JOHANNES BAPTIST
PIAMARTA
(1841-1913)
PRIESTER UND GRÜNDER
DER KONGREGATIONEN DER HL. FAMILIE
VON NAZARETH
UND DER ARMEN DIENERINNEN
DES HERRN
Heilig: 21. Oktober 2012
Fest: 25. April
JOHANNES BAPTIST PIAMARTA wurde am 26. November 1841 als Sohn von Giuseppe Piamarta und Regina Ferrari in Brescia geboren. Der Vater war Friseur, die Mutter Näherin. Bei der Taufe bekam er den Namen Johannes Baptist. Nach dem frühen Tod der Mutter wurde der Kleine vom Großvater mütterlicherseits aufgenommen und erhielt im Oratorium seiner Pfarrei der hll. Faustinus und Giovita, Stadtpatrone, eine gediegene christliche Erziehung.
Es war die Zeit der berühmten „Zehn Tage von Brescia“ (1848 und 1849), der Einheit Italiens, der Spannungen zwischen Staat und Kirche und der bitteren Armut des Volkes, der Epidemien, der ersten Industrialisierungsversuche, aber auch der großen christlichen Nächstenliebe. Nachdem Johannes in diesen schwierigen Zeiten großgeworden war, trat er dank der Hilfe des Pfarrers von Vallio, Pancrazio Pezzana, der seine Berufung erkannte, mit 19 Jahren in das Diözesanseminar ein. Nach der Priesterweihe am 23. Dezember 1865 wurde er in die ländlichen Pfarreien von Carzago Riviera und Bedizzole geschickt, wo er wegen seines besonderen Charismas in der Jugendseelsorge und seines überzeugten Einsatzes bei der Katechese schon bald hervorstach.
Als er auf Ersuchen von Pancrazio Pezzano als Direktor des Oratoriums in die Pfarrei S. Alessandro nach Brescia versetzt wurde, setzte er sich mit Leib und Seele für deren Wachsen ein. Dort erhielt er auch mehr Einblick in die materielle und spirituelle Not der jungen Menschen, die in den durch die Industrialisierung Brescias neu geschaffenen Fabriken ihr Brot verdienten. Abgeschnitten von ihrer Umgebung und ohne jede berufliche Ausbildung und moralische Unterstützung in die Arbeitswelt eingespannt, waren sie schutzlos der Ausbeutung preisgegeben und liefen Gefahr, ihren Glauben zu verlieren. Piamarta widmete sich daher mittels kluger pädagogischer Maßnahmen der christlichen Erziehung der Arbeiterjugend, den Kranken und der Seelenführung.
Nach 13 Jahren Arbeit in diesem Bereich wurde er 1883 zum Pfarrer von Pavone Mella ernannt, wo er eine intensive Seelsorge betrieb. Da er jedoch von einigen Leuten, die vor nichts zurückschreckten, erbittert angefeindet wurde, verließ er die Pfarre 1886 wieder und kehrte in die Stadt zurück, um sich voll und ganz einem schon lange verfolgten Projekt zu widmen.
