Andreas Resch: Helene Restituta Kafka


HELENE RESTITUTA KAFKA
(1894-1943)

PROFESS-SCHWESTER UND MÄRTYRERIN
DER FRANZISKANERINNEN
VON DER CHRISTLICHEN LIEBE

Selig: 21. Juni 1998
Fest: 30. März

HELENE RESTITUTA KAFKA wurde am 1. Mai 1894 als sechstes von sieben Kindern des Anton Kafka und der Maria Stehlik in Brünn-Hussowitz, Österreich (heute Tschechien), geboren und am darauffolgenden 13. Mai auf den Namen Helene getauft. Die Eltern waren an und für sich in Wien wohnhaft, doch machte die Mutter damals gerade Ferien im Haus ihrer Mutter. Kindheit und Jugend verbrachte Helene in Wien. Sie war ein sehr ernstes und schweigsames Mädchen, liebte aber das Spiel. Besonders gerne imitierte sie dabei typische Verhaltensformen von Nonnen, wozu sie sich selbst als Nonne verkleidete, betete und sich entsprechend benahm. Im Kleinkindalter zeigte sich bei ihr eine nervöse Störung – sie stotterte, und zwar so stark, dass sie kein Wort herausbrachte, wenn sie jemand energisch anfuhr. Erst die Direktorin der Bürgerschule, die sie besuchte, half ihr aus dieser Situation. Im Mai 1905 ging Helene zur Erstkommunion und im Mai 1911 wurde sie gefirmt. Über ihre Schulausbildung gibt es kaum Unterlagen, doch wie sie selbst sagt, besuchte sie „die Volks-, Bürger- und Haushaltungsschule in Wien“.

Helenes Verhalten in der Jugend wird folgendermaßen beschrieben: „Ihr beweglicher Geist fasste alles rasch auf, benahm ihr jegliche Schüchternheit und ließ ihren ausgeprägten Willen aufscheinen.“

Nach Schulabschluss arbeitete Helene u.a. in einem Tabakwarengeschäft, wo sie nur zwei Jahre blieb, weil sie sich zum Dienst am Nächsten berufen fühlte und eine besondere Form religiösen Lebens eingehen wollte. Sie war 15, als sie diese Berufung immer deutlicher verspürte, doch ging sie erst drei Jahre später als Hilfskrankenschwester in das öffentliche Spital nach Lainz. Der Kontakt mit den Franziskanerinnen von der christlichen Liebe, die dort tätig waren, bot ihr die religiöse Lebensform, die sie suchte.

Am 25. April 1914 trat Helene bei den Franziskanerinnen in Wien ein und am 16. April 1915 erlaubte ihr die Kongregation, das Postulat zu machen, um mit der Einkleidung am darauffolgenden 23. Oktober das Noviziat zu beginnen, wobei sie den Namen Restituta annahm. Nach Ablegung der zeitlichen Profess genau ein Jahr später wurde sie in das Spital von Neunkirchen nach Niederösterreich geschickt, in dessen chirurgischer Abteilung junge Krankenschwestern benötigt wurden.

Im Mai 1917 kehrte Restituta nach Wien zurück, um im Spital von Lainz in der Abteilung für Lungenkranke zu arbeiten. Sie blieb dort bis zum Mai 1919, als ihr als Letztes eine Stelle als Operationsschwester im Spital von Mödling zugewiesen wurde. Sr. Restituta war eine Krankenschwester mit außerordentlichen Qualitäten, wie Augenzeugen bestätigen: „Sie war ein sehr guter und hilfsbereiter Mensch. Wenn sie zum Beispiel ganz schwere Operationen gehabt hat, sagte sie: ‚Hoffentlich kommt dieser Patient durch!‘ … Man hat sie einmal versetzen wollen; Primarius Stöhr aber sagte: ‚Wenn die Sr. Restituta weggeht, dann gehe ich auch!‘ Daraufhin hat man sie nicht versetzt. Sie war resolut, selbstsicher, hilfsbereit.“

