Andreas Resch: Hannibal Maria di Francia

HANNIBAL MARIA
DI FRANCIA
(1851-1927)

PRIESTER UND GRÜNDER
DER KONGREGATIONEN DER
ROGATIONISTEN
VOM HERZEN JESU
UND DER TÖCHTER
VOM GÖTTL. EIFER

Heilig: 16. Mai 2004
Fest: 1. Juni

HANNIBAL MARIA DI FRANCIA wurde am 5. Juli 1851 als Sohn des Adeligen Francesco dei Marche­si di S. Caterina dello Jonio, Päpstlicher Vizekonsul und Ehrenkapitän der Marine, und der Adeligen Anna Toscano, die mütterlicherseits dem Grafengeschlecht der Montanaro entstammte, in Messina auf Sizilien geboren und am 7. Juli auf den Namen Hannibal getauft.

Als drittes von vier Kindern war er gerade einmal 15 Monate alt, als der Vater starb. Er litt sehr unter dem Verlust des Vaters und bekannte als Erwachsener, dass der Schmerz jener ersten Jahre in ihm eine große Zuneigung und Liebe zu den Waisenkindern weckte.

Mit sieben Jahren wurde er in das von Zisterziensern geführte Kolleg San Ni­colò aufgenommen, wo er seine Schulzeit absolvierte und die erste heilige Kommunion empfing. 1866 wurde das Kolleg wegen der vom italienischen Staat erlassenen Suppressionsgesetze aufgehoben, weshalb Hannibal mit vierzehn Jahren in die Familie zurückkehren musste. Er konzentrierte sich bei seinen Studien nunmehr auf eine staatliche Karriere. Gerade einmal 17 Jahre alt, hatte er vor dem Allerheiligsten Altarsakrament ein Erlebnis, das man als „Erfahrung des Rogate“ bezeichnen könnte, d.h. er erkannte die Notwendigkeit des Gebets um Berufungen. Im Evangelium fand er in der Folge den Vers: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet (lat.: rogate) also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,37-38; Lk 10,2).

Pater Tusino erinnert sich, dass Di Francia ihm im Vertrauen mitteilte: „Meine Berufung war von dreifacher Beschaffenheit: 1. Vor allem geschah sie plötzlich: so sehr ich das fromme Leben liebte, dachte ich zu jener Zeit, die von Freimaurertum und Liberalismus beherrscht war, in keinster Weise an eine kirchliche Laufbahn. Auf einen Schlag sandte mir der Herr sein Licht. 2. Sie war unwiderstehlich: ich spürte, dass ich mich der Wirkung der Gnade nicht entziehen konnte; ich musste absolut nachgeben. 3. Sie ließ keinerlei Zweifel zu: nach diesen Erleuchtungen, war ich absolut sicher, dass Gott mich rief; es bestand für mich nicht der geringste Zweifel daran, dass der Herr mich für diesen Weg ausersehen hatte.“

Die Worte des Evangeliums „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet…“ bildeten die grundlegende Intuition, das Charisma, dem Di Francia seine ganze Existenz widmete, weil er verstanden hatte, dass dieses „Bittet“ nicht nur eine simple Empfehlung des Herrn war, sondern ein ausdrücklicher Befehl, ein „unfehlbares“ Mittel.

Als aufgeschlossener Geist mit beachtlichen literarischen Fähigkeiten, der von den kulturellen Kreisen Messinas als Hoffnungsträger gesehen wurde, antwortete er auf diese überzeugende Berufung sofort auf großzügige Weise, indem er seine Talente für die Ausbildung der Priester einsetzte. Und nachdem er am 8. Dezember 1869 den Talar angezogen hatte, entfaltete er unmittelbar darauf eine eifrige Rednertätigkeit, wobei er sich den einfachsten Schichten, vor allem den Kindern und Armen, kundtat. 1870 erwarb er das Diplom für Grundschullehrer, das es ihm erlaubte, die Familie hin­sichtlich weiterer Studien nicht länger zu belasten, und das ihm dann als Er­zieher sehr zugute kam. Gleichzeitig bemühte er sich, Christus dem Priester und Bekehrer der Armen, nachzufolgen. Am 10. Juni 1876 erhielt Di Francia die Subdiakonatsweihe, am 26. Mai 1877 die Diakonatsweihe und schließlich wurde er nach Abschluss der Studien am 16. März 1878 zum Priester geweiht.

Einige Monate vor der Priesterweihe hatte er eine merkwürdige Begegnung mit einem fast blinden Bettler, der ihn auf die desolate soziale Wirklichkeit und den spirituellen Niedergang in einem Viertel am Rande Messinas hinwies. Hannibal selbst berichtet: „Ich war noch Diakon, als ich, ca. 22 Jahre alt, per Zufall in das Viertel „Avignone“ kam, das zu einer Schande für die ganze Stadt geworden war. Ich war schockiert angesichts von so viel Not und Verwahrlosung. Die armen Menschen dort lebten wie die Tiere, durchwegs in „wilden“ Ehen, die Kinder versanken im Unrat, die Mädchen waren Gefahren ausgesetzt, die Alten starben auf dem nackten und feuchten Boden der Baracken. Es waren Zustände, die einem die Worte des Evangeliums in Erinnerung riefen: ,Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden‘ “ (Mt 9,36-38).

