ohne dabei seine apostolische und karitative Tätigkeit zu vernachlässigen. Als er eines Nachts im November 1897 von Krankenbesuchen im Spital zurückkehrte, fand er vor der Haustür einen Jungen, der den Zigeunern entflohen war. Er nahm ihn mit nach Hause und kümmerte sich um ihn. Diese Erfahrung war für ihn „ein Zeichen“ des Herrn und der Beginn seines Wirkens für Verlassene und Waisen. Wenige Monate später, am 30. April 1898, gründete er mit dem Segen des Bischofs, Kard. Luigi di Canossa, die Fromme Union zur Pflege der armen Kranken.

Am 11. August 1901 wurde Calabria zum Priester geweiht und im September zum Kaplan von S. Stefano sowie zum Beichtvater des Seminars ernannt. Mit besonderem Eifer widmete er sich dem Beichthören und Werken der Nächstenliebe, wobei er vor allem die Armen, die „Geringsten“ der damaligen Zeit, die Schornsteinfeger aus dem Trentino, die in Verona Arbeit suchten, und die allein gelassenen Jugendlichen bevorzugte, von denen er einige in sein bescheidenes Haus aufnahm. Im Februar 1907 wurde er zum Rektor von San Benedetto al Monte ernannt. Hier gesellte sich zu den früheren seelsorglichen und karitativen Tätigkeiten noch die Aufnahme und spirituelle Betreuung der Soldaten. Und jeden Abend füllte sich das Pfarrhaus mit jungen Menschen, die bei ihm geistlichen oder materiellen Beistand zu finden hofften. Am 26. November 1907 erfolgte in der Gasse Case Rotte die offizielle Eröffnung des Instituts Casa Buoni Fanciulli für arme und verlassene Kinder, das ein Jahr später in der Via San Zeno in Monte, dem gegenwärtigen Mutterhaus, eine endgültige Bleibe erhielt.

Don Calabrias karitatives Werk fand sofort die Mitarbeit von Laien, die sich ihm durch Ablegung „privater“ Gelübde an­schlossen. Am 11. Februar 1932 erhielt das Institut unter der Bezeichnung „Arme Diener der Göttlichen Vorsehung“ die diözesane und am 25. April 1949 die päpstliche Approbation. Unmittelbar nach der diözesanen Anerkennung verbreitete sich die Kongregation in verschiedenen Teilen Italiens, stets im Dienst der Armen, Verlassenen und Ausgegrenzten. Don Calabria dehnte seine Tätigkeit auch auf die Betagten und Kranken aus. Neben dem männlichen entstand 1910 ein weiblicher Zweig mit dem gleichen Ziel, nämlich „in der Welt den Glauben an Gott, den Vater aller Menschen, und das Vertrauen in die göttliche Vorsehung wiederzubeleben, und zwar einzig durch das Streben nach dem Reich Gottes; bezüglich der notwendigen Dinge des Lebens auf Ihn zu vertrau­en; arme und verlassene Kinder sowie hilflose kranke und alte Menschen unentgeltlich aufzunehmen; mittellosen Berufungen und Spätberufenen zu helfen; Pfarrseelsorge dort zu betreiben, wo menschlich nichts zu erwar­ten war“. Am 25. März 1952 wurden sie eine Kongregation diözesanen Rechts unter dem Namen Arme Dienerinnen der Göttlichen Vorsehung und am 25. Dezember 1981 erfolgte die päpstliche Approbation.

Seinen beiden Kongregationen gestand Don Calabria die gleiche Aufgabe zu, die ihm vom Herrn schon als jungem Priester eingegeben wurde, nämlich „der Welt zu zeigen, dass es die göttliche Vorsehung gibt, dass Gott kein Fremder ist, sondern ein Vater, der an uns denkt, sofern wir an Ihn denken und unseren Teil dazu beitragen, der darin besteht, in erster Linie das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen“. Er nahm in seinen Häusern sowohl materiell als auch spirituell bedürftige Jugendliche unentgeltlich auf, errichtete Spitäler und Heime, um den Kranken und Alten an Leib und Seele beizustehen; seine Bildungshäuser standen armen Jugendlichen ebenso offen wie Erwachsenen, um ihnen zu helfen, ihrer Berufung zum Priestertum oder Ordensleben Folge leisten zu können, indem er ihnen bis zum Theologiestudium oder bis zur endgültigen Entscheidung für das Ordensleben um Gotteslohn beistand und sie dann entließ, um jene Diözese oder Kongregation zu wählen, die der Herr für sie vorgesehen hatte; er bestimmte, dass seine Ordensleute ihr Apostolat in den ärmsten Regionen ausüben sollten, „wo nach menschlichem Ermessen nichts zu verdienen ist“ – alles stets unter dem Siegel der Unentgeltlichkeit, ohne sich auf irgendwelche Protektion zu verlassen, sondern nur auf die göttliche Vorsehung.

