Andreas Resch: Jakob Berthieu

JAKOB BERTHIEU
(1838-1896)

PROFESSPRIESTER
D. GESELLSCHAFT JESU

Heilig: 21. Oktober 2012
Fest: 8. Juni

JAKOB BERTHIEU wurde am 26. November 1838 als zweites von sieben Kindern auf dem Landgut Monlogis der Gemeinde Polminhac, in der Nähe von Aurillac in der Auvergne, Frankreich, geboren. Die Eltern waren Bauern. Seine Kindheit verbrachte er im Kreise der Familie.

Mit 15 Jahren trat Jakob in das kleine Seminar von Pleaux ein. Obwohl er es nie schaffte, unter die Klassenbesten zu kommen, erhielt er in Betragen stets die Höchstnote. 1859 trat er in das große Seminar von Saint-Flour über, um sich durch das Studium der Theologie auf das Priestertum vorzubereiten. Nach der Priesterweihe 1864 wurde Berthieu Kaplan in der Pfarre Roannes-Saint-Mary, wo sich in den drei Jahren seines Dienstes das Leben mit dem alten, kranken und schwermütigen Pfarrer als sehr schwierig erwies. Nach weiteren sechs Jahren unter einem neuen und verständnisvollen Pfarrer verspürte er den Ruf zum Ordensleben. So schrieb er später an seine Familie: „Ich hegte immer eine große Wertschätzung für das Ordensleben und vor allem für jenes des Missionars; doch wagte ich nie daran zu denken, dass der Herr mich eines Tages dazu berufen würde. Ich hielt mich in jeder Hinsicht für unfähig – bis zu jenem Augenblick, wo die Vorsehung gerade mich inmitten meiner priesterlichen Laufbahn für jenes Leben aufgriff.“ Das war 1873, als Berthieu nach reiflicher Überlegung im Alter von 35 Jahren in Pau in das Noviziat der Jesuiten eintrat. Noch vor Abschluss des Noviziats wurde er aufgrund der Tatsache, dass er schon Priester war, für die Mission in Madagaskar bestimmt. Im September 1875 verließ er Marseille gemeinsam mit einem anderen Missionar. Sein Ziel war die Insel Réunion östlich von Madagaskar, wo sich eine Jesuitenresidenz der Jesuitenprovinz von Toulouse befand. Vom dortigen Oberen wurde er auf die Insel Sainte-Marie geschickt. Vor Antritt dieser ersten Missionsreise legte er im November 1875 die ersten Gelübde ab.

Auf Sainte-Marie angekommen, widmete sich Berthieu mit großem Eifer den verschiedensten Aufgaben. Er unterwies die Kinder im Katechismus, kümmerte sich um die Kranken, hörte Beichte und spendete die Sakramente. Vier Jahre lang konnte er ungestört seiner Arbeit nachgehen. 1880 wurden die Jesuiten jedoch von der französischen Regierung des Landes verwiesen und mussten ins Exil gehen. Berthieu ging nach Madagaskar, zuerst nach Tamatave (heute Toamasina), der zweitgrößten Stadt der Insel, dann in die Hauptstadt, das heutige Antananarivo. Schließlich arbeitete er zwei Jahre lang in Amboimandroso mit dem Volk der Betsileo, die das Hochplateau des Landes bewohnten.

