Andreas Resch: Johannes Baptist und Hyazinth von den Engeln

JOHANNES BAPTIST
und
HYAZINTH VON DEN ENGELN
(ca. 1660-1700)

INDIANER, MÄRTYRER

Selig: 1. August 2002
Fest: 15. September

Die Geschichte der christlichen Märtyrer, vor allem der ersten Jahrhunderte, ist reich an Gestalten, die dem Tod in seinen qualvollsten Formen ins Auge blickten, nur um dem soeben angenommenen Glauben nicht abzuschwören und weil sie die Riten zur Verehrung der damaligen Götzenbilder ablehnten. So verhielt es sich auch noch Jahrhunderte später mit den beiden mexikanischen Indianern Johannes Baptist und Hyazinth von den Engeln.

Johannes Baptist von den Engeln wurde um 1660 in S. Francisco Cajonos, Distrikt Villa Alta, im Staat Oaxaca in Mexiko geboren. Dass er getauft wurde, lässt sich aus seinem kirchlichen Dienst ableiten. Aus den Taufakten seiner Tochter Rosa vom 1. Oktober 1689 geht zudem hervor, dass er mit Josefa de la Cruz verheiratet war. Ebenso sicher ist, dass er schon von Kindheit an durch Übernahme von Aufgaben, welche das indigene Ordnungssystem damals vorschrieb, seinem Volk zu Diensten stand und dass er die Laufbahn des „fiscal“, des Generalstaatsanwaltes, beschritt. So diente er, um diesen Grad zu erreichen, bereits mit sieben oder acht Jahren als Ministrant und Helfer des Hauptsakristans und verdingte sich anschließend in verschiedenen anderen Aufgabenbereichen, bis er es zum Richter, Ratsherrn, Bürgermeister, Verfassungsbürgermeister und schließlich zum „fiscal“ brachte.

Hyazinth von den Engeln wurde ebenfalls um 1660 in S. Francisco Cajonos, Distrikt Villa Alta, im Staat Oaxaca in Mexiko geboren. Er war ein Nachkomme der bedeutendsten caciques (Ehrenbürger oder einflussreiche Persönlichkeiten der Region), wie in den von seinen Neffen hinterlassenen beeideten Aussagen von 1775 zu lesen ist. Dass er getauft war, geht ebenfalls aus dem Dienst hervor, den er in der Kirche innehatte. Er heiratete Petrona de los Ángeles und laut Dokumenten hatten sie zwei Kinder, Juan und Nicolosa. Auch Hyazinth beschritt die Laufbahn des „Generalprokurators“ und wurde schließlich 1700 „fiscal“ des Vikariats von San Francisco Cajonos.

So spielten Johannes Baptist und Hyazinth, die den Zapoteken angehörten, als Katechisten eine Vermittlerrolle zwischen den Dominikanermissionaren und der einheimischen Bevölkerung und befanden sich zum Zeitpunkt des Martyriums im Amt des „fiscal“. Diese Tätigkeit stand in der Skala der öffentlichen Ämter an erster Stelle. 1585 war vom Dritten Mexikanischen Provinzrat festgelegt worden, dass in jedem Dorf ein Ältester gewählt werden solle, der aufgrund seines integren Verhaltens das nötige Vertrauen genoss, um dem Pfarrer als ständiger Sittenwächter zur Seite zu stehen. Die Hauptpflicht der „fiscales“ bestand somit in der Beobachtung und Bewahrung der Reinheit des Glaubens und der Moral des Volkes. Die Aufgabe war ziemlich delikat, da sämtliche Akte von Sittenlosigkeit, Meineid und Apostasie, die im Volk begangen wurden, den Priestern gemeldet werden mussten.