Während seiner Zeit als Kurat in S. Alessandro gründete Piamarta auf Empfehlung und mit tatkräftiger Hilfe von Msgr. Pietro Carpetti am 3. Dezember 1886 gemeinsam mit vier Jugendlichen, die er von der Straße auflas, das Institut für junge Handwerker (Artigianelli), um die Söhne armer Familien, angefangen von den Waisenkindern, für das neue Leben in der Industriegesellschaft tauglich zu machen. Piamarta stellte die Einrichtung unter den Schutz der beiden Jugendpatrone Philipp Neri und Alois Gonzaga und übernahm im Auftrag des Bischofs deren Leitung. Unter größtmöglichen Schwierigkeiten beschloss er, sein ganzes Leben in dieses Unternehmen zu investieren. Bedauerlicherweise veranlasste eine Reihe unerwarteter Zwischenfälle den Bischof zur Schließung des Instituts. Piamarta hörte seinen Oberen an, sprach sich dann aber entschieden für eine Fortführung aus: „Nein, Exzellenz! Ich werde da sterben, wo ich bin, inmitten meiner jungen Schützlinge.“ Der Bischof war betroffen und sagte nur: „Geht und möge Gott Euch beistehen!“
Ab diesem Moment ruhte das Werk auf den Schultern Piamartas und breitete sich von 1888 an rasch aus. Er baute diverse Werkstätten für die verschiedensten Spezialisierungen, errichtete Herbergen für Hunderte von Jugendlichen, sammelte kooperationsbereite Laien um sich, teilte das Leben der Jungen wie ein Vater, machte sie durch die harte Schule der Arbeit und die Aneignung eines starken Charakters zu motivierten Männern mit einer soliden religiösen Ausbildung, inspiriert von der heiteren und hoffnungsvollen Sichtweise des hl. Philipp Neri.
Mit der Gründung des Handwerker-Instituts für die Arbeiterjugend hatte Piamarta jedoch nur zur Lösung eines Teilproblems der Jugend im Hinblick auf die Arbeit beigetragen. Schon bald erkannte er die Notwendigkeit, sein Werk auch zum Wohle jener einzusetzen, die auf den Feldern tätig waren. Die Industrialisierung veranlasste viele junge Menschen, der Feldarbeit den Rücken zu kehren, was sich auf die noch im herkömmlichen Stil kultivierten Flächen im Übergang von den alten zu neuen, rationelleren und wissenschaftlicheren Methoden vehement auswirkte. Piamarta, einstmals Pfarrer in den Niederungen von Brescia, erkannte das Problem in seiner ganzen Tragweite.
Konfrontiert mit der Armut der Menschen auf dem Lande, die Grund und Boden aufgaben, um ihr Glück im fernen Amerika zu suchen, führte ihn die Vorsehung mit dem dynamischen Priester und Agronomen Giovanni Bonsignori zusammen. Er war es dann auch, der für die Gründung einer Landwirtschaftsschule plädierte, um die gesamte ökonomische Bedeutung des Agrarsektors herauszustreichen, wenn nur vernünftige Methoden zur Bodenkultivierung eingesetzt würden. Piamarta, der von dem Modell überzeugt war, erwarb im Februar 1895 im Gebiet von Remedello Sopra (Brescia) ein ca. 140 Hektar großes Grundstück mit Wohnblöcken und rief so gemeinsam mit Bonsignori am 11. November 1885 die Agrarkolonie von Remedello Sopra ins Leben. Bonsignori begann mit seiner Arbeit der Umwandlung von Grund und Boden, damit dieser zu einer Quelle für Wohlergehen und Gesundheit werde. Er erprobte und lehrte neue Methoden der Kultivierung, welche zu einer merklichen Steigerung der Bodenproduktivität führten und neue Hoffnung in die Erde gaben.
Bereits 1896 referierten Bonsignori und Piamarta auf dem Kongress für Gesellschaftsstudien in Padua und demonstrierten ihre Initiative auf beeindruckende Weise. Im Oktober desselben Jahres erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift La Famiglia Agricola (Die bäuerliche Familie), in der das Werk anschaulich dargestellt wurde. Binnen kurzem wurde die Agrarschule, nicht zuletzt auch wegen der Schriften Bonsignoris, zur Anlaufstelle für eine steigende Zahl von Bauern aus ganz Italien. Nach zahlreichen Etappen erhielt die Kolonie 1975 ihren endgültigen Namen: Istituto Tecnico Statale Agrario e Geometri „Padre G. Bonsignori“.
