Andreas Resch: Johannes Baptist Scalabrini


JOHANNES BAPTIST SCALABRINI
(1839-1905)

BISCHOF UND GRÜNDER
DER KONGREGATION DER MISSIONARE UND DER MISSIONARINNEN
VOM HL. KARL BORROMÄUS

Selig: 9. November 1997
Fest: 1. Juni

JOHANNES BAPTIST SCALABRINI wurde am 8. Juli 1839 als Sohn der einfachen, aber tiefgläubigen Kaufleute Luigi Scalabrini und Colomba Trombetta in Fino Mornasco, Como, Italien, geboren. Am gleichen Tag wurde er auf den Namen Johannes Baptist getauft und im darauffolgenden Jahr, am 8. September 1840, empfing er das Sakrament der Firmung. Als drittes von acht Geschwistern verbrachte Johannes seine Kindheit im Schoß der Familie und besuchte die Volksschule seines Heimatdorfes. Ab 1851 ging er auf das Gymnasium-Lyzeum „A. Volta“ in Como und trat nach dessen Abschluss im Oktober 1857 in das Kleine Seminar von S. Abbondio in Como ein, um dort die philosophischen Studien zu absolvieren; im November 1859 wechselte er zum Theologiestudium in das Große Seminar, wobei er sich stets durch Intelligenz und Interesse auszeichnete. Am 30. Mai 1863 wurde Scalabrini zum Priester geweiht.

In den Monaten nach der Priesterweihe bat er um Aufnahme in das Päpstliche Institut für Auslandsmissionen (PIME), um Missionar zu werden, doch der Bischof erlaubte ihm nicht, die Diözese zu verlassen, und ernannte ihn zum Präfekten und zum Professor des Seminars von S. Abbondio, dessen Rektor er 1868 wurde. 1870 wurde er zum Pfarrer der bevölkerungsreichen Pfarre S. Bartolomeo an der Peripherie von Como ernannt. Seine seelsorgliche Tätigkeit war auf eine solide religiöse Bildung ausgerichtet: er eröffnete einen Kindergarten und ein Heim für die Jugend; für die Kindergärten verfasste und publizierte er einen syllabischen Katechismus und zeigte ein lebhaftes Interesse an den moralischen und sozialen Problemen der vielen Bauern und Textilarbeiter in der Pfarre. 1872 hielt er in der Kathedrale von Como eine Reihe von Vorträgen über das 1. Vatikanum, die in Italien ein großes Echo fanden.

Im Dezember 1875 ernannte Pius IX. Scalabrini zum Bischof von Piacenza. Nach der Weihe am 30. Januar 1876 hielt er am 13. Februar Einzug in die Diözese. Während seines 30-jährigen Episkopats bemühte er sich durch Förderung der Spiritualität des Klerus, die Reform der Studien in den drei Diözesanseminaren, die Organisation der christlichen Schulen in den Pfarreien und das Ansprechen einiger schwerwiegender sozialer Probleme um eine innovative Dynamik der Diözese. Zur Förderung der Katechese forcierte er die Ausbildung des Klerus und die Unterweisung des Volkes, indem er den Katechismusunterricht auch in Form von Erwachsenenschulen organisierte. 1876 gründete er Il Catechista Cattolico, die erste Zeitschrift für Katecheten in Italien, die im ganzen Land Verbreitung fand und bis 1940 Bestand hatte. Mehr noch als auf religiöse Unterweisung mittels Katechese zielte er auf eine ganzheitliche Bildung der Gläubigen ab. 1889 veranstaltete er in Piacenza den ersten nationalen Kongress für Katechese. Wegen seines Einsatzes in Katechese und Pastoral bezeichnete ihn Pius IX. als „Apostel des Katechismus“.

