Andreas Resch: Hedwig

HEDWIG
Königin von Polen
(1374-1399)

Heilig: 8. Juni 1997
Fest: 17. Juli

Hedwig von Anjou wurde zu Beginn des Jahres 1374 in Ungarn geboren. Sie war das dritte Kind Ludwigs, des König von Ungarn und Polen, aus dem Hause Anjou, und der Prinzessin Elisabeth von Bosnien und wurde auf den Namen Hedwig getauft. Ihre intellektuelle Ausbildung und religiöse Erziehung erhielt sie – den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend – im väterlichen Königspalast durch private Repetitoren, Schullehrer, Hauslehrer und Erzieher bei Hof. Dabei sind Qualität und Universalität ihrer Ausbildung hervorzuheben. Hedwig entwickelte sich so zu einer Frau mit exzellenter humanistischer Bildung und bewandert in Sprachen wie Latein, Ungarisch, Polnisch und Deutsch. Vermutlich erlernte sie auch die italienische Sprache.

Nach einem damals an Königs- und Fürstenhöfen geltenden mittelalterlichen Brauch wurde Hedwig durch einen Pakt zwischen Ludwig und Leopold, dem Prinzen von Österreich, bereits im Alter von vier Jahren zur künftigen Frau von Leopolds Sohn, Wilhelm von Habsburg, bestimmt. Die Trauungszeremonie zwischen der vierjährigen Hedwig und dem achtjährigen Wilhelm wurde am 15. Juni 1378 im Schloss Hainburg durch Kardinal Demetrius, Erzbischof von Esztergom, vollzogen. Ludwig hatte für seine Tochter Hedwig den Thron Ungarns vorgesehen, doch folgte ihm nach seinem Tod 1382 die ältere Tochter Maria auf den Thron. Daraufhin schloss sich Hedwigs Mutter, Elisabeth, dem Plan des polnischen Adels an und bestimmte Hedwig für den Thron von Polen.

Im Herbst 1384 kam Hedwig nach Krakau, wo sie am 16. Oktober, nach dem Fest ihrer Namenspatronin, der hl. Hedwig von Schlesien, vom Erzbischof von Gnesen, Bodzanta, zur Königin von Polen gekrönt wurde. Hedwig war damals gerade einmal zehn Jahre und acht Monate alt. Als Königin Hedwig das 12. Lebensjahr erreichte, konnte sie Wilhelms Frau werden, doch beabsichtigten die Polen nicht, den Thron Wilhelm zu überlassen, sondern dem Großfürsten von Litauen, Jagello. Für diese Entscheidung gab es zweierlei Gründe: zum einen, um dem litauischen Volk, dem letzten heidnischen Volk Europas, die christliche Taufe anzubieten, und zum andern die Verteidigung gegen den militärischen Druck des Deutschen Ordens. Da Hedwig in dem Plan für die Kirche und für beide Nationen große Vorteile sah, trug sie mit einem persönlichen Opfer dazu bei, indem sie einwilligte, Jagellos Frau zu werden, der versprochen hatte, gemeinsam mit ganz Litauen die Taufe zu empfangen und das Land an Polen anzugliedern.

Die Habsburger reagierten auf den polnischen Plan mit Gewalt und entsandten Wilhelm nach Krakau, um mit der ihm versprochenen Braut die Ehe einzugehen. Sein Versuch, in das königliche Schloss einzudringen, schlug jedoch fehl und er musste Polen verlassen. Am 12. Februar 1386 kam Jagello nach Krakau. Am 15. Februar wurde er zusammen mit seinen Geschwistern und seinem Gefolge getauft und erhielt den christlichen Namen Ladislaus.

Hedwig traf ihre Entscheidung nach langem inneren Kampf und Gebeten zu Füßen des Gekreuzigten von Wawel, nach Beratungen mit dem Erzbischof von Gnesen, Bodzanta, mit dem Bischof von Krakau, Jan Radlica, und mit dem übrigen Adel des polnischen Reiches. In der Kathedrale von Wawel widerrief sie dann feierlich die versprochene Hochzeit mit Wilhelm. Durch ihr „Ja“ zu Jagello nahm die Geschichte Europas insofern einen anderen Verlauf, als die Grenze der westlichen Zivilisation bis an die Ostgrenzen des polnisch-litauischen Reiches verlegt wurde und sich diese unter die Protagonisten der Evangelisierung Europas einreihte.