Beruflich erwies sich Restituta Kafka als hervorragende Anästhesistin, „die ihren Beruf unerhört beherrscht hat. Bei Operationen, wenn nicht der Primarius selbst, sondern einer der jüngeren Ärzte operiert hat, hatte man das Gefühl, dass sie die Operation leitet. Sie hatte schon das Instrument zugereicht, bevor noch der Operateur etwas gesagt hatte. Man konnte viel von ihr lernen. Mit vollem Einsatz war Maria Restituta in ihrem Beruf tätig; eine unerhörte Ruhe und Sicherheit hat sie dabei ausgestrahlt.“ Diese Sicherheit war damals sehr wichtig, denn die Nazis suchten stets nach Möglichkeiten, um zu intervenieren, wie sich eine Mitschwester ausdrückt: „Ich denke mir, dass sie deshalb gerade als Narkoseschwester eingesetzt worden ist, weil die Nazis vielleicht darauf gewartet haben, dass da etwas passiert… Ohne Schwester Restituta hätte das Krankenhaus Mödling gar nicht bestehen können.“

Der Abend des 17. Februar 1942 war der letzte Tag im Fasching und so feierte man im Spital bis halb zwölf Uhr in der Nacht. Auch Sr. Restituta feierte mit, ohne dass auch nur das Geringste die Tragödie des nächsten Tages erahnen ließ.

Am Morgen des 18. Februar fuhr ein Auto mit vier Männern der Gestapo in den Hof des Spitals ein, um Sr. Restituta festzunehmen. In der ihnen eigenen Brutalität und Skrupellosigkeit warteten sie nicht einmal das Ende einer Operation ab, sondern verhafteten Sr. Restituta um 8 Uhr morgens direkt aus dem Operationssaal heraus. Gleich darauf wurde mit großer Akribie ihr Zimmer durchsucht. Nach Einlieferung in das Polizeigefangenenhaus Rossauerlände in Wien wurde sie am 6. März 1942 in das Wiener Landesgericht überführt und hier begann der Strafprozess mit der Anklage der Vorbereitung zum Hochverrat – eine Anklage ohne jede Grundlage, jedoch mit der Absicht, ihre mutige Verteidigung des Glaubens und ihre öffentliche Opposition zur NS-Ideologie zu brechen.

Am 29. Oktober 1942 wurde sie „wegen landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tod verurteilt. Die Art und Weise, wie Sr. Restituta dann zur Hinrichtung geführt wurde, beschreibt der Redemptorist P. Johann Ivanek, in einer Form, die jeden weiteren Kommentar erübrigt:

„Erst am 30. III. 43 war ich in d. Lage, Sr. Restituta in d. Todeszelle kennen zu lernen. Als ich in d. Seelsorgskanzlei kam, teilte mir Monsign. Köck meine Arbeit zu: Fremdsprachige Ausländer u. wie schon gesagt, die Verstockten, die bisher d. Priester ablehnten. Wir begannen um 1h nach Mittag unsere Arbeit u. mußten etwa 1 1/2 Stunden vor d. Hinrichtung mit den Beichten fertig werden. Damals sagte mir Monsign.: ‚Heute ist die Schwester an d. Reihe.‘ Ich war überrascht, weil Dr. Gürtler einmal zuvor eine große Zuversicht hegte, daß der Fall d. Sr. Restituta in Berlin günstig ausgehen werde. Nach d. Bekehrungsarbeit holten wir aus d. Gefangenenhauskapelle das allerh. Sakrament, aber ganz unauffällig. Denn niemand sollte im übrigen Hause wissen, daß heute wieder am Abend um 6 h Hinrichtung sei. Sr. Restituta war in d. Zelle No 1 mit einem Mädchen u. noch einer Frau. Wir begannen die hl. Wegzehrung u. d. Sterbeablaß zu spenden, zuerst Zelle 47. Zuletzt kamen wir in die Zelle No 1.

