Andreas Resch: Jakob Desiderius Laval

JAKOB DESIDERIUS LAVAL
(1803-1864)

PROFESSPRIESTER
DER KONGREGATION
VOM HL. GEIST UND
VOM HL. HERZEN MARIENS

Selig: 29. April 1979
Fest: 9. September

JAKOB DESIDERIUS LAVAL wurde am 18. September 1803 in Croth, Diözese Evreux in der Normandie, Frankreich, als Sohn von Bürgermeister Jac­ques Laval und Susanna DelArablAe geboren und noch am gleichen Tag gemein­sam mit seinem Zwillingsbruder Michel getauft. Als Erstgeborener erhielt er den Namen des Vaters und als zweiten Namen jenen des hl. Desiderius, Bischof von Rennes, der an dem Tag gefeiert wurde. In der Familie wurde ihm vor al­lem seitens der Mutter eine tief christliche Erziehung zuteil.

Nach deren Tod im Frühjahr 1811 wurde Jakob von seinem Onkel zunächst für drei Jahre nach Tourville-la-Campagne geschickt und anschließend in das Seminar von Evreux, von wo er schon bald wieder in den Schoß der Familie zurückkehrte, um schließlich zum Medizinstudium an das Stanislaus-Kolleg nach Paris zu gehen. 1830 erwarb er das Doktorat in Medizin und wirkte vorerst dreieinhalb Jahre als Arzt in Saint-Andrede l’Eure, später in Ivry-la-Ba­taille. Bei seinen Besuchen einer betagten Patientin fiel ihm eines Tages auf, dass diese stets in ein Buch vertieft war, wenn er kam. Eines Tages bat er sie, ihm dieses Buch zu leihen. Es handelte sich um Die Nachfolge Christi. Auch wenn es nicht den Anschein hatte, so verspürte Laval, der sich mit der Zeit von jeder religiösen Praxis entfernt hatte, eine immer größere Unzufriedenheit. Die Lektüre des genannten Buches und ein Sturz vom Pferd, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte, riefen in ihm wieder die religiösen Gefühle seiner Jugend­jahre wach. Er suchte zunehmend die Gesellschaft von Ordensleuten und er­ging sich mit aller Kraft in religiösen Übungen, ohne sich dabei um die Verwun­derung seiner Bekannten zu kümmern, die geradezu schockiert waren, als sie von seinem Seminareintritt hörten.

Dies geschah am 15. Juni 1835 in St-Sulpice in Paris, wo er weiterhin mit gleichem, wenn nicht mit doppeltem Eifer am Werk war, um die verlorene Zeit wettzumachen. 1837 erhielt er die niederen Weihen und am 2. Dezember 1838 wurde er zum Priester geweiht. Zwei Wochen später wurde er zum Pfarrer von Pinterville in seiner Heimatdiözese bestellt. In dieser Pfarre mit 483 Einwoh­nern und etwa einem Dutzend sonntäglicher Kirchgänger gelang es Laval in den ersten beiden Jahren, an die fünfzig Leute wieder zu Gott zurückzuführen. An einem Tag im August des Jahres 1840 kamen zwei Seminaristen zu Besuch. Das Gespräch konzentrierte sich schon bald auf das Schicksal der Schwarzen und deren Evangelisierung. Im Zuge dieses Gesprächs erfuhr Laval erstmals von dem laufenden Projekt zur Evangelisierung der Negersklaven, die dank der im Jahre 1835 proklamierten Abschaffung der Sklaverei freigekommen waren. Die spirituelle Not dieser Menschen war enorm.
So hatte sich Franz Libermann, Sohn eines Rabbiners aus dem Elsass, der aufgrund seiner Konvertierung zum Katholizismus den Fluch des Vaters auf sich geladen hatte, persönlich nach Rom begeben, um dem Papst das Projekt der Bildung einer Gemeinschaft von geweihten Priestern zur Approbation zuunterbreiten, die unter den befreiten Negersklaven das Apostolat ausüben sollten. Da er an Epilepsie litt, hatte er das Seminar verlassen müssen und wurde erst 1841 von Mgr. William Collier, dem Bischof der Diözese Port-Louis auf Mauritius, zum Priester geweiht, der – auf der Suche nach geeigneten Leuten –gerade Europa bereiste und sich zum Schirmherrn jenes vielversprechenden Instituts erklärte, das Libermann im gleichen Jahr unter der Bezeichnung Kon­gregation der Missionare vom HI. Herzen Mariens gegründet hatte.
Laval schloss sich der Kongregation als einer der ersten an, und Mgr. Collier, der wieder in seine Diözese zurückkehrte, nahm ihn noch vor Antritt des ersten Noviziats mit sich. Am 14. September 1841 erreichten der Bischof, P. Laval und drei weitere Missionare die Insel Mauritius im Herzen des Indischen Ozeans und gingen in Port-Louis an Land. Die Insel stand damals unter briti­scher Herrschaft und zählte 140.000 Einwohner, darunter 75% befreite Skla­ven. Von ihnen waren 90.000 Katholiken, auf welche neun Priester kamen, die sich jedoch ausschließlich den 15.000 Abkömmlingen der weißen Kolonialherr­scher widmeten.

