Andreas Resch: Jeremias Kostist aus der Walachei, Johannes Kostist

JEREMIAS KOSTIST
AUS DER WALACHEI
(JOHANNES KOSTIST)
(1556-1625)

LAIENBRUDER
DES ORDENS DER MINDERBRÜDER
(KAPUZINER)

Selig: 30. Oktober 1983
Fest: 5. März

JEREMIAS KOSTIST AUS DER WALACHEI wurde am 29. Juni 1556 als erstes von sechs Kindern (vier Brüder und zwei Schwestern) der frommen und arbeitsamen katholischen Bauersleute Stoica Kostist und Margarete Barbat in Tzazo in der unteren Walachei, dem heutigen Moldova, in Rumänien gebo­ren. Bei der Taufe erhielt er den Namen Johannes.

Kindheit und Jugend verbrachte er im Kreis der Familie, wobei er zuneh­mend die Berufung zum Ordensleben verspürte. Die Mutter sprach oft vom Papst und von Italien, „wo die guten Christen lebten und die Mönche alle hei­lig“ seien. Fasziniert von dieser Vorstellung, vor allem aber aus einem inneren Antrieb heraus, verließ er mit 18 Jahren Familie und Heimat, um nach Italien zu gehen. Dabei dachte er auch an die Worte eines jungen Bauern auf dem Gemüsemarkt, wo Johannes die Feldfrüchte seiner Familie feilbot: „Du wirst über die Berge gehen, nach Süden zu, in ein Land namens Italien. Der Weg wird sehr lang sein und Du wirst viel leiden müssen. Du brauchst aber keine Angst zu haben, es wird Dir nichts Böses geschehen. Am Ende Deiner Reise an­gelangt, wirst Du bei einem großen Herrn in den Dienst treten, Du wirst ihm mit viel Freude und Hingabe dienen und dafür reich belohnt werden“.

Nach Verlassen seiner Heimat überquerte Johannes die Karpaten und er­reichte entlang des Trotus Brazov und von dort aus Alba Julia, die Hauptstadt Transilvaniens, wo er sich zwecks einer günstigen Gelegenheit zur Weiterreise nahezu zwei Jahre lang aufhielt. Sein Brot verdiente er sich in dieser Zeit mit dem Schleppen von Steinen und Ziegeln zur Befestigung der Stadtmauern ge­gen die andrängenden Türken. Der damals schwer erkrankte Prinz Stefan Bathory hatte aus Bari den berühmten Arzt Peter Lo Iacono kommen lassen. Dieser verlangte nach erfolgreicher Durchführung seiner Mission nach einem Diener, der ihn auf dem Rückweg begleiten sollte. Man verwies ihn auf Johan­nes, der sich gern dafür zur Verfügung stellte. Von Alba Julia aus erreichten sie über Belgrad in einem etwa 2.000 km langen Marsch auf unwegsamen Straßen Ragusa in Dalmatien. Die Reise dauerte drei Monate; während sich der Arzt hoch zu Ross vorwärts bewegte, folgte ihm Johannes zu Fuß. In Ragusa schiff­ten sie sich auf einem Handelsschiff direkt nach Bari ein, wo Johannes dann vom Arzt verabschiedet wurde und als Gehilfe in der Apotheke von Cesare del Core Aufnahme fand. Hier blieb er ein Jahr und erfuhr die bitterste Enttäu­schung seines Lebens. Er träumte von den guten Christen, musste jedoch fest­stellen, dass in Wirklichkeit das genaue Gegenteil der Fall war.

In der Fastenzeit des Jahres 1578 begab sich Johannes nach Neapel. Die Um­stände waren günstig, weil die Kirchen voll waren und Johannes nun glaubte, endlich das Land „der guten Christen“ und in den Kapuzinern „jene heiligen Mönche“ gefunden zu haben, von denen die Mutter immer gesprochen hatte. Er bat um Aufnahme als Laienbruder bei den Minderbrüdern der Kapuziner, was ihm auch gewährt wurde. Im Mai 1578 wurde er im Konvent von Sessa Aurun­ca (Caserta) eingekleidet und erhielt den Namen Bruder Jeremias. Ein Jahrspäter, am 8. Mai 1579, legte er die Profess ab und bemühte sich fortan, die Or­densregel der Minderbrüder sein ganzes Leben hindurch gewissenhaft zu befol­gen.
Zwischen 1579 und 1584 wurde er für eine Reihe von Aufgaben verschie­denen Häusern zugeteilt, darunter S. Eframo Vecchio in Neapel und Pozzuoli. 1585 finden wir ihn im Kloster S. Eframo Nuovo, wo er sich in der großen Krankenabteilung um die Patienten kümmern sollte. Er blieb dort 40 Jahre ohne Unterbrechung und legte im liebevollen Umgang mit den Armen und Lei­denden eine außergewöhnliche Opferbereitschaft an den Tag.

Alles was er in Kloster und Garten sammeln konnte, gab er den Armen. Er scheute sich auch nicht, zu diesem Zweck die Reichen in ihren Häusern und so­gar den Vizekönig von Neapel aufzusuchen. Seine Bettelbesuche führten zu ei­ner Welle an Hilfsbereitschaft und konkreten Maßnahmen zugunsten der in Not Geratenen. Im Bedarfsfall erstattete er auch — ohne sich um das Gerede zu kümmern — Anzeige gegen die Ungerechtigkeiten und sparte nicht mit offener Kritik an jenen, die ihre öffentlichen Pflichten vernachlässigten.

