Andreas Resch: Jakob Cusmano

JAKOB CUSMANO
(1834-1888)

PRIESTER UND GRÜNDER
DER KONGREGATION DER MISSIONARE DIENER DER ARMEN UND DER SCHWESTERN DIENERINNEN DER ARMEN

Selig: 30. Oktober 1983
Fest: 14. März

JAKOB CUSMANO wurde am 15. März 1834 als viertes von fünf Kin­dern der wohlhabenden und tief gläubigen Familie des Ingenieurs Jakob Cus­mano und der Magdalena Patti in Palermo, Italien, geboren und am folgenden Tag auf den Namen Jakob getauft. Am 8. Juli 1837 verlor er seine Mutter, die ein Opfer der Choleraepidemie wurde. Dieser Verlust traf ihn schwer und Jakob bewahrte die Erinnerung an sie stets in seinem Herzen. Diese Erfahrung ließ ihn dann als Erwachsenen auch das Los der Waisen besser verstehen. Jakob wurde nun von der älteren Schwester Vincenzina erzogen. Den ersten Unter­richt erhielt er zu Hause unter Anleitung eines Priesters, der ihn auf die Erst­kommunion vorbereitete, mit der er gleichzeitig auch das Sakrament der Fir­mung empfing. Von 1841 bis 1851 besuchte Jakob im Collegio Massimo die Schule der Jesuiten, wobei er großes Interesse an der Auslandsmission zeigte, so dass er sich am 14. April 1850 bereits unter den Patres befand, die gerade da­bei waren, sich in fremde Länder aufzumachen. Als die Familie von seinem Ent­schluss erfuhr, eilte der ältere Bruder in den Hafen, um den leutseligen und re­soluten jungen Mann wieder nach Hause zu bringen.

Nach Beendigung der Mittelschule im Jahre 1851 inskribierte Jakob an der Medizinisch-Chirurgischen Fakultät der Universität Palermo – einerseits, um den Willen des Vaters zu erfüllen, andererseits, weil er annahm, dass er da­durch mit vielen Menschen in Kontakt kommen werde, die der Heilung an Leib und Seele bedurften. Am 27. Juni 1852 verlor er den Vater und war nunmehr gezwungen, die Leitung im Haus zu übernehmen, was ihn nicht wenig bean­spruchte. Von seinen Studien aber ließ er sich dadurch nicht abhalten und setz­te diese mit gleichem Eifer fort. Am 11. Juni 1855 promovierte Jakob im Alter von 21 Jahren und drei Monaten in Medizin und Chirurgie mit der höchsten Punktezahl.

Nach Abschluss der theoretischen und praktischen Ausbildung begann er in Palermo und im nahen Landwirtschaftszentrum von S. Josef Jato, wo die Familie Güter besaß, mit hohem Verantwortungsgefühl und großer Hingabe sei­nen Beruf als Arzt auszuüben. In der Überzeugung, dass der Seelenfriede dazu beitrug, besser gegen Krankheiten ankämpfen zu können, hielt er seine Patien­ten diskret dazu an, ihr Gewissen in Ordnung zu bringen und sich wieder mit dem Herrn zu versöhnen. Von seinem Einsatz profitierten vor allem die Armen: er stellte seine Begabung, seine Tätigkeit und häufig auch seine Geldbörse in den Dienst dieser Sache und erhielt so den Beinamen „Arzt der Armen“. Wenn man ihm nach erfolgter Heilung Dankbarkeit bekundete, pflegte er zu sagen: „Ich ha­be sie behandelt und Gott hat sie geheilt“.

Dr. Cusmano, ein gebildeter Mann mit guten Manieren, sehr human, von ho­her Verantwortung und Professionalität, von den Menschen und vor allem von seinen Patienten geliebt, konnte in eine erfolgversprechende Zukunft blicken. In der Familie sprach man schon von einer möglichen Heirat mit einer Kusine. Stattdessen erklärte Cusmano den Seinen ganz offen, dass er weder Ehe noch Karriere anstrebe, da er immer stärker jenen Drang verspüre, der ihn schon infrüheren Jahren begleitet hatte, nämlich: sich ganz in den Dienst der Armen zu stellen. Die Situation der Bedürftigen und Kranken in Palermo, die sich durch die Revolution von 1848 und dann durch den 1859 ausgebrochenen Zweiten Unabhängigkeitskrieg noch verschärft hatte, prägte sich ihm so tief ein, dass ihn das Gute, das er tat, nicht mehr zufrieden stellte und er sagte: „Mein Herz sagt mir, dass ich nicht immer Arzt sein werde“. In einem ersten Augenblick dachte er daran, Bettelmönch bei den Kapuzinern zu werden, doch entschied er sich auf Anraten seines Spirituals, Mgr. Dominikus Turano, für das Priestertum.

Am 8. Dezember 1859 nahm er im Alter von 25 Jahren den Talar und wurde, nach einem Jahr intensiver Vorbereitung unter der Leitung von Mgr. Turano, einem bekannten Theologen, der die Ansicht vertrat, für Jakob würde aufgrund seiner großen Fortschritte bei der Ausbildung ein Jahr Theologiestudium genü­gen, am 22. Dezember 1860 zum Priester geweiht. Später schrieb er: „Nachdem ich nach dem Willen Gottes zum Priesteramt erhoben worden war, verspürte ich in mir den Wunsch, mich den Armen zu widmen und ihre Not zur meinen zu machen, um sie von ihren furchtbaren Leiden zu befreien und zu Gott hinzufüh­ren“.