1883 begannen die Franzosen gewaltsam in Madagaskar Fuß zu fassen, weshalb die Tätigkeit der französischen Priester drastisch eingeschränkt wurde. Berthieu verließ die Missionsstation und wanderte zu Fuß 320 km weit nach Tamatave, wo er seine Mitbrüder wiederfand. Da jede Art von priesterlicher Tätigkeit untersagt war, widmete sich Berthieu der Gartenarbeit und versorgte seine Kommunität mit frischem Gemüse. In einem Brief aus dem Jahre 1893 an einen Kollegen im Seminar brachte er sein Wirken auf den Punkt: „Was mich betrifft, sind die Etappen meiner Tätigkeit folgende: sechs Jahre auf der Insel Sainte-Marie, wenige Meilen abseits der Küste von Madagaskar, bis zur angeordneten Vertreibung der Ordensleute 1880. Dann zwei Jahre im Süden Madagaskars, bis ich wegen des ersten französisch-madagassischen Krieges vertrieben wurde. Ein Jahr nach Tamatave verbannt, wo ich mich daran machte, für meine Mitbrüder Gemüse anzupflanzen. Zwei Jahre als freiwilliger Kaplan im Norden, aber ohne Gehalt; vielmehr musste ich für das Essen bezahlen. Gerade war ich im Begriff, im äußersten Norden der Insel Rossa die Station Diego Suarez aufzubauen, als ich kurz nach dem Friedensschluss von 1885 nach Ambositra berufen wurde. Dort blieb ich fast sechs Jahre, wobei mir unzählige Schwierigkeiten und Verfolgungen zu schaffen machten. Zur Zeit befinde ich mich seit eineinhalb Jahren einen Tagesmarsch weit im Norden von Antananarivo, wo ich in einem ziemlich weiten Gebiet ungefähr 18 kleine Zentren betreue.“ Hier wie dort versuchte Berthieu alles für alle zu geben. Man sagte von ihm: „Er war ein Vater, der seine Schafe nicht verließ.“

1891 wurde Berthieu nach Andrianarivo (heute Anjozorofady) nordöstlich der Hauptstadt Antananarivo versetzt, wo er den Volksstamm der Merina (der größten ethnischen Gruppe, die von malaiischen Einwandern abstammt) evangelisierte. Seinem Bruder Gabriel gegenüber, gleichfalls Jesuit, bekannte er: „Es war nicht ohne Herzbeklemmung, dass ich Ambositra nach fünfeinhalb Jahren Aufenthalt, Arbeit und Entbehrungen verließ!“ Der Trennungsschmerz hinderte ihn aber nicht daran, sich mit ebensolchem Eifer für die neue Gemeinde einzusetzen. So schreibt er: „Abends wie morgens unterrichte ich den Katechismus, die übrige Zeit empfange ich Leute oder besuche alle – Freunde wie Feinde – im Vikariat, um sie für den Herrn zu gewinnen.“ Die Gläubigen, die mit ihm zu tun hatten, merkten sofort, dass ein aufrechter und ehrlicher Ordensmann vor ihnen stand. So meinte ein madagassischer Katechist: „Er war zu allen gut, wie die Frühlingssonne“. Den Christen pflegte er immer wieder zu sagen: „Habt keine Angst vor denen, die den Körper töten, denn die Seele können sie nicht töten!“ Oder: „Gesetzt den Fall, dass auch ihr von einem Kaiman gefressen werdet – ihr werdet auferstehen!“

Berthieus Missionsgebiet umfasste, wie gesagt, 18 Stationen, zwischen denen er hin- und herpendelte. Sein Einsatz wurde immer wieder durch kriegerische Auseinandersetzungen unterbrochen. 1884 begann Frankreich mit der Eroberung Madagaskars und 1895 erhob sich ein Stamm der Menalamba gegen die Franzosen. Am 6. Juni 1896 erhielt Berthieu vom französischen Verantwortlichen die Weisung, seine Leute in die Hauptstadt zu evakuieren, um sie aus der Kampfzone zu bringen. Nach Berthieus Auffassung waren diese Unruhen eine „Mischung aus Verfolgung des katholischen Glaubens in Verbindung mit einem gewissen Wunsch nach Unabhängigkeit“. Auf dem Weg in die Hauptstadt wurde die Gruppe von Stammesmitgliedern der Menalamba angegriffen und in verschiedene Dörfer zerstreut. Berthieu und einige andere fanden Zuflucht in dem Dörfchen Ambohibemasoandro, wo zwar keine Katholiken lebten, Gastfreundschaft jedoch großgeschrieben wurde.