Sein Reich war jedoch die Krankenabteilung des Konvents von S. Eframo Nuovo, die speziell für Schwerstkranke aus den Klöstern der Provinz und des Königreiches Neapel, aber auch aus anderen Teilen Italiens und sogar aus dem Ausland eingerichtet worden war. Auch hier zog er die einfachen Brüder den Oberen vor, weil — wie er freimütig bekannte — „jene ohnehin von anderen Or­densleuten ausreichend betreut“ würden. Diese seine einzigartige Nächstenlie­be sollte nicht allein auf die Krankenstation innerhalb der Klostermauern be­schränkt bleiben. Ob groß oder klein, arm oder reich — alle baten, wenn sie er­krankten, zumindest um einen Besuch von Bruder Jeremias.

Diese Haltung der Nächstenliebe entsprang seiner tiefen Verbundenheit mit Gott, die er mit langen und eindringlichen Gebeten pflegte. Nachts verbrachte er viele Stunden in der Kapelle der Krankenabteilung, -obwohl er sich den gan­zen Tag über aufopfernd um die Kranken bemühte. Oft wiederholte er: „Lieben wir diesen großen Gott, der es so sehr verdient, geliebt zu werden. Lieben wir ihn, weil er so gut ist und so viel für uns getan hat!“ Bei seinen ausgedehnten Gebeten durchlebte er auch eine besondere Ekstase, die er nicht verheimlichen konnte.
Eines Nachts, wahrscheinlich am Vorabend des Festes Maria Himmelfahrt im Jahre 1608, erschien ihm in einer solchen Ekstase die Muttergottes in einem übermenschlichen Licht. Er riss die Augen auf, betrachtete die unvergleichli­che Schönheit der Mutter des Herrn und als er etwas für ihn Ungewohntes ent­deckte, fragte er diskret: „Meine Herrin, Ihr seid Königin und tragt keine Kro­ne?“ Maria antwortete darauf: „Bruder Jeremias, meine Krone ist dieser, mein Sohn!“ Sein Beichtvater und erster Biograf berichtet, dass jene Vision auf dem Antlitz von Bruder Jeremias einen solchen Widerschein hinterließ, dass er das außergewöhnliche Ereignis nicht verbergen konnte und es seinem besten Freund, Bruder Pacifico von Salerno, anvertraute.

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, so dass die Prinzessin Isa­bella Della Rovere einen Maler mit dem Bildnis der Madonna beauftragte und dafür sorgte, dass dieses in Hunderten von Kopien als Holzschnitt reproduziert wurde. So erlangte die Madonna von Jeremias in der Stadt und im Königreich Neapel große Popularität. Diese Erfahrung spornte Bruder Jeremias zu noch größerer Nächstenliebe gegenüber Armen und Leidenden an, in denen er fortan den Sohn der Jungfrau Maria sah, dem er diente. Eines Tages sagte er: „Selbst meine Augen würde ich für die Armen geben, denn ihre Gebete sind einfach und demütig und die Jungfrau findet an ihnen großes Gefallen; sie nimmt die Gebete der Armen an“.

Dies blieb allerdings die einzige Ekstase im Leben von Bruder Jeremias. Tatsächlich sagte er des öfteren, dass „er die Ekstase überhaupt nicht wolle, weil sie ihm bei seinem Werk der Nächstenliebe hinderlich sei und dass die Nächs­tenliebe mehr sei als die Ekstase“. Dieser Satz spiegelt seine Einstellung zum Leben wider, der auch in einer Empfehlung an einen jungen Mitbruder gut zum Ausdruck kommt: „Verlier keine Zeit, mein Bruder! Streng Dich an und erfülle fleißig Deine Pflicht, denn so dient und liebt man Gott. Und wenn Dir Zeit bleibt, so zieh Dich zurück und bete!“

Wie schon erwähnt, war Bruder Jeremias mehr als 40 Jahre der Krankensta­tion von S. Eframo Nuovo zugeteilt. Der Konvent verfügte über 160 Zellen, von denen die Hälfte mit Kranken belegt war und man beklagte die Überbelegung, hatte doch Bruder Jeremias nie eine eigene Zelle. Er nahm die Situation mit Hu­mor und meinte, „dass er deswegen keine eigene Zelle habe, weil er die Miete dafür nicht zahlen könne!“

Bruder Jeremias scheute keine Risiken und Opfer, um den Leidenden Trost zu spenden. Als er aus diesem Grund vom Oberen zum schwer erkrankten Großkämmerer des Königreiches geschickt wurde, musste er gut 12 km in peitschendem Wind zurücklegen. Wieder zu Hause, zwang ihn eine schwere Lungenentzündung, das Bett zu hüten. Fünf Tage später, am 5. März 1625 starb Jeremias, froh darüber, Gehorsam geleistet zu haben bis zur Hingabe seines Le­bens für die Brüder. Der Zustrom der Gläubigen, die ihm die letzte Ehre erweisen wollten, war so groß, dass die Mitbrüder gezwungen waren, ihn heimlich in der Nacht zu begraben. Am 20. September desselben Jahres wurde der Seligsprechungsprozess eingeleitet, doch geriet er anschließend bis in die Gegenwart in Vergessenheit.

Seine sterblichen Überreste ruhen nun in der Kapuzinerkirche, Corso Vitto­rio Emanuel, 730, in Neapel.

Am 30. Oktober 1983 wurde Jeremias Kostist aus der Walachei von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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