Sein erstes Arbeitsfeld war die Kirche der Vierzig hl. Märtyrer in Palermo, wo er sich unverzüglich um die Sterbenden, die Armen, die Kranken und die Cho­lerafälle kümmerte. Doch, wie so oft auf dem Weg der Vorsehung, war es ein zu­fälliges Ereignis, das die Lösung brachte, nach der er gesucht hatte.

Don Cusmano erhielt Kenntnis von einem frommen Brauch in der Familie des mit ihm befreundeten Arztes Dr. Michael de Franchis: Beim Mittagessen nahm jeder der am Tisch Versammelten einen Bissen von seinem Teller und gab ihn in eine Schüssel in der Mitte des Tisches. Wenn dann ein Armer eintrat, wurde er von den Kindern bedient. Da kam don Cusmano folgende Idee: „Wenn sich alle Familien in Palermo einen Bissen vom Mund absparten, wie viele Arme könnte man damit satt bekommen!“

Als er eines Tages eine ärmliche Hütte betrat, traf er dort eine Familie in bitte­rer Armut an, die sich gerade vom rohen Fleisch eines Hündchens ernährte. Ohne lange zu überlegen, machte er sich gleich auf die Suche nach Nahrung, Kleidung und was es sonst noch brauchte, um den Leuten zu helfen. Viele ande­re Familien profitierten ebenfalls von seiner Hilfe. Schon bald boten Freiwillige ihre Mitarbeit an und so entstand am 21. Februar 1867, während in Palermo die Choleraepidemie wütete, die Institution „Boccone del Povero“ als Koordina­tionszentrum der Nächstenliebe im städtischen Raum. Ihre Tätigkeit war bis ins Detail organisiert: Beistand zu Hause, ärztliche Hilfe, finanzielle Unterstüt­zung, Verteilung von Lebensmitteln usw.

Nach der päpstlichen Approbation am 5. August 1868 wurde die Institution am 8. Dezember desselben Jahres vom Erzbischof von Palermo kanonisch errichtet, der den Vorsitz übernahm.

Zu Weihnachten 1869 wurden das erste Armenhaus mit Speisesaal und ein Waisenhaus für ca. 40 Kinder eröffnet.
Eine Reihe von Unannehmlichkeiten brachte das Werk aber schon bald in Schwierigkeiten. Einige seiner besten Mitarbeiter wurden anderen Aufgabenbe­reichen zugeteilt und Cusmano selbst musste seine Gründung am 24. März 1872 für kurze Zeit verlassen, um Mgr. Turano zu helfen, der inzwischen zum Bischof von Agrigent ernannt worden war. Seine Abwesenheit und die Beru­fung anderer Priester zu höheren Aufgaben führten zu einer allgemeinen Entmutigung, die das Überleben des Werkes selbst in Frage stellte. Als don Cusma­no gegen Ende 1873 aus Agrigent zurückkam und sah, dass er nahezu allein im Dienst an den Armen verblieben war, wollte er das Ganze einer anderen Ge­meinschaft anvertrauen, doch blieb seine Suche ergebnislos. In dieser Situation hatte er einen eigenartigen Traum, in dem ihm die Muttergottes Trost zusprach, wobei sie ihm versicherte, dass das Werk von ihrem göttlichen Sohn wohlwol­lend aufgenommen worden sei. Gestärkt durch diese Erfahrung schöpfte er neue Hoffnung und überreichte mit bischöflicher Approbation am 23. Mai 1880 den ersten Schwestern Dienerinnen der Armen (Abb.), unter denen sich seine leibliche Schwester Vincenzina und die Nichte Magdalena befanden, das Ordenskleid.

Am 4. Oktober 1884 konnte Cusmano die ersten Laienbrüder einkleiden, die ihre Aufgabe im Dienst der Armen mit Eifer wahrnahmen. Um das Werk zu ver­vollständigen, bedurfte es noch der Einsetzung einer Priestergemeinschaft. So versammelte er am 21. November 1887 all jene Missionare, die seit langem mit ihm für die Armen gearbeitet hatten, und gründete die Kongregation der Mis­sionare Diener der Armen, denen er neben der Seelsorge für die Armen auch die geistliche Führung der Diener und Dienerinnen der Armen anvertraute.

Mit Unterstützung dieser Einrichtungen gründete er in Palermo und anderen Zentren Siziliens Spitäler, Heime für alte arme und verlassene Menschen und für Waisenkinder. Wo immer een solches Haus eröffnet wurde, formierte sich neben dem Mitarbeiterstab auch ein Komitee von Damen und Herren aus adeli­gen Kreisen, das die Schirmherrschaft über die betreffende Einrichtung über­nahm, ganz nach Cusmanos Devise: „mit allen verfügbaren Mitteln der Nächs­tenliebe die Reichen den Armen näher bringen“.

Als er spürte, wie sich seine Kräfte erschöpften, versammelte er in Terre Ros­se das Damen- und Herrenkomitee von Palermo und vertraute ihnen das Los der Armen an mit den Worten: „Und nun bleibt mir nichts mehr zu fordern, meine Mission ist beendet“.

Jakob Cusmano starb am 14. März 1888 im Haus S. Markus in Palermo im Alter von 54 Jahren. Die Beerdigung gestaltete sich zu einer echten Apotheose. Der Leichnam von P. Jakob Cusmano ruht in der Kirche S. Anton, via G. Cus­mano, 43, Palermo, Italien.

Cusmanos Werke haben mittlerweile nahezu alle Regionen Italiens, Afrika, Amerika, Indien, die Filippinen und Rumänien erreicht.

Am 30. Oktober 1983 wurde Jakob Cusmano von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at