Am 18. Februar 1386 fand schließlich die Trauungszeremonie zwischen Hedwig und dem wesentlich älteren Ladislaus Jagello statt. Von da an war Hedwig die eigentliche „Regentin“ Polens, nicht bloß die Gemahlin des Königs; sie hatte ihre eigene Kanzlei und nahm aktiv am Leben des polnisch-litauischen Staates teil. König Ladislaus Jagello kümmerte sich um die Taufe seines Volkes und Königin Hedwig unterstützte ihn bei dieser apostolischen und missionarischen Aufgabe. Gemeinsam mit ihrem Gemahl ersuchte sie den Papst um die Errichtung der Diözese Wilna, was 1388 geschah. Für die Priester besorgte sie sakrale Gegenstände und liturgische Gewänder. In Prag gründete sie 1397 das Kolleg für die künftigen Priester von Litauen. Sie sorgte für eine Neustrukturierung der Jagellonischen Universität von Krakau und errichtete in diesem Rahmen mit Zustimmung von Papst Bonifatius IX. vom 11. Januar 1397 die Theologische Fakultät. Das Athenäum lag ihr so sehr am Herzen, dass sie diesem zum Zeichen ihres tiefen Glaubens und ihres Weitblicks all ihren Schmuck und die übrigen persönlichen Güter als Vermächtnis hinterließ, um damit die künftige Erweiterung und Funktion sicherzustellen.

Hedwig war nämlich von Kindheit an zur Lektüre klassischer religiöser Literatur erzogen worden. So las sie die Heilige Schrift, den Psalter, die Homilien der Kirchenväter, die Meditationen und Gebete des hl. Bernhard, die Predigten und Passionsgeschichten der Heiligen usw. Einige dieser Werke wurden eigens für sie und ihr Gefolge in das Polnische übersetzt. Zu diesem Zweck bestellte die Königin einen dreisprachigen Psalter, Florianier Psalter genannt, der zur Zeit in der Warschauer Nationalbibliothek aufbewahrt wird. Zudem versuchte sie, den Gebildeten sowie ihren Höflingen spirituelle Richtlinien von hohem Ansehen zu sichern. Vom Klerus verlangte sie ein hohes geistliches und kulturelles Niveau. Zu ihrer Zeit, wo sich verschiedene Glaubensrichtungen, Lehren und Praktiken miteinander vermischten, war Hedwig ein Beispiel an Treue zur Tradition und der Zugehörigkeit zum Apostolischen Stuhl. Gleichzeitig zeigte sie Toleranz in der Begegnung mit anderen Religionen und Konfessionen.

In diesem Geist drang sie bis zu den Roten Rus vor, wo sie von den Ruthenen von Halitsch, Lemberg und anderen ruthenischen Regionen wohlwollend aufgenommen wurde. Sie setzte sich für die Bekehrung des orthodoxen Ruthenien ein. Da sie um die Vorliebe der Ruthenen für die slawische Sprache wusste, gründete sie in Krakau die Kirche und den Konvent der slawischen Benediktiner, die sich in die von Hedwig auf friedlichem Weg an Polen restituierten Roten Rus begeben sollten, um dort die Liturgie im slawischen Ritus zu feiern. Es ging dabei nicht um eine Neuchristianisierung der Roten Rus im lateinischen Ritus, sondern um die Beseitigung des alten Grolls der orthodoxen Russen gegen die Lateiner und um eine vertrauensvolle gegenseitige Annäherung.

Zur Heranführung der untergebenen Polen, Litauer und Ruthenen an die spirituellen Früchte der Kirche wandte sie sich als eine der ersten europäischen Herrschergestalten an Papst Bonifatius IX. mit der Bitte, das Jubiläum des Heiligen Jahres 1390 in der eigenen Heimat feiern zu dürfen, um die Mühen und Gefahren der Reise zu ersparen. Der Papst erhörte ihre Bitte und sandte 1390 seinen Legaten.