Was die Seelsorge anbelangt, so führte Scalabrini die Pastoralvisitation in den 365 Pfarreien der Diözese fünfmal persönlich durch. Gut die Hälfte davon war nur auf dem Rücken eines Maultiers oder zu Fuß erreichbar. Er berief wieder regelmäßig Diözesansynoden ein, die seit mehr als 150 Jahren nicht mehr gehalten wurden. Er veranstaltete drei Synoden, von denen eine der Verehrung der Eucharistie gewidmet war und bei der er die Gläubigen zu häufigem Kommunionempfang und zur ewigen Anbetung ermunterte. Scalabrini weihte 200 Kirchen, spendete unermüdlich die Sakramente, predigte und unterwies das Volk in der tätigen Liebe zu Kirche und Papst, in der Pflege von Wahrheit, Einheit und Nächstenliebe, indem er für seine Herde 76 Hirtenbriefe verfasste.

Bezüglich der Tugend der Nächstenliebe ging Scalabrini selbst mit heroischem Beispiel voran: bei der Pflege von Cholerapatienten, bei Kranken- und Gefangenenbesuchen, bei der Unterstützung der Armen und bedürftiger Familien sowie im großzügigen Verzeihen. Tausende von Bauern und Arbeitern rettete er vor dem Hunger, indem er die Pferde, den Kelch und das ihm von Pius IX. geschenkte Brustkreuz verkaufte. 1879 gründete er in Piacenza ein Institut für Sprach- und Hörbehinderte, organisierte die Betreuung der Unkrautjäterinnen auf den Reisfeldern, die Wechselseitige Versicherungsgesellschaft, Kooperative von Arbeiterinnen, Landwirtschafts- und Genossenschaftskassen und alle Formen der Katholischen Aktion.

1881 eröffnete er das Diözesankomitee für das Werk der Kongresse, dem es oblag, die religiöse, soziale und politische Tätigkeit der Katholiken in den Jahren der Auseinandersetzungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat zu organisieren und zu bündeln. Scalabrini war überzeugt, dass sich religiöse Gefühle und Heimatbewusstsein in der Seele der Italiener vereinen ließen. Im Blick darauf verfasste er die Schrift Intransigenti e transigenti (Unnachgiebige und Nachgiebige), die 1885 in Bologna anonym veröffentlicht wurde und ihm, wie sich später herausstellte, von Leo XIII. persönlich suggeriert worden war, der den Ansatz grundsätzlich teilte. Scalabrini wurde als „versöhnlicher“ Bischof betrachtet. Doch mehr als auf der Ebene theoretischer Diskussionen setzte er sich für eine konkrete Verwirklichung der Versöhnung zwischen Kirche und italienischem Staat ein.
Bei seinen Visitationen hatte Scalabrini Gelegenheit, die mit der seit Jahrzehnten zu einem Massenphänomen gewordenen Auswanderung zusammenhängenden menschlichen, sozialen, moralischen und religiösen Probleme aus nächster Nähe kennenzulernen. Im Unterschied zu anderen Kirchenvertretern und Laien seiner Zeit war er überzeugt, dass dieses Phänomen längst als ein Dauerfaktum der gesellschaftlichen Entwicklung zu sehen war, und er vertrat sogar die Auffassung, dass die Kirche diesem Umstand mit neuen Initiativen und pastoralen Strukturen zu begegnen habe.

Entschlossen, für das gewaltige Problem der Emigration, das er bei seinen Vorträgen in vielen italienischen Städten in das Bewusstsein brachte, persönlich eine geeignete Lösung zu finden, skizzierte er in einer kleinen Schrift mit dem Titel L’emigrazione italiana in America (Italienische Emigration nach Amerika, Piacenza, 1887) auch ein Arbeitsprogramm, das aus verschiedensten politischen Lagern Zustimmung erhielt, jedoch ohne praktische Folgen blieb.