Ich machte d. H. H. Köck aufmerksam, daß Ordensleute vor d. letzten hl. Kommunion die Ordensgelübde zu erneuern pflegen. Sr. Restituta hat mit lauter Stimme ihre Profeßformel gebetet u. nachher mit eigenen Worten für die Bekehrung der Feinde des Gottesreiches gebetet. Dieses Flehen dauerte eine geraume Zeit u. dann empfing sie ihren göttlichen Bräutigam unter der Gestalt des Brotes. Erst nach Empfang des päpstlichen Segens sprach ich mit ihr. Sie äußerte ihre Freude, daß sie noch einen Pater von Maria Stiegen getroffen habe. In ihren jungen Jahren sei sie gerne in unsere Kirche gekommen. Auch gab sie mir Grüße für ihre Mitschwestern im Kloster auf. (Das hat ja H. H. Köck ohnehin amtlich ausgerichtet; ich mußte ja über alles Schweigen bewahren; denn sonst hätten ja die nachfolgenden Todeskandidaten vielleicht keinen Priester in ihrer Muttersprache bekommen.) Zuletzt bat sie mich, ich möge für sie beten, damit ihr kein langes Fegefeuer beschieden sei. – Spontan gab (ich) ihr zur Antwort: ‚Sie brauchen ohnehin nicht hinein! Denn Sie haben ja nichts mehr als das Leben.

Opfern Sie das aus Liebe zu Gott, dann geht’s gleich in den Himmel!‘ – Damit war sie sichtlich zufrieden. Auch das Mädchen schloß sich ihr an.

Es war die letzte Stunde, da mußte ich nun meine Pflegebefohlenen aufsuchen, um mit ihnen zu reden u. zu beten u. sie am letzten Weg zur Guil(l)otine zu begleiten. Als die Frauen zur Hinrichtung geführt wurden, blieb ich, – da ich unterdessen Pause hatte – , auf dem Gange stehen, um v. d. Schw. Restituta Abschied zu nehmen. Oberpfarrer Köck war ihr Seelsorger. Als d. Schwester mich sah, bat sie: ‚Hochwürden, machen Sie mir das Kreuzerl auf die Stirne!’“

Der Oberin und den Mitschwestern hatte sie Folgendes [hier in purgierter Form] geschrieben: „Kränkt Euch nicht, denn was Gott tut, ist wohlgetan. Ich selbst fühle mich keiner Schuld bewußt, und muß ich mein Leben lassen, so bringe ich gerne das Opfer, denn so hoffe ich, daß ich gnädige Aufnahme bei meinem Heiland finde. … Allen habe ich von Herzen verziehen, die zu meiner Verurteilung beigetragen (haben), auch Dr. Stumfohl, möge mir der lb. Gott dafür Seelen schenken. Bitte tragt niemandem etwas nach, sondern verzeiht allen von Herzen, wie auch ich es tue.“

Am 30. März 1943 wurde Restituta Kafka um 18.21 Uhr im Landesgericht Wien mit dem Fallbeil hingerichtet. Man begrub sie in der Schachtgräberanlage der Gruppe 40 des Wiener Zentralfriedhofes. Am 21. Januar 1976 fand eine zweite Exhumierung und die Beerdigung in einem Einzelgrab der Kongregation, Gruppe 47 F, Grab Nr. 29, auf dem Wiener Zentralfriedhof statt. Die Sr. Restituta zugeschriebenen Gebeine konnten allerdings später im Rahmen des Seligsprechungsverfahrens nicht als authentisch identifiziert werden. Sie war die einzige Ordensfrau, die von den Nazis in Österreich hingerichtet wurde.

Am 21. Juni 1998 wurde Helene Restituta Kafka von Papst Johannes Paul II. in Wien seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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