Diese Begegnung führte Di Francia zu einer entscheidenden Wende in seinem Apostolat. Mit dem glei­chen Schwung, mit dem er seine Berufung angenommen hatte, widmete er sich nunmehr der Seelsorge dieser armen Leute, die völlig sich selbst überlassen waren. Um die Sanierung des Viertels umzusetzen, musste er jedoch unzählige Schwierigkeiten überwinden, nicht nur auf Grund der Eigenart des Werkes, sondern auch seitens der Familie und aller Wohlgesinnten, denen es missfiel, dass ein so vielversprechender junger Mann sich im Abschaum der Menschheit verlor, anstatt seine großartigen Begabungen als Dichter, Journalist und Redner auszuspielen. Auf eine Mauer der Ablehnung stieß er auch bei den Armen selbst, die lieber ungestört in ihrer Situation verharren wollten.

Anfang 1882 wurde Di Francia vom Erzbischof zum Kanoniker ernannt – ein Amt, das er mehrmals vergeblich abzuschütteln versuchte. Mit Einverständnis seines Bischofs konnte er seine priesterliche Tätigkeit zur Rettung der Armen beginnen. Trotz der vielen Schwierigkeiten gelang es ihm nicht nur, diesen Ort des Elends zu sanieren, sondern er eröffnete dort auch seine Waisenhäuser, die er später unter den Schutz und Schirm des hl. Antonius von Padua stellte (daher die Bezeichnung Antonianer). Das Waisenhaus für Mädchen wurde am 8. September 1882 eingeweiht, jenes für Knaben am 4. November des Folgejahres. Mehr als 20 Jahre lang ging Di Francia von Tür zu Tür, um Almosen zu sammeln, wobei er nicht selten alles andere als Almosen erhielt. Er selbst beschrieb diese Augenblicke in Versen:

„Oft klopfte ich umsonst an eisernen Toren,
heftig war das Urteil dann:
Weg mit dem Lästigen, dem Unverfrornen!
Büß’ er die Strafe, seinen Wahn!“ (Übers. d. Red.)

Seine Tätigkeit zugunsten der Armen hielt Di Francia jedoch nicht davon ab, das Rogate (Bittet) weiterzuverbreiten. Er schrieb dazu viele Gebete und gründete zwei Kongregationen, denen er als viertes Gelübde jenes der eifrigen Erfüllung des Rogate verordnete.

Am 19. März 1887 gründete er die Kongregation der Töchter vom Göttlichen Eifer, um so das Waisenhaus für Mädchen auf ein solides, dauerhaf­tes und wohlorganisiertes Fundament zu stellen. Zehn Jahre später, am 16. Mai 1897, rief er die Kongregation der Rogationisten vom Herzen Jesu ins Leben, die sich um die Vorbereitung der Wai­senknaben auf die Arbeitswelt und um den Unterhalt der Armen und Ausgegrenzten kümmern sollten, gemäß dem Auftrag Christi: „Bittet den Herrn der Ernte…“. Die kanonische Errichtung der beiden Institute erfolgte am 6. August 1926, ein Jahr vor Di Francias Tod.

Zur Verbreitung des „Rogate“ und für das tägliche Gebet um Berufungen gründete er 1897 zudem die Heilige Allianz für den Klerus für Kardinäle, Bischöfe, Prälaten und Priester und im Jahre 1900 die Fromme Vereinigung der Evangelischen Rogatio vom Herzen Jesu für alle Gläubigen.

Nach dem verheerenden Erdbeben von 1908, das Messina dem Erdbo­den gleichmachte, erreichten seine Werke das Festland. Er scheute dabei keinerlei Mühen oder Schwierigkeiten – obgleich seinen Waisenhäusern auf­grund antiklerikaler Feindseligkeiten der Untergang drohte, was abgewendet werden konnte.

Um die Gläubigen zu animieren, seine Initiativen und karitativen Tätig­keiten zu unterstützen, gründete Di Francia eine Zeitschrift mit dem symbolträchtigen Titel Dio e il Prossimo (Gott und der Nächste). Kraft seines unverrückbaren Glaubens hielt ihn die Dynamik der Hoffnung aufrecht. Am 1. Juni 1927 starb Hannibal Maria Di Francia im Ruf der Heiligkeit, aufgezehrt von den Anstrengungen und noch mehr von seinem Eifer, im Landhaus seines Instituts in Guardia bei Messina, wohin man ihn in der Hoffnung gebracht hatte, dass er sich gesundheitlich erhole. Bei der Beerdigung am 4. Juni nahm eine unübersehbare Menschenmenge teil. Alle wollten den „schlafenden Heiligen“ sehen.

Sein Grab befindet sich heute im Heiligtum der Rogazione Evangelica der Rogationisten, via S. Cecilia, 121, Messina, Sizilien.

Am 16. Mai 2004 wurde Hannibal Maria Di Francia von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, der ihn am 17. Oktober 1990 seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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