P. Laval hingegen kümmerte sich mit großem Einsatz um die Evangelisierung der Schwarzen, die 1835 bzw. 1839 zwar befreit und getauft, aber nicht weiter pastoral begleitet worden waren. Die Katholische Kirche befand sich in einer schwierigen Phase, so dass die Bevölkerung – im Gegensatz zu den Regierungs­stellen – die Missionare, welche die Hoffnung auf einen Neuanfang verkörper­ten, mit offenen Armen empfing. Die materielle und geistige Armut der Leute war unvorstellbar.

Fünf Monate nach seiner Ankunft auf der Insel beschreibt P. Laval die Situa­tion folgendermaßen: „Es herrschen Korruption und eine unglaubliche Aus­schweifung der Sitten. Auf der Insel befinden sich an die 80.000 Schwarze, um die ich mich allein bemühen muss. Die Hälfte von ihnen ist nicht getauft; jene, die getauft sind, leben wie die Heiden. Nur wenige sind kirchlich verheiratet. Sie trennen sich und gehen wieder zusammen… Sie frönen dem Alkohol… Die Negermädchen werden ausnahmslos von ihren Brotherren und den jungen Weißen missbraucht… Die Eingeborenen von Mauritius, die Kreolen, sind durchweg korrupt. Ich halte es mit irgendeinem armen Madegassen oder mit den Leuten aus Mozambique.“ Doch Laval ließ sich nicht entmutigen. Seitens der Wohlhabenden stieß er auf Schwierigkeiten, weil er mit seinen Unterwei­sungen und den immer zahlreicheren religiösen Praktiken, die er anregte, viel Zeit der Dienstboten in Anspruch nahm. Mit Erfolg kämpfte er gegen die Zügel­losigkeit. Seine Katechese gründete er auf die positiven Elemente der Volksreli­gion und er sprach damit zum Großteil die Erwachsenen an. Zudem bildete er eine Reihe von Katecheten aus, die er „Berater“ nannte.

Inmitten all dieser Bemühungen kam, vor allem seitens der Oberen, Unverständnis auf. Aufgrund ungenauer Informationen über sein apostolisches Wir ken glaubte man in Paris, dass er sich „langweile“, wo er doch allein lebte, weit entfernt von seiner Kongregation der Missionare vom HI. Herzen Mariens, die sich nach zehn Jahren mit der Kongregation vom HI. Geist zusammengeschlos­sen hatte. Der neue Generalsuperior beurteilte P. Laval und seine Mitarbeiter als „zu missionarisch und zu wenig religiös“. Dazu kamen noch die ständigen Schikanen seitens der dem Protestantismus zugeneigten britischen Lokalregie­rung, die für das riesige Arbeitspensum ungenügende Zahl an Mitbrüdern und eine zunehmend labile Gesundheit.

Laval jedoch ging weiterhin den Weg des Gebets, der Selbstkasteiung und der Achtung vor den Menschen. Von Anfang an wohnte er als Domvikar in einer Holzbaracke am Ende des Pfarrhofes – genauso wie die Armen, die in seinem Haus aus- und eingehen konnten, als wäre es ihr eigenes. Indem er stets beton­te, dass auch die Schwarzen Kinder Gottes seien, gelang es ihm, die menschli­che Würde seiner Schützlinge zu untermauern, wobei er jede Versuchung, eine „Parallelkirche“ ausschließlich für die Eingeborenen zu gründen, tunlichst ver­mied. Laval fühlte sich nicht berufen zu „sozialisieren“, sondern zu evangelisie­ren – und zwar im Hinblick auf die Größe und Achtung des Menschen als Ab­bild Gottes, was neben einem spirituellen auch einen gewissen materiellen Reichtum verlangt. Daher kümmerte er sich auch um materielle Bedürfnisse. So gründete er beispielsweise während der Choleraepidemien von 1854, 1857 und 1862 zahlreiche Spitäler und besuchte die Kranken, die überall verstreut waren. Gleichzeitig eröffnete er Grundschulen und Kapellen für die geistige Bil­dung. Die Bekehrungen vervielfachten sich und der „Fall Laval“ begann über seine Kirche hinaus Schule zu machen. So bildete sich in der mauritischen Ge­sellschaft, bei Weißen wie Kreolen, innerhalb weniger Jahre eine „neue“ gesell­schaftliche Klasse heraus, deren Mitglieder einander mit Respekt begegneten.

Neben seiner Arbeit für die Befreiung der armen Eingeborenen auf Mauritius übte P. Laval in jenen Jahren – beim Beten im Schweigen der Nacht – auch ein großes Apostolat unter seinen Mitbrüdern aus. Schließlich gilt es noch einen ganz besonderen Aspekt in seinem Leben hervorzuheben: die Selbstkasteiung, bestehend in ununterbrochenem Fasten, Anlegen des Bußgürtels, Schlafen auf dem Boden und Entbehrungen jeglicher Art.

Mit 59 Jahren war P. Laval ein völlig erschöpfter, zugleich aber hochverehr­ter Mann. Als sich daher die Kunde verbreitete, dass er einen neuerlich erlitte­nen Schlaganfall nicht überleben würde, mussten jene, die an sein Krankenla­ger drängten, sich erst durch ein Heer von trauernden Eingeborenen hindurch­arbeiten. Laval starb am 9. September 1864. 20.000 Personen defilierten an seinem Leichnam und 40.000 Menschen verwandelten sein Begräbnis in einen wahren Triumphzug.

Das Grab von P. Jakob Laval befindet sich in der Heiligkreuzkirche in Port-Louis auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at