Scalabrini ließ sich nicht entmutigen, denn die Fakten verlangten nach einer konkreten Antwort und dies zur rechten Zeit. Allein aus der Diözese Piacenza emigrierten 28.000 Personen, was ca. 11% der Gesamtbevölkerung ausmachte. Er bemühte sich daher, dies in das Bewusstsein der höchsten Autoritäten von Staat und Kirche zu tragen und die öffentliche Meinung zu sensibilisieren. Am 11. Januar 1887 schrieb er den ersten Brief an den Präfekten der Glaubenskongregation und am darauffolgenden 16. Februar unterbreitete er auf Einladung von Leo XIII. das erste Projekt einer Gemeinschaft von Priestern zur religiösen Betreuung der Emigranten. Nachdem er am 15. November von Leo XIII. mit dem Breve Libenter agnovimus die Approbation der geplanten Einrichtung entgegengenommen hatte, gründete Scalabrini am 28. November 1887 das Institut der Missionare vom hl. Karl (Scalabrinianer) mit dem Zweck, „im Herzen unserer ausgewanderten Mitbürger den katholischen Glauben wachzuhalten und, sofern möglich, deren moralisches, soziales und wirtschaftliches Wohlergehen zu fördern“. Nach Scalabrini wird dieses Ziel erreicht „durch die Entsendung von Missionaren und Lehrern, wo immer es nottut; durch die Errichtung von Kirchen und Heimen in den verschiedenen Zentren italienischer Gemeinschaften; durch die Gründung von Missionshäusern; durch die Eröffnung von Schulen für die italienischen Kinder; durch die Schaffung von Unterstützungskomitees in den Abfahrts- und Ankunftshäfen, durch die Betreuung der Emigranten auf ihrer Reise über das Meer“ und durch die Förderung geeigneter Vorkehrungen zum Erhalt der katholischen Religion.

1889 gründete Scalabrini zum Schutz der Emigranten die Gesellschaft vom hl. Raphael für Laien. Im gleichen Jahr übergab er das Missionskreuz an die hl. Franziska Xaveria Cabrini, die er überzeugte, ihre missionarische Tätigkeit zum Wohl der italienischen Emigranten nach dem Westen zu verlegen. Am 25. Oktober 1895 rief er die Kongregation der Missionarinnen vom hl. Karl Borromäus (Scalabrinianerinnen für die Ausgewanderten, Abb.) ins Leben, zunächst vor allem zum Wohl der Italiener. Heutzutage ist das Institut auf alle Formen von Emigration ausgerichtet.

Scalabrini verfasste auch verschiedene einschlägige Schriften: L’emigrazione italiana in America (Italienische Emigration nach Amerika, 1887); Il disegno di legge sulla emigrazione italiana (Der Gesetzentwurf zur italienischen Auswanderung, 1888); L’Italia all’estero (Italien im Ausland, 1899) usw. 1901 hatte er die Genugtuung, einige seiner Vorschläge in das neue Gesetz zur italienischen Auswanderung aufgenommen zu sehen.

In den letzten Jahren seines Lebens stattete er den Emigranten und seinen Missionaren einen persönlichen Besuch ab: vom 18. Juli bis 4. Dezember 1901 weilte er in den USA und vom 13. Juni bis 5. Dezember 1904 in Brasilien. Nach seiner Rückkehr sandte er Papst Pius X. ein langes Memorandum, in dem er den Vorschlag unterbreitete, beim Heiligen Stuhl ein Dikasterium „pro emigrantis catholicis“ (für die katholischen Emigranten) einzurichten, und bereitete sich, obgleich körperlich erschöpft und seit langem kränklich, auf seine sechste Pastoralvisite vor. Als sich sein Zustand schlagartig verschlechterte, wurde er einem chirurgischen Eingriff unterzogen. Er überstand die schwere Krise jedoch nicht und starb mit den Worten „Herr, ich bin bereit, lass uns gehen!“ am 1. Juni 1905 in seinem Bischofssitz, wie er immer gesagt hatte: „leben, heilig werden und in Piacenza sterben“. Seit dem 21. November 1908 befindet sich sein Grab im Dom von Piacenza. Scalabrini war ein vorbildlicher Bischof, ein „Apostel des Katechismus“ und vor allem „Vater der Emigranten“.

Am 9. November 1997 wurde Johannes Baptist Scalabrini von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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