Piamarta richtete seine erzieherische und soziale Tätigkeit nach drei Grundsätzen für die Zukunft der zivilen Gesellschaft und der Kirche aus: Jugend, Arbeit und Familie. Er widmete sich der Vorbereitung der Jugendlichen, damit diese durch qualifizierte Arbeit und Vermittlung solider christlicher Prinzipien eine Familie gründen konnten. Zur Untermauerung seiner erzieherischen Arbeit rief er auch den Verlag Queriniana ins Leben, der vor allem auf dem Gebiet der Katechese sowie der religiösen und theologischen Literatur ziemlich aktiv wurde.
Nach all diesen Initiativen begann Piamarta an die Zukunft seines Werkes zu denken und umgab sich mit Mitarbeitern, Priestern und Laien, die bereit waren, das Ideal, den Einsatz, die Lasten und den Lebensstil zu teilen. So gründete er am 19. März 1900 die „Fromme Gemeinschaft der Heiligen Familie von Nazareth“, die dann 1902 vom Bischof von Brescia als Kongregation der Heiligen Familie von Nazareth („Piamartini“ genannt) anerkannt wurde – mit dem besonderen Zweck, sich in Anlehnung an das Modell der Heiligen Familie der christlichen Erziehung der armen Arbeiterjugend zu widmen.
Mit Hilfe der Dienerin Gottes Mutter Elisa Baldo verw. Foresti gründete er für eine wechselseitige Zusammenarbeit im Erziehungsbereich am 15. März 1911 die „Fromme Gesellschaft der Armen Dienerinnen des Herrn“, die dann unter dem Namen Arme Dienerinnen des Herrn als Kongregation errichtet wurde. Neben seinen Gründungen und der Leitung seiner Werke stellte sich Piamarta auch in den Dienst des Volkes Gottes und widmete sich mit Freuden der Evangelisierung, dem Predigen und Beichthören, der geistlichen Führung, dem Beistand der Armen, Kranken, Witwen und Arbeiter; er förderte die Priester- und Ordensberufe und erfüllte großzügig spezielle und schwierige Aufgaben, die ihm von den kirchlichen Obrigkeiten übertragen wurden; er unterstützte die katholische Presse und ermutigte nach besten Kräften jede gesunde Initiative, die in seiner Stadt ergriffen wurde.
Alle, die ihn kannten, spürten das wohltuende Charisma einer gediegenen, rechtschaffenen Persönlichkeit, reich an menschlichen Qualitäten und noch mehr an außergewöhnlichen christlichen und priesterlichen Tugenden, mit voller Hingabe an die Erziehung der Jugend, die Humanisierung und Christianisierung der Arbeitswelt und die Förderung der Familie: „Wenn das Leben der Armen durch die christliche Erziehung von Handwerkern und Bauern erneuert sein wird, wird auch die Gesellschaft neu gestaltet und zu einem großen Teil gesundet sein“, schreibt er. Diese Erziehung müsse jedoch in einem familiären Rahmen erfolgen. Dabei verwies er unermüdlich auf das Modell der Heiligen Familie von Nazareth, wo gearbeitet wurde, wo der Sohn Gottes, ebenfalls Handwerker, heranwuchs und wo die Arbeit zu höchster Würde gelangte.
Beim Tode Piamartas am 25. April 1913 in Remedello arbeiteten die Piamartini in zwei blühenden Bereichen: im Institut der Handwerker in Brescia für die „Kleinen in der Industrie“ und im Institut Bonsignori in Remedello Sopra für die „Kleinen in der Landwirtschaft“.
Seine sterblichen Überreste ruhen im Istituto Artigianelli in Brescia, via Piamarta, 6, Italien.
Am 21. Oktober 2012 wurde Johannes Baptist Piamarta von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen, nachdem ihn Papst Johannes Paul II. am 12. Oktober 1997 seliggesprochen hatte.
RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Benedikts XVI. 2005 – 2012. Innsbruck: Resch, 2013, XII, 204 S., 48 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-096-4, Ln, EUR 25.90 [D], 26.60 [A]
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