In der Nacht des 14. September 1700 wurden die Einwohner von S. Francisco Cajonos und Umgebung, mehrheitlich Christen, zusammengerufen, um in einem Haus einen feierlichen Götzendienst zu zelebrieren. Als die fiscales Johannes Baptist und Hyazinth davon erfuhren, erstatteten sie, beseelt von ihrer Treue zum Glauben, zu dem sie sich bekannten, sowie vom Eifer für den Auftrag, den die Kirche ihnen anvertraut hatte, den Dominikanerpatres Bericht. In Begleitung von Hauptmann Antonio Rodríguez Pinolo gingen die fiscales mit den Patres, um sich von der Sache ein Bild zu machen. Sie überraschten die Organisatoren, lösten die Versammlung auf, sammelten die Kultgegenstände ein und kehrten in den Konvent zurück.

Am darauffolgenden Morgen wurden der Dominikanerprovinzial von Oaxaca und die Behörden von Villa Alta über den Vorfall informiert. Am Mittag des 15. September kam den fiscales zu Ohren, dass die Götzendiener einen Rachezug vorbereiteten, und so zogen sie sich in den Dominikanerkonvent zurück. Gegen Abend kamen die aufgebrachten Indianer, mit Speeren und Stöcken bewaffnet und das Gesicht vermummt, um nicht erkannt zu werden, zum Konvent und forderten die Auslieferung von Johannes Baptist und Hyazinth, ansonsten würden alle im Konvent umgebracht. Außer den fiscales und den Ordensmitgliedern befanden sich dort auch Personen, die sie zum Götzendienst begleitet hatten.

Die Patres Gaspar und Alonzo verweigerten eine Auslieferung. Die wütenden Indianer drohten daraufhin, die Kirche und das Kloster anzuzünden. In ihrem Zorn öffneten sie die Tore des Konvents, verlangten die Herausgabe der beim Götzendienst verwendeten Gegenstände, die sich im Abstellraum befanden, und legten im Nachbarhaus des Johannes Baptist Feuer. Nachdem schließlich klar wurde, dass alle im Konvent in Gefahr waren, beschloss man, die fiscales auszuliefern. Als Johannes an der Reihe war, sagte er: „Hier bin ich. Solltest du mich morgen töten müssen, dann mach es doch gleich!“ Hyazinth ersuchte den Dominikanerpater um Beichtabnahme und Empfang der Kommunion vor dem Weggehen, denn er wolle „aus Liebe zu Gott ohne Waffengewalt sterben“.

Die fiscales wurden ausgepeitscht, beschimpft und aufgefordert, dem Christentum abzuschwören und zur Anbetung der Götzen ihrer Vorfahren zurückzukehren. Die beiden verteidigten und beklagten sich nicht, sondern sagten nur: „Wenn eure Religion authentisch ist, warum baut ihr dann keine Tempel zur öffentlichen Verehrung, anstatt nächtens die armen ahnungslosen Christen zu betrügen!“ Daraufhin wurden sie in den Kerker geworfen, wo weitere Torturen auf sie warteten.

Am darauffolgenden Morgen, dem 16. September 1700, wurden sie in das nahe gelegene Dorf San Pedro in Tanga Hill gebracht und am Nachmittag in die Berggegend von S. Domingo Xagacía. Dort wurden Johannes Baptist und Hyazinth durch Stockschläge und Messerstiche getötet. Man öffnete ihre Brust, riss ihnen die Herzen heraus und warf sie den Hunden zum Fraß vor, was diese jedoch verschmähten. Ihre Körper wurden in einen Graben geworfen, wo sie dann aufgelesen und in der Kirche von Villa Alta aufgebahrt wurden.

Sehr wichtig ist der Hinweis, dass die zivilen Behörden die beiden Märtyrer schon am Tag nach dem Martyrium als „dichosos“ (Selige) bezeichneten, wie aus dem Brief hervorgeht, den der Gouverneur von Villa Alta, Juan Antonio Mier del Tojo, der den Zivilprozess einleitete, dem Provinzoberen der Dominikaner von Oaxaca schickte mit den Worten: „Selig sind sie, wenn sie es verstanden haben, von der Grausamkeit zu profitieren, die, wie (Sie sich) denken können, die Götzendiener des Teufels an ihnen begangen haben.“ Es wurden im gesamten Gebiet und unter Verwendung aller nur erdenklichen Mittel Nachforschungen angestellt, „damit ihnen bzw. zumindest ihrem Leichnam jene Ehre zuteil würde, die ihre Treue verdiente“, wie es der Gouverneur selbst 12 Tage nach der Tat zum Ausdruck brachte.

