Andreas Resch: Ignaz von Santhià Belvisotti

IGNAZ VON SANTHIÀ
BELVISOTTI
(Lorenz Mauritius)

(1686-1770)

PROFESSPRIESTER
DES ORDENS DER
MINDERBRÜDER KAPUZINER

Heilig: 19. Mai 2002
Fest: 22. September

IGNAZ VON SANTHIÀ BELVISOTTI (Lorenz Mauritius) wurde am 5. Juni 1686 in Santhià (Vercelli) als viertes von sechs Kindern der Familie Pier Paolo Belvisotti und Maria Elisabetta Balocco geboren. Bei der Taufe am gleichen Tag erhielt er den Namen Lorenz Mauritius. Die Eltern waren wohlhabend und mit den besten Familien von Santhià und Umgebung verwandt.

Mit sieben Jahren verlor Lorenz den Vater, woraufhin die Mutter mit Hilfe ihres Verwandten, des frommen und gelehrten Priesters Don Bartholomäus Quallio, für die Erziehung und Schulbildung der Kinder sorgte. So genoss Lorenz eine beneidenswert gehobene Ausbildung und wuchs zudem noch in seiner Frömmigkeit. Da er sich zum priesterlichen Leben berufen fühlte, wechselte er 1706, nach Beendigung der Volksschule in seiner Heimatstadt, zum Studium von Philosophie und Theologie nach Vercelli. Nach Abschluss der Studien im Jahre 1710 erhielt er, da seine Diözese ohne Bischof war, von Papst Klemens XI. ein „Breve“, das ihn ermächtigte, von jedwedem Bischof in Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl sowohl die niederen und höheren Weihen als auch die Priesterweihe zu empfangen. Nach der Priesterweihe im Herbst 1710 blieb er als Kaplan und Lehrer der Adelsfamilie Avogadro in Vercelli. In den ersten Jahren als Priester schloss er sich auch dem Apostolat der Jesuiten an, vor allem beim Predigen von Volksmissionen. Auf diese Weise kam er auch mit seinem künftigen Spiritual, dem Jesuiten Cacciamala, in Kontakt.

Seine Heimatstadt Santhià, die ihren Mitbürger wiederhaben wollte, wählte ihn zum Kanoniker und Rektor der berühmten Kollegiatskirche. Die Avogadros ihrerseits wählten ihn zum Pfarrer der Pfarre Casanova Elvo, über die sie das kirchliche Patronat besaßen. Doch der mittlerweile fast dreißigjährige Don Lorenz Mauritius suchte nicht nach Ehre: er hatte beschlossen, ins Kloster zu gehen. Auf sein Ansuchen um Aufnahme in den Orden der Kapuziner entgegnete ihm der Provinzialminister: „Warum sollte man eine so schöne und mit geistlichen Früchten gesegnete Karriere aufgeben?“ Die Antwort war: „Pater, bei diesen Triumphen kommt mein Herz nicht zur Ruhe. Im Tiefsten meiner Seele höre ich eine Stimme, die immer wieder sagt: Wenn du Frieden finden willst, musst du den Willen Gottes im Gehorsam tun.“ Also verzichtete er auf die beiden Ernennungen und die damit verbundenen Vorteile, zog am 24. Mai 1716 den Kapuzinerhabit an und begann unter dem Namen Frater Ignaz von Santhià das Noviziat bei den Kapuzinern von Chieri (Turin), in der Absicht, später in die Auslandsmission zu gehen.

Sein entschiedenes Streben nach Vollkommenheit sowie die volle, aufmerksame, spontane und freudige Observanz des Lebens der Kapuziner brachten ihm die Bewunderung auch der ältesten Noviziatsmitglieder ein. So legte er, zutiefst überzeugt von seiner Berufung, am 24. Mai 1717 die Gelübde ab und begann einen spirituellen Weg, der von Gebet, Gehorsam, Hilfsbereitschaft und Apostolat in verschiedenen Konventen des Piemont getragen war.