Don Calabria stieß dabei vor allem am Anfang auf große Schwierigkeiten. So schreibt er: „In meinem Haus, mit meiner armen Mutter, nahm ich so manch armes Kind auf. Die Leute und auch der eine oder andere Priester sagten zu mir: ,Ach, lass es doch bleiben, sei ganz ruhig und denke an dein Amt als Priester.‘ Ich aber antwortete: Das sind Seelen, die mir der Herr schickt; sie sind von großem Wert und der Herr wird mir auch noch den Rest schicken!“

Von 1939 / 40 an bis zu seinem Tod weitete Don Calabria seinen Arbeitsbereich bis an die Grenzen der Kirche aus. Den Zweiten Weltkrieg verstand er so, als wollte Gott den Acker bestellen, um die Menschheit auf eine neue Aussaat Seines Wortes vorzubereiten und die „Stunde Jesu“ schlagen zu lassen oder „die praktische Rückkehr zum Evangelium sine glossa“. Er schrieb: „Dies ist die Stunde Jesu, in der Er sich der Welt durch Seine einzige Kirche offenbaren will“.

Und so beschrieben diesen Aspekt des Heiligen die Bischöfe der Bischofskonferenz der drei Venezien in ihrem „Postulatsschreiben“ vom 23.02.1983:
„Um die Kirche des zweiten Jahrtausends – ein ihm geläufiger Ausdruck – vorzubereiten, machte Don Calabria aus seinem Leben einen tief empfundenen Appell zur Bekehrung und Erneuerung, zur Stunde Jesu, mit beeindruckenden Akzenten von höchster Dringlichkeit.“ Die Schriften, Bücher, Zeitschriften und Briefe krönte er mit dem strahlenden Licht eines konsequenten zeugnisgebenden Lebens, wenngleich er dies im Verborgenen und in der Ausübung des bescheidenen Dienstes zu tun trachtete. Vor allem die Priester lagen ihm am Herzen. Für sie schrieb er das berühmte Apostolica vivendi forma (Die Form des apostolischen Lebens). Bekannt sind auch seine Initiativen zur Förderung der Einheit der Christen durch die Pflege brüderlicher Beziehungen mit Protestanten und Orthodoxen.

Zum Mutterhaus in Verona gesellten sich alsbald auch Häuser an ande­ren Orten sowie das Studentat von Nazareth in Verona. Der erste Versuch, 1932 eine Mission in Indien aufzubauen, war aus politischen Gründen nur von kurzer Dauer. Neben den „Armen Dienern der göttli­chen Vorsehung“ entstand 1944 auch die „Famiglia dei Fratelli Esterni“ (Familie der externen Brüder), bestehend aus Laien, die sich im Rahmen der eigenen Familie und des jeweiligen Berufes dafür einsetzen sollten, den Glauben an Gott und das Ver­trauen in die göttliche Vorsehung in der Welt zu bezeugen. Durch das Schriftenapostolat animierte und förderte Don Calabria Initiati­ven im Dienste der Vorsehung unter Laien, Priestern und Ordensleuten und nicht zuletzt auch die Medizinische Fakultät der Universität S. Cuore. Der im Juli 1948 in Fi­des veröffentlichte Beitrag Ut unum sint (Auf dass sie eins seien) stieß auf internationale Resonanz. Don Calabria gehörte wohl zu den gefragtesten Persönlichkeiten seiner Zeit. Sein langes Leben ganz im Sinne der Nächstenliebe endete mit 81 Jahren am 4. Dezember 1954. Er wurde von einer unüber­schaubaren Menge von Menschen betrauert, die aus allen Teilen Italiens zusammen­strömten, um ihm mit jenem Gruß die letzte Ehre zu erweisen, mit dem ihn Papst Pius XII. in einem Kondolenztelegramm bedacht hatte: „Campione di evangelica caritä“ („Meister der christlichen Nächstenliebe“).

Die beiden von ihm gegründeten Kongregationen arbeiten heute in Europa, Lateinamerika, Afrika und Asien.
Seine sterblichen Überreste ruhen im Institut Don Calabria – Casa Buoni Fanciulli – in der Via S. Zeno in Monte, 23, Verona, Italien.

Am 18. April 1999 wurde Johannes Calabria von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, der ihn am 17. April 1988 in Verona seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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