Am Morgen des 8. Juni 1896 feierte Berthieu die hl. Messe und ermunterte die Christen, die ihm gefolgt waren, das Essen vorzubereiten, da man nicht wissen könne, was geschehen werde, und den Rosenkranz zu beten, um die Ruhe zu wahren. Am Nachmittag erstürmten die Menalamba das Dorf. Als er die Rufe hörte: „Liefert uns den Weißen aus, andernfalls verbrennen wir eure Häuser!“, gab Berthieu den Befehl zur Flucht und meinte, wenn einer sterben müsse, so werde er es sein. Ein junger Sklave wies die Angreifer zuerst auf das Pferd des Missionars und dann auf den Dachboden hin, in dem sich Berthieu versteckt hatte. Er wurde in den Hof des Hauses gezerrt und mit einem Axthieb gegen Kopf und Stirn niedergeschlagen. Berthieu fiel auf die Knie, erhob sich wieder, wischte sich mit einem Taschentuch das Blut ab und sagte: „Bringt mich nicht um, Freunde, ich habe euch eine frohe Botschaft zu verkünden!“ Die Antwort war ein weiterer Axthieb gegen den Hals. Einige wollten ihn gleich schon umbringen, doch die Mehrheit zog es vor, ihn in ihr Revier zu bringen, das 15 km entfernt war, um ihn dem Hauptmann vorzuführen. Einige der Angreifer suchten nach den Begleitpersonen Berthieus, denen es jedoch gelang, sich in Sicherheit zu bringen.

Kaum waren sie außerhalb des Dorfes, entledigten sie den Missionar seines Talars. Als sie sein Brustkreuz sahen, riss es ihm einer vom Leib und sagte: „Ach, dein Amulett! Mit dem betrügst du doch unser Volk!“ Dann fragte er ihn: „Wirst du weiterhin beten und die Leute beten machen, ja oder nein? Berthieu antwortete: „Sicher werde ich noch beten, bis ich sterbe!“ Am Rand des Grabens lag sein Pferd, das man in Stücke gehauen hatte. „Willst du auch so enden?“, fragten sie, während sie wild auf ihn einhieben. „Ich erwarte nicht, dass ihr mir mein Leben lasst. Würde ich dem zustimmen, was ihr verlangt, wäre das Selbstmord. Wenn ich aber eure Forderungen zurückweise, werde ich leben.“ „Ja, du wirst leben, hoher Herr!“, brüllten sie verächtlich.

Als sie zum Dorf Ambohitsara kamen, sagte derjenige, der ihn zuerst geschlagen hatte: „Du zwingst uns, zu den Frauen zurückzukehren, die wir nicht mehr lieben und von denen wir uns vor zwei oder drei Jahren getrennt haben. Nun gut, heute werden wir uns mit dir verheiraten!“ „Ich bitte dich, mich nicht wegen einer solchen Sache zu beschimpfen!“, erwiderte Berthieu.

Andere machten ihm, in der Hoffnung seiner geheimen Macht als Priester teilhaftig zu werden, folgenden Vorschlag: „Wenn du uns, anstatt zu beten, die Waffen gegen die Weißen anzuwenden lehrst, schenken wir dir die Freiheit.“ Berthieu antwortete: „Ich bin nicht gekommen um euch das Kämpfen beizubringen. Solange ich lebe, werde ich das Beten lehren. Das Gebet wird euch helfen, eure Seelen zu retten.“ Als sie ihm schließlich anboten, ihn zum Häuptling zu machen, wenn er seiner Religion abschwöre, gab Berthieu zur Antwort: „So etwas kann ich grundsätzlich nicht annehmen, mein Sohn. Lieber sterbe ich.“ Die sechs Männer des Erschießungskommandos wurden von einer rätselhaften Angst befallen. In der Tat verfehlten vier von ihnen das Ziel. Berthieu fiel erst beim fünften und sechsten Schuss zu Boden. Mit einem Knüppel wurde ihm der Schädel zertrümmert, den Leichnam warf man anschließend in den nahegelegenen Fluss, wo er nie mehr gefunden wurde.

Am 17. Oktober 1965 wurde Jakob Berthieu von Papst Paul VI. seliggesprochen. Am 21. Oktober 2012 sprach ihn Papst Benedikt XVI. heilig.

Berthieu ist der erste Heilige Madagaskars.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Benedikts XVI. 2005 – 2012. Innsbruck: Resch, 2013, XII, 204 S., 48 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-096-4, Ln, EUR 25.90 [D], 26.60 [A]

Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at