1727 wurde er zum Monte dei Cappuccini nach Turin gerufen, um dort als Sakristan und Beichtvater zu wirken – eine Aufgabe, die er auch in seinen letzten Lebensjahren innehatte. Schon bald gewahrte man seine große Spiritualität und Kompetenz. Er wurde ein von Priestern, Ordensleuten und Gläubigen gleichermaßen gesuchter Spiritual. Sein Beichtstuhl war ein Bezugspunkt. Man nannte ihn den „Pater der Sünder und der Verzweifelten“.

Nach den Jahren der Formation zum Kapuziner wurde Bruder Ignaz auf dem Provinzkapitel vom 31. August 1731 zum Novizenmeister des Konvents von Mondovì (Cuneo) ernannt. Auf dem Weg dorthin begleitete ihn der Ruf eines gebildeten und weisen Führers. Dieser Ruf verbreitete sich ziemlich rasch in dem kleinen Städtchen, sodass auch die Jugendlichen, welche die höheren Schulen besuchten, den Konvent zu ihrem Ziel wählten mit den Worten: „Gehen wir den Heiligen schauen!“ Frater Ignaz blieb 14 Jahre lang in der Leitung des Noviziats, wobei er seine erzieherische Tätigkeit auf zwei Säulen stützte: göttlich lieben und mit gutem Beispiel vorangehen. Nach diesem Zeugnis war seine Zelle zu jeder Tages- und Nachtzeit geöffnet. Pater Ignaz führte der Ordensprovinz des Piemont mindestens 121 neue Mitglieder zu, von denen einige im Ruf der Heiligkeit starben.

Als er von den Leiden des Pater Bernardino Ignazio dalla Vezza, eines seiner Ex-Novizen und Missionars im Kongo, erfuhr und davon, dass dieser seine missionarische Tätigkeit möglicherweise unterbrechen müsse, warf sich Ignaz vor dem Tabernakel auf die Knie und bot, von seiner überaus großen Nächstenliebe erfüllt, seine Opfergabe an: „Herr Jesus Christus, wenn es Dir gefällt, dass das Leiden dieses guten Arbeiters auf mich übergehe, der ich zu nichts tauge, so lass es geschehen! Ich nehme es gerne an, zu Deiner Verherrlichung.“ Besagter Missionar konnte seine apostolische Tätigkeit wieder aufnehmen, da die Krankheit verschwunden war, während bei Ignaz die Leiden begannen, die ihn zwangen, das Amt des Novizenmeisters aufzugeben. Eine plötzliche Augenkrankheit zog die fast völlige Erblindung nach sich, weshalb er Ende 1744 zu einer Radikalkur zum Monte dei Cappuccini nach Turin gerufen wurde.

Trotz der durch die Krankheit verursachten Einschränkungen wirkte Pater Ignaz von 1744 bis 1746 auf Geheiß der Oberen als Kaplan in den Spitälern von Asti, Vinoso und Alessandria, wo die verwundeten Soldaten des Königs von Sardinien, Karl Emanuel III., eingeliefert wurden, die gegen die französisch-spanische Armee (1745-1746) kämpften. Schwerkranke, Schwerstverwundete, gepeinigte Körper … füllten die Krankensäle. In dieser Welt des Schmerzes war Pater Ignaz der tröstende Engel. „Er eilte von Saal zu Saal, von Bett zu Bett, getrieben von einer stets aufmerksamen, hingebungsvollen und unermüdlichen Liebe zum Wohl der kranken Soldaten“, liest man in einem historischen, von einem Zeugen verfassten Dokument.