Als gekrönte Königin von Polen nahm Hedwig dank ihrer politischen Umsicht und Weisheit zunehmend aktiver an den öffentlichen Belangen des polnisch-litauischen Staates teil. Von 1389 an agierte sie mehrmals als Vermittlerin im Konflikt zwischen Polen und dem Deutschen Orden. Auch der litauische Herzog Witold ersuchte um ihre Hilfe zur Lösung der Kontroversen mit seinen Cousins Jagiello und Skirgello. Da sie sich der Gefahr für die Christenheit durch die Türken bewusst war, versuchte Hedwig den ambitionierten Witold davon abzuhalten, die Kräfte des polnisch-litauischen Heeres in einem Feldzug gegen die Tartaren zu vergeuden, das dann tatsächlich geschlagen wurde.

Die Staatsgeschäfte trübten jedoch keineswegs den Blick für die täglichen Nöte ihrer Untergebenen. So nahm sie sich das Schicksal der Kranken zu Herzen, begünstigte und förderte die Gründung neuer Spitäler und unterstützte die bereits vorhandenen. In einer Zeit der feudalen Unterdrückung verteidigte sie auch die Bauern gegen ihren Gemahl und die polnischen Magnaten. Als sie daher 1386 erfuhr, dass die Bauern eines Dorfes in Großpolen von den Rittern des Königs ihrer Güter beraubt worden waren, verlangte sie, dass ihnen nicht nur der materielle Schaden vergütet werde, sondern klagte, bestürzt über deren verletzte Menschenwürde: „Wenn wir den Bauern auch das Vieh zurückgegeben haben – wer hat ihnen ihre Tränen wiedergegeben?!“ Hedwig führte in ihrem Reich die evangelischen Prinzipien der Nächstenliebe ein. Sie half den Armen und den Ordensleuten und unterstützte die Gefangenen, indem sie deren Lebenssituation verbesserte. Sie setzte sich für die Befreiung der Kriegsgefangenen ein und erreichte, als ihr Gemahl in feindliche Hände fiel, im Gegenzug seine Freilassung. Man sagte, dass sie von ihren Einkünften nur das Allernotwendigste für sich behielt und alles Übrige für karitative Zwecke verwendete. Mit diesen intellektuellen Qualitäten und ihrer einzigartigen Heiligkeit gewann sie das polnische Volk, welches die Herzenswärme, Weisheit und Liebe seiner Königin zu schätzen wusste.

Hedwig empfand dies alles als ihre Pflicht, als die Pflicht einer wahrhaft christlichen Prinzessin, während sie sich selbst gegenüber größte Strenge walten ließ. Im Sommer wie im Winter trug sie lediglich eine Tunika und einen Mantel, ging immer barfuß und nahm das lange Warten auf den künftigen Thronerben mit Gelassenheit. Dieser Schmerz wurde nur für kurze Zeit durch die freudige Nachricht über die so sehnlich erwartete Schwangerschaft gelindert. Auf die Empfehlung ihres Gemahls, das Zimmer für den kommenden Erdenbürger auszustatten, gab sie hingegen zur Antwort: „Nachdem ich den Prunk des Jahrhunderts schon seit langem abgelegt habe, möchte ich mir diesen nicht gegen Ende meines Lebens wieder aufbürden, denn eine Geburt läuft ja sehr oft darauf hinaus. Vielmehr möchte ich Gott gefallen, der mir die Fruchtbarkeit geschenkt bzw. die Schmach der Unfruchtbarkeit von mir genommen hat, nicht für den Glanz von Gold und Juwelen, sondern in der Stille der Demut.“

Die Freude der Mutterschaft währte jedoch nur kurz, denn die Thronerbin, Elisabeth Bonifatia, starb bald nach der Geburt. Vier Tage später, am 17. Juli 1399, verschied auch Hedwig im jugendlichen Alter von 25 Jahren in Krakau. Vor ihrem Hinscheiden empfahl sie ihrem Gemahl noch, Anna von Cilli, die Tochter Wilhelms, des Grafen von Cilli in der Steiermark und Neffen von König Kasimir dem Großen, zu ehelichen.

Sie wurde im Presbyterium der Kathedralkirche von Wawel in Krakau, Polen, neben dem von ihr gestifteten Altar des hl. Erasmus beigesetzt.

Am 8. Juni 1997 wurde Hedwig von Anjou von Papst Johannes Paul II. in Krakau, Polen, heiliggesprochen, nachdem am 31. Mai 1979 Messe und Officium (Stundengebet) zu ihren Ehren erlaubt worden waren.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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