Bald nach dem Martyrium der beiden fiscales wurde jener Berg, der zunächst unter dem zapotekischen Namen “cia-lag“ oder „Berg der Blätter“ bekannt war, „Fiscal-Santos“ genannt. Ihr Ruf des Martyriums und der Heiligkeit verbreitete sich unmittelbar nach ihrem Tod in der ganzen Diözese, sodass es zu einem historischen Ereignis wurde, das Eingang in die Annalen der Erzdiözese von Oaxaca fand.

Rosa Zuñiga erklärte in ihrer Aussage, dass, als die Leichen der beiden Märtyrer durch Vorsehung gefunden wurden, „bei der Exhumierung viele Menschen herbeiströmten und einige von ihnen kleine Knochen oder Finger entnahmen und diese in Silber fassten, um sie als Medaillen am Hals zu tragen“. Dieser Wunsch, die Reliquien der beiden fiscales in Verehrung zu bewahren, wurde bei der wissenschaftlichen Identifizierung durch die Ärzte, welche die sterblichen Überreste 1889 untersuchten und erklärten: „Die Knochen beider Skelette sind unvollständig…, einige Knochen der Extremitäten deuten darauf hin, dass sie benutzt wurden, wie ihre Oberfläche klar erkennen lässt“, bestätigt. Frau Zuñiga sagte weiter, dass die Dominikanerpatres die Knochen nach kurzer Zeit einsammeln ließen und alle zusammen in einen Behälter legten. Als das Tribunal von Villa Alta davon erfuhr – die Knochen befanden sich im Besitz der hochwürdigen Patres in Cajonos – , forderten sie diese zurück, woraufhin der Behälter samt Inhalt retourniert wurde. Die sterblichen Überreste wurden sodann in der Kirche von Villa Alta beigesetzt, wohin immer wieder Menschen mit Kerzen und Blumen kamen, um sich bei Bedarf der Fürsprache der beiden Verstorbenen anzuvertrauen.

Auch in anderen, späteren, Dokumenten im Verlauf des Verfahrens wurden die Treue, Geduld und Standhaftigkeit der Verstorbenen erwähnt und diese als echte Märtyrer für den katholischen Glauben hingestellt. Eine sehr klare Aussage über den großen Ruf des Martyriums und der Heiligkeit, dessen sich die Märtyrer schon 1774 erfreuten, machen die actas juraomentadas, mit denen die Behörden der Bevölkerung von Santa Maria Yalina bestätigten, dass Johannes Baptist und Hyazinth ihr Blut aus Liebe zum katholischen Glauben vergossen, weshalb man ihren Nachkommen Steuerbefreiung gewährte und den Adelstitel „Kazike“ (Würdenträger bzw. einflussreiche Persönlichkeit bei den indigenen Völkern) verlieh.

1889 wurden die sterblichen Überreste dem Bischof von Oaxaca, Msgr. Eulogio Gillow y Zavalza, übergeben, der sie in die Kathedrale von Oaxaca brachte, wohin auch heute noch viele Menschen mit starkem Glauben und mit Inbrunst kommen, um Gnaden und Wunder auf die Fürbitte der Verstorbenen zu erflehen.

Am 1. August 2002 wurden die beiden Zapoteken aus der Sierra von Oaxaca in Mexiko, Johannes Baptist und Hyazinth von den Engeln, von Papst Johannes Paul II. in der Basilika der Madonna von Guadalupe in Mexiko-Stadt seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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