Nach Ende des Krieges nahm ihn der Konvent vom Monte dei Capuccini in Turin für seinen letzten Lebensabschnitt (1747-1770) auf. Mit grenzenloser Barmherzigkeit und mit demütiger und intensiver geistlicher Nächstenliebe teilte Ignaz seine seelsorgliche Tätigkeit zwischen Konvent und Stadt Turin: er predigte, hörte Beichte, und ging, trotz seines fortgeschrittenen Alters und starker Beschwerden den Hügel hinunter, auf dem der Konvent emporragte, um durch die Straßen der Stadt zu gehen und in den Häusern Arme und Kranke zu besuchen, die auf seine tröstenden Worte und seinen Segen warteten. In freien Stunden sammelte er sich in einem Winkel der Kirche, von wo aus er den Tabernakel sehen konnte, und hielt Zwiesprache mit dem Herrn. Die Mitbrüder schrieben seine unerschütterliche Heiterkeit, die er selbst in Momenten größten Schmerzes wahrte, und die Freude, die er empfand und jedem, der ihm begegnete, weitergab, seiner unentwegten Einheit mit Gott zu.

Inzwischen häuften sich die außergewöhnlichen Ereignisse und das Volk taufte ihn auf den Namen „der Heilige vom Monte“; gleichzeitig genoss er die Hochachtung der vornehmsten Persönlichkeiten des Piemont: von den Regierenden bis zum Erzbischof von Turin, Giovanni Battista Roero, und dem ersten Bischof des Hofes, Kardinal Vittorio Delle Lanze; vom Großkanzler Carlo Luigi Caisotti di Santa Vittoria bis zum Bürgermeister der Stadt.
Doch schwanden seine Kräfte immer weiter. Pater Ignaz war jedoch in den Konvent gekommen, den Gehorsam zu suchen, und wollte diesem bis zum Ende nachkommen. So erwiderte der Guardian des Konvents um Mitternacht des 21. September 1770 dem Krankenpfleger, der ihm mitteilte, dass Pater Ignaz bereits die letzte Wegzehrung erhalten habe und im Sterben liege: „Es ist noch Zeit. Pater Ignaz wird auf mich warten. Er war so gehorsam im Leben, dass er es nicht wagen wird zu gehen ohne den Gehorsam der Reise.“

Als der Guardian das Krankenzimmer betrat, sagte er: „Pater Ignaz, da bin ich, um Dir eine gute Reise in die Ewigkeit zu wünschen, und dies muss ich in der Art der Heiligen Mutter Kirche tun.“ P. Ignaz nickte. Am 22. September 1770, dem Fest des hl. Mauritius, seines Namenspatrons und Patron der Kapuzinerprovinz von Piemont, starb P. Ignaz nach dem Proficiscere, anima christiana, de hoc mundo in Frieden in seiner Zelle. Er war 84 Jahre alt.

Der Morgen war noch kaum angebrochen und schon verbreitete sich die Nachricht von seinem Tod in der ganzen Stadt, von Mund zu Mund, und erreichte so auch die Peripherie von Turin. Innerhalb kurzer Zeit machten sich Menschen aus allen Schichten, Priester, Ordensleute, Adelige und normale Bürger auf, dem Leichnam die Ehre zu erweisen, sodass der Obere des Konvents aus Angst vor Tumulten die Beerdigung vor der angesetzten Zeit feiern ließ. Als die Leute auf dem Platz des Konvents zusammenströmten und vom bereits erfolgten Begräbnis erfuhren, waren sie sehr bestürzt, doch gingen die meisten von ihnen in die Kirche, um zu beten und eine Erinnerung zu erbitten.

Der Ruf der Heiligkeit von P. Ignaz und die zahlreichen Wunder, die seiner Fürbitte zugeschrieben wurden, veranlassten die unmittelbare Einleitung des Heiligsprechungsverfahrens.

Sein Grab befindet sich in der Kirche Santa Maria del Monte, Monte dei Cappuccini, Turin, Italien.

Am 19. Mai 2002 wurde Ignaz von Santhià Belvisotti von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, nachdem ihn Papst Paul VI. am